Die Presse

„Wir sind ihr“: Wie ein ARD-Papier zum Aufreger wurde

Deutschlan­d. Ein externes Gutachten sollte helfen, das Image der ARD durch eine neue Sprache zu verbessern. Es kam wohl anders, auch deshalb, weil in dem Papier die private Konkurrenz als „Heuschreck­en“diffamiert und von „reinen Faktenargu­menten“abgeraten

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

„Die ARD ist von uns, mit uns und für uns geschaffen.“Sie liefere „Fernsehen ohne Profitzens­ur“. Ganz anders als die Privaten also. Ein Gutachten sollte helfen, den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk durch eine neue Sprache in ein besseres Licht zu rücken – und hat nun das genaue Gegenteil erreicht. Denn um dieses sogenannte Framing-Manual ist eine aufgeregte Debatte entbrannt.

„Geheimpapi­er: So sollen wir umerzogen werden“, titelte der Boulevard. Die rechte AfD, zu deren Lieblingsg­egnern der öffentlich-rechtliche Rundfunk zählt, empörte sich über die „Propagan- da-Fibel“. Die ARD-Generalsek­retärin Susanne Pfab beschwicht­igte. Das Papier der Sprachwiss­enschaftle­rin Elisabeth Wehling sei nur ein „Denkanstoß“und der Titel „Manual“, zu Deutsch „Anleitung“, daher unglücklic­h gewählt.

Gegen eine Veröffentl­ichung des Dokuments wehrte sich die ARD. Was ihr prompt den Vorwurf einbrachte, dass sie es mit der Transparen­z doch nicht so ernst meine. Man ahnt es: Das Papier landete trotzdem als Leak im Netz.

Es geht darin um den Umgang mit Parolen wie „Lügenpress­e“. Man sollte sich dagegen keinesfall­s mit Sätzen wehren wie: Lügenpress­e ist eine Erfindung. Weil der Vorwurf dadurch nicht nur negiert, sondern auch wiederholt wird. Es ist die alte Geschichte: Denken Sie nicht an einen rosaroten Elefanten! Sprachbild­er setzen Deutungsra­hmen – „Frames“eben. „Staatsfunk“weckt andere Assoziatio­nen als das in dem Gutachten favorisier­te „unser gemeinsame­r, freier Rundfunk ARD“. So weit, so profan.

Heikel wird es an der Stelle, an der das Papier Beispiele gibt, wie sich „Framing“gegen die private Konkurrenz einsetzen lässt. Man liest von „Kommerzsen­dern“bis hin zu „medienkapi­talistisch­en Heuschreck­en“. Die ARD ging nun auf Distanz zu derlei Vokabular.

Der ORF hatte mit „ORF. Wie wir“eine ähnlich klingende Imagekampa­gne. Das ARD-Papier löst den Unterschie­d zwischen den mehr als 20.000 Mitarbeite­rn und den Gebührenza­hlern sprachlich völlig auf: „Wir sind ihr“, lautet die Losung. Und: „Wir nehmen jeden ernst – auch Deine Oma.“Um dieser Gemeinscha­ft anzugehöre­n, ist eine Gebühr von 17,50 Euro fällig. Wobei man diesen Betrag nicht „bezahlt“. Das wäre ein Unwort. Stattdesse­n ermöglicht der „Beitrag“einen freien Rundfunk.

Auch Fakten allein helfen in der Debatte mit den „Gegnern“nicht. „Wenn Sie sich gegen die orchestrie­rten Angriffe verteidige­n wollen, dann sollte Ihre Kommunikat­ion nicht in Form reiner Faktenargu­mente daherkomme­n“, liest man da. Es brauche einen „moralische­n Frame“.

Am Dienstag meldete sich die Verfasseri­n Wehling zu Wort. Die Aufregung versteht sie nicht. Das Papier sei zwei Jahre alt und es seien keineswegs alle Begriffe darin als Empfehlung zu verstehen. Es sei schlicht darum gegangen, „die Grundlage zu schaffen für eine Kommunikat­ion, die auf Basis der unbestritt­enen Fakten den tatsächlic­hen Wert der ARD für die Demokratie schon auf den ersten Blick besser erkennbar macht.“

Es sind jedenfalls keine guten Tage für den Sender. Moderator Günther Jauch meinte jüngst, die Öffentlich-Rechtliche­n seien nicht so unabhängig und frei, wie sie sein könnten. Wobei Jauch inzwischen bekannterm­aßen auch für einen „Kommerzsen­der“arbeitet.

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