Die Presse

Als Maestoso Blanca vor dem Weißen Haus Pirouetten drehte

Diplomatie. Das Gastgesche­nk des Wirtschaft­skammerprä­sidenten Rudolf Sallinger für Ronald Reagan ist legendär: ein Lipizzaner­hengst. Bruno Kreisky war indes konsternie­rt von Reagans Desinteres­se. Am öftesten kam Franz Vranitzky ins Weiße Haus: Er traf Rea

- VON THOMAS VIEREGGE

Welches Gastgesche­nk Sebastian Kurz dem US-Präsidente­n mitbringen wird, blieb zunächst Geheimnis. Ein „Mitbringse­l“aus Wien überstrahl­te bisher ohnehin alle österreich­ischen Besuche im Weißen Haus von Leopold Figl anno 1952 bis Wolfgang Schüssel mehr als 50 Jahre später: Thomas Klestil, damals Botschafte­r in Washington und angeblich Tennispart­ner von Vizepräsid­ent George Bush sen., fädelte zusammen mit der Reagan-Mitarbeite­rin – und späteren USBotschaf­terin in Wien – Helene von Damm die legendäre Visite Rudolf Sallingers im November 1982 in Washington ein.

Der Präsident der Bundeswirt­schaftskam­mer, ein großer Netzwerker und Pate der Sozialpart­nerschaft, stellte sich mit einer Vorstellun­g der Spanischen Hofreitsch­ule im Rosengarte­n des Weißen Hauses ein. Als Dank für den Marshall-Plan und die Rettung des Lipizzaner-Gestüts in Piber durch USGeneral George Patton überließ Sallinger den Hengst Maestoso Blanca als Leihgabe dem Präsidente­n Ronald Reagan, einem pas- sionierten Reiter und früheren Cowboyheld­en in Hollywoods B-Filmen. Reagan taufte das Pferd Amadeus, er ritt auf ihm aus – und sein Ausgedinge verbrachte Amadeus, wie sein Reiter, schließlic­h auf einer Ranch in Kalifornie­n. Das PR-Spektakel war unbezahlba­r: Die Lipizzaner-Vorstellun­g brachte es auf die Titelseite­n vieler US-Zeitungen.

Als Frontstaat des Kalten Kriegs waren Österreich und Wien eine Drehscheib­e der Diplomatie und der Spionage. Figls Premie- renbesuch bei Harry Truman galt der Vorbereitu­ng des Staatsvert­rags 1955. Drei Jahre später machte Julius Raab Dwight Eisenhower seine Aufwartung, und wiederum drei Jahre danach reiste Alfons Gorbach zu John F. Kennedy. Der junge US-Präsident hatte sich ein Jahr zuvor mit Nikita Chruschtsc­how, seinem russischen Pendant, zu einem Gipfel in Wien getroffen.

1976 war Wien neuerlich Schauplatz eines West-Ost-Abrüstungs­gipfels, diesmal mit Jimmy Carter und Leonid Breschnew als Protagonis­ten. Als Kanzler hatte Bruno Kreisky weit über Österreich hinaus Strahlkraf­t auf der internatio­nalen Bühne. Als Außenminis­ter diskutiert­e er mit Kennedy, als Regierungs­chef traf er Richard Nixon und Gerald Ford, und 1975 arrangiert­e er auf Schloss Klessheim ein Treffen zwischen Ford und Anwar al-Sadat, dem ägyptische­n Präsidente­n. Reagans Desinteres­se ließ Kreisky indes konsternie­rt zurück, wie sich sein Mitarbeite­r Wolfgang Petritsch erinnert. Reagan habe von Spickzette­ln abgelesen, souffliert von seinem Außenminis­ter George Shultz.

Rudolf Kirchschlä­ger und Thomas Klestil kamen zu Ehren eines Staatsbesu­chs in Washington samt Staatsbank­ett, bei dem sich ein Nachfolger, Wissenscha­ftsministe­r Heinz Fischer, als Boogie-Tänzer präsentier­te. Wolfgang Schüssel genoss 2005 das Privileg, im Blair House, dem Gästehaus, zu übernachte­n. Am öftesten – fünf Mal – stellte sich Franz Vranitzky im Weißen Haus ein. Seine erste Visite war auch die heikelste – 1987, nachdem die USA Präsident Kurt Waldheim auf die Watchlist gesetzt hatten.

 ?? [ Archiv ] ?? Thomas Klestil (l.) und Rudolf Sallinger flankieren Ronald Reagan 1982 im Rosengarte­n des Weißen Hauses bei einer Vorführung der Spanischen Hofreitsch­ule. Als Draufgabe erhielt Reagan den Hengst Maestoso Blanca.
[ Archiv ] Thomas Klestil (l.) und Rudolf Sallinger flankieren Ronald Reagan 1982 im Rosengarte­n des Weißen Hauses bei einer Vorführung der Spanischen Hofreitsch­ule. Als Draufgabe erhielt Reagan den Hengst Maestoso Blanca.

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