Das US-Geschäft und die große Angst vor Zöllen
Wirtschaft. Der KanzlerBesuch wird von einer neuen Eskalation im Handelsstreit zwischen der EU und den USA überschattet. Betroffen ist auch Österreich.
New York. Die Erleichterung war groß, als Donald Trump und Jean-Claude Juncker im Juli des Vorjahres Seite an Seite im Rosengarten des Weißen Hauses vor die Mikrofone traten. „Heute ist ein sehr großer Tag“, sagte der US-Präsident. Man habe eine „neue Phase im Verhältnis zwischen den USA und der EU“eingeleitet. Der EU-Kommissionspräsident fügte mit Stolz hinzu: „Ich wollte heute einen Deal machen. Und wir haben einen Deal gemacht.“
Keine weiteren Zölle, lautete die Vereinbarung. Ökonomen und Investoren weltweit atmeten auf, vor allem die europäische Autoindustrie sah das Schlimmste abgewendet. Schließlich hatte Trump nur wenige Tage vor dem Treffen getwittert: „Wenn die EU nicht umgehend ihre Tarife und Barrieren reduziert, werden wir einen 20-prozentigen Strafzoll auf alle ihre Autos einführen.“Da war die Nachricht, dass Juncker bei seinem Besuch einen Handelskrieg abwenden konnte, durchaus Gold wert.
Seitdem ist ein gutes halbes Jahr vergangen. Nach Washington reist diesmal Sebastian Kurz – und die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen stehen wieder einmal kurz vor der Eskalation. Das US-Handelsministerium soll Trump empfohlen haben, europäische Autoimporte als „Bedrohung für die nationale Sicherheit“einzustufen und entsprechend hohe Strafzölle einzuführen. Das hätte fatale Folgen für die deutschen Autobauer. Und auch die österreichischen Zulieferer müssten dann schwere Einbußen hinnehmen.
Trump hat die besseren Karten
„Die Automobilzulieferung macht 16 bis 18 Prozent der österreichischen Exporte in die USA aus“, erklärt Michael Friedl, der österreichische Handelsdelegierte in New York, der „Presse“. Indirekte Exporte über Deutschland sind da noch nicht inkludiert, sie würden die Last höherer US-Tarife für das exportorientierte Österreich nochmals erschweren. „Keine Frage: Die nun diskutierten Zölle auf Autos würden uns treffen“, sagt Friedl. Deshalb ist es auch keine Überraschung, dass der Handelsstreit das wohl wichtigste Thema beim heutigen Treffen zwischen Kurz und Trump wird.
Freilich: Die Trümpfe bei den Gesprächen hält der US-Präsident in der Hand. Außerhalb der EU sind die Vereinigten Staaten der mit Abstand wichtigste Handelspartner Österreichs. 2017 exportierte die Alpenrepublik Waren im Wert von 9,7 Milliarden Euro in die USA, die Importe beliefen sich auf knapp sechs Milliarden Euro. Die endgültigen Zahlen für 2018 liegen noch nicht vor, aber laut Friedl wird bei den Exporten erstmals die Marke von zehn Mrd. Euro überschritten werden. „Die wirtschaftliche Entwicklung in den USA ist äußerst positiv. Viele österreichische Unternehmen sagen, dass die vergangenen Jahre sehr gute Jahre waren.“
Es ist nun mal so, dass die USA weltweit der größte Importeur ausländischer Produkte sind, aber im Durchschnitt niedrigere Zölle als die größten Gegenspieler in Form von China und Europa einheben. Dass Trump die Autoindustrie ein Dorn im Auge ist, hat seinen Grund: US-Fahrzeuge werden in Europa mit Zöllen in Höhe von zehn Prozent belegt, die USA heben auf europäische Autos hingegen nur 2,5 Prozent ein. Was Trump verschweigt: Bei Pick-up-Trucks liegt der US-Zoll bei 25 Prozent, da schirmt Washington den Markt stärker als die EU ab.
Kurz wird während seines wenige Stunden andauernden Besuchs Trump wohl kaum in die eine oder andere Richtung umstimmen. Doch er kann den US-Präsidenten darauf hinweisen, dass die gesamten USWarenlieferungen in die EU mehr als 250 Mrd. Dollar jährlich betragen. Damit spielt Europa als Zielmarkt für Washington beispielsweise eine wichtigere Rolle als China. Umgekehrt sieht es schon anders
aus, was die Position Trumps stärkt: Aus der EU importieren die USA jährlich Waren im Wert von mehr als 400 Mrd. Dollar, aus China Produkte um mehr als 500 Mrd. Dollar.
Versuch einer Deeskalation
Es ist wohl kein Geheimnis, dass sich Trump gern Honig ums Maul schmieren lässt. Eines seiner zentralen Wahlversprechen war, die US-Wirtschaft zu stärken – zumindest bisher ist ihm das gelungen. „Österreichs Firmen sind sehr daran interessiert, sich hier anzusiedeln. Wir kriegen deutlich mehr Anfragen zu diesem Thema“, sagt Friedl. So zählt Österreich 700 Niederlassungen in den USA, 40.000 Jobs wurden dadurch in der weltgrößten Volkswirtschaft geschaffen. Ein Grund sind Trumps Zolldrohungen: Firmen produzieren eher vor Ort, um mögliche Tarife umgehen zu können.
Wenn sich Kurz mit Trump über die Zukunft der Handelsbeziehungen unterhält, wird sich der Kanzler wohl um Deeskalation bemühen. Innerhalb von drei Monaten will das Weiße Haus entscheiden, ob es Strafzölle auf EU-Waren einführt. Kurz kann einen Weg vorzeichnen, gehen werden ihn andere. So meldete sich Juncker zu Wort: „Trump hat mir sein Wort gegeben, dass es vorerst keine Autozölle gibt“, so der EU-Kommissionschef. „Sollte er sein Wort brechen, werden wir uns an die Zusage, mehr US-Soja und Flüssiggas zu kaufen, auch nicht mehr gebunden fühlen.“Offen ist, ob sich Trump davon beeindrucken lassen wird.