„Wir sind ihr“: Wie ein ARD-Papier zum Aufreger wurde
Deutschland. Ein externes Gutachten sollte helfen, das Image der ARD durch eine neue Sprache zu verbessern. Es kam wohl anders, auch deshalb, weil in dem Papier die private Konkurrenz als „Heuschrecken“diffamiert und von „reinen Faktenargumenten“abgeraten
„Die ARD ist von uns, mit uns und für uns geschaffen.“Sie liefere „Fernsehen ohne Profitzensur“. Ganz anders als die Privaten also. Ein Gutachten sollte helfen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch eine neue Sprache in ein besseres Licht zu rücken – und hat nun das genaue Gegenteil erreicht. Denn um dieses sogenannte Framing-Manual ist eine aufgeregte Debatte entbrannt.
„Geheimpapier: So sollen wir umerzogen werden“, titelte der Boulevard. Die rechte AfD, zu deren Lieblingsgegnern der öffentlich-rechtliche Rundfunk zählt, empörte sich über die „Propagan- da-Fibel“. Die ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab beschwichtigte. Das Papier der Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling sei nur ein „Denkanstoß“und der Titel „Manual“, zu Deutsch „Anleitung“, daher unglücklich gewählt.
Gegen eine Veröffentlichung des Dokuments wehrte sich die ARD. Was ihr prompt den Vorwurf einbrachte, dass sie es mit der Transparenz doch nicht so ernst meine. Man ahnt es: Das Papier landete trotzdem als Leak im Netz.
Es geht darin um den Umgang mit Parolen wie „Lügenpresse“. Man sollte sich dagegen keinesfalls mit Sätzen wehren wie: Lügenpresse ist eine Erfindung. Weil der Vorwurf dadurch nicht nur negiert, sondern auch wiederholt wird. Es ist die alte Geschichte: Denken Sie nicht an einen rosaroten Elefanten! Sprachbilder setzen Deutungsrahmen – „Frames“eben. „Staatsfunk“weckt andere Assoziationen als das in dem Gutachten favorisierte „unser gemeinsamer, freier Rundfunk ARD“. So weit, so profan.
Heikel wird es an der Stelle, an der das Papier Beispiele gibt, wie sich „Framing“gegen die private Konkurrenz einsetzen lässt. Man liest von „Kommerzsendern“bis hin zu „medienkapitalistischen Heuschrecken“. Die ARD ging nun auf Distanz zu derlei Vokabular.
Der ORF hatte mit „ORF. Wie wir“eine ähnlich klingende Imagekampagne. Das ARD-Papier löst den Unterschied zwischen den mehr als 20.000 Mitarbeitern und den Gebührenzahlern sprachlich völlig auf: „Wir sind ihr“, lautet die Losung. Und: „Wir nehmen jeden ernst – auch Deine Oma.“Um dieser Gemeinschaft anzugehören, ist eine Gebühr von 17,50 Euro fällig. Wobei man diesen Betrag nicht „bezahlt“. Das wäre ein Unwort. Stattdessen ermöglicht der „Beitrag“einen freien Rundfunk.
Auch Fakten allein helfen in der Debatte mit den „Gegnern“nicht. „Wenn Sie sich gegen die orchestrierten Angriffe verteidigen wollen, dann sollte Ihre Kommunikation nicht in Form reiner Faktenargumente daherkommen“, liest man da. Es brauche einen „moralischen Frame“.
Am Dienstag meldete sich die Verfasserin Wehling zu Wort. Die Aufregung versteht sie nicht. Das Papier sei zwei Jahre alt und es seien keineswegs alle Begriffe darin als Empfehlung zu verstehen. Es sei schlicht darum gegangen, „die Grundlage zu schaffen für eine Kommunikation, die auf Basis der unbestrittenen Fakten den tatsächlichen Wert der ARD für die Demokratie schon auf den ersten Blick besser erkennbar macht.“
Es sind jedenfalls keine guten Tage für den Sender. Moderator Günther Jauch meinte jüngst, die Öffentlich-Rechtlichen seien nicht so unabhängig und frei, wie sie sein könnten. Wobei Jauch inzwischen bekanntermaßen auch für einen „Kommerzsender“arbeitet.