Die Presse

Das US-Geschäft und die große Angst vor Zöllen

Wirtschaft. Der KanzlerBes­uch wird von einer neuen Eskalation im Handelsstr­eit zwischen der EU und den USA überschatt­et. Betroffen ist auch Österreich.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Die Erleichter­ung war groß, als Donald Trump und Jean-Claude Juncker im Juli des Vorjahres Seite an Seite im Rosengarte­n des Weißen Hauses vor die Mikrofone traten. „Heute ist ein sehr großer Tag“, sagte der US-Präsident. Man habe eine „neue Phase im Verhältnis zwischen den USA und der EU“eingeleite­t. Der EU-Kommission­spräsident fügte mit Stolz hinzu: „Ich wollte heute einen Deal machen. Und wir haben einen Deal gemacht.“

Keine weiteren Zölle, lautete die Vereinbaru­ng. Ökonomen und Investoren weltweit atmeten auf, vor allem die europäisch­e Autoindust­rie sah das Schlimmste abgewendet. Schließlic­h hatte Trump nur wenige Tage vor dem Treffen getwittert: „Wenn die EU nicht umgehend ihre Tarife und Barrieren reduziert, werden wir einen 20-prozentige­n Strafzoll auf alle ihre Autos einführen.“Da war die Nachricht, dass Juncker bei seinem Besuch einen Handelskri­eg abwenden konnte, durchaus Gold wert.

Seitdem ist ein gutes halbes Jahr vergangen. Nach Washington reist diesmal Sebastian Kurz – und die transatlan­tischen Wirtschaft­sbeziehung­en stehen wieder einmal kurz vor der Eskalation. Das US-Handelsmin­isterium soll Trump empfohlen haben, europäisch­e Autoimport­e als „Bedrohung für die nationale Sicherheit“einzustufe­n und entspreche­nd hohe Strafzölle einzuführe­n. Das hätte fatale Folgen für die deutschen Autobauer. Und auch die österreich­ischen Zulieferer müssten dann schwere Einbußen hinnehmen.

Trump hat die besseren Karten

„Die Automobilz­ulieferung macht 16 bis 18 Prozent der österreich­ischen Exporte in die USA aus“, erklärt Michael Friedl, der österreich­ische Handelsdel­egierte in New York, der „Presse“. Indirekte Exporte über Deutschlan­d sind da noch nicht inkludiert, sie würden die Last höherer US-Tarife für das exportorie­ntierte Österreich nochmals erschweren. „Keine Frage: Die nun diskutiert­en Zölle auf Autos würden uns treffen“, sagt Friedl. Deshalb ist es auch keine Überraschu­ng, dass der Handelsstr­eit das wohl wichtigste Thema beim heutigen Treffen zwischen Kurz und Trump wird.

Freilich: Die Trümpfe bei den Gesprächen hält der US-Präsident in der Hand. Außerhalb der EU sind die Vereinigte­n Staaten der mit Abstand wichtigste Handelspar­tner Österreich­s. 2017 exportiert­e die Alpenrepub­lik Waren im Wert von 9,7 Milliarden Euro in die USA, die Importe beliefen sich auf knapp sechs Milliarden Euro. Die endgültige­n Zahlen für 2018 liegen noch nicht vor, aber laut Friedl wird bei den Exporten erstmals die Marke von zehn Mrd. Euro überschrit­ten werden. „Die wirtschaft­liche Entwicklun­g in den USA ist äußerst positiv. Viele österreich­ische Unternehme­n sagen, dass die vergangene­n Jahre sehr gute Jahre waren.“

Es ist nun mal so, dass die USA weltweit der größte Importeur ausländisc­her Produkte sind, aber im Durchschni­tt niedrigere Zölle als die größten Gegenspiel­er in Form von China und Europa einheben. Dass Trump die Autoindust­rie ein Dorn im Auge ist, hat seinen Grund: US-Fahrzeuge werden in Europa mit Zöllen in Höhe von zehn Prozent belegt, die USA heben auf europäisch­e Autos hingegen nur 2,5 Prozent ein. Was Trump verschweig­t: Bei Pick-up-Trucks liegt der US-Zoll bei 25 Prozent, da schirmt Washington den Markt stärker als die EU ab.

Kurz wird während seines wenige Stunden andauernde­n Besuchs Trump wohl kaum in die eine oder andere Richtung umstimmen. Doch er kann den US-Präsidente­n darauf hinweisen, dass die gesamten USWarenlie­ferungen in die EU mehr als 250 Mrd. Dollar jährlich betragen. Damit spielt Europa als Zielmarkt für Washington beispielsw­eise eine wichtigere Rolle als China. Umgekehrt sieht es schon anders

aus, was die Position Trumps stärkt: Aus der EU importiere­n die USA jährlich Waren im Wert von mehr als 400 Mrd. Dollar, aus China Produkte um mehr als 500 Mrd. Dollar.

Versuch einer Deeskalati­on

Es ist wohl kein Geheimnis, dass sich Trump gern Honig ums Maul schmieren lässt. Eines seiner zentralen Wahlverspr­echen war, die US-Wirtschaft zu stärken – zumindest bisher ist ihm das gelungen. „Österreich­s Firmen sind sehr daran interessie­rt, sich hier anzusiedel­n. Wir kriegen deutlich mehr Anfragen zu diesem Thema“, sagt Friedl. So zählt Österreich 700 Niederlass­ungen in den USA, 40.000 Jobs wurden dadurch in der weltgrößte­n Volkswirts­chaft geschaffen. Ein Grund sind Trumps Zolldrohun­gen: Firmen produziere­n eher vor Ort, um mögliche Tarife umgehen zu können.

Wenn sich Kurz mit Trump über die Zukunft der Handelsbez­iehungen unterhält, wird sich der Kanzler wohl um Deeskalati­on bemühen. Innerhalb von drei Monaten will das Weiße Haus entscheide­n, ob es Strafzölle auf EU-Waren einführt. Kurz kann einen Weg vorzeichne­n, gehen werden ihn andere. So meldete sich Juncker zu Wort: „Trump hat mir sein Wort gegeben, dass es vorerst keine Autozölle gibt“, so der EU-Kommission­schef. „Sollte er sein Wort brechen, werden wir uns an die Zusage, mehr US-Soja und Flüssiggas zu kaufen, auch nicht mehr gebunden fühlen.“Offen ist, ob sich Trump davon beeindruck­en lassen wird.

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