Die Heimkehr des Wunderknaben
Champions League. Der Jung- und der Altstar im Rampenlicht: Während bei Manchester City heute Abend alle Augen auf Leroy Sane´ gerichtet sind, sorgt Cristiano Ronaldos Rückkehr für Angst und Schrecken im Lager von Atletico´ Madrid.
Was Joachim Löw noch Kopfzerbrechen bereitet, hat Pep Guardiola längst fertiggebracht. Der Starcoach von Manchester City hat den als selbstverliebt und schwierigen Charakter geltenden Leroy Sane´ zu einem Leistungsträger seiner Mannschaft geformt. 118 Pflichtspiele bestritt der 23-jährige Deutsche mittlerweile für City, er erzielte dabei 35 Tore und bereitete 41 vor. Im Vorjahr wurde er zum besten Jungprofi der Premier League gewählt. Umso erstaunlicher, dass Löw den Flügelstürmer im Sommer nicht mit zur WM nach Russland nahm, die Rechnung dafür bekam der deutsche Nationaltrainer aber bekanntlich präsentiert. Ohne den antrittsschnellen Sane´ agierte Deutschland statisch und berechenbar – und scheiterte als Gruppenletzter in der Vorrunde.
Heute kehrt Sane´ dorthin zurück, wo alles begann. Mit dem englischen Meister gastiert er im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei seinem Exklub Schalke (21 Uhr, live, DAZN). Sanes´ Elternhaus steht nur einen Steinwurf vom Stadion entfernt.
Mutter Regina Weber-Sane´ ist mit 32 Meistertiteln und Olympia-Bronze (1984) die bisher erfolgreichste deutsche Sportgymnastin, Vater Souleymane Sane´ war Bundesligaprofi in Deutschland, später beim FC Tirol unter Trainer Hans Krankl österreichischer Torschützenkönig (1994/95). Detail am Rande: In den 1980er-Jahren stürmte der Nationalspieler aus dem Senegal beim deutschen Zweitligisten Freiburg an der Seite eines gewissen Joachim Löw. Heute ist Sane´ senior Manager seiner drei Fußballersöhne: Kim Sane,´ 1995 in Innsbruck geboren, hat seine Unterhauskarriere bereits beendet, dem 15-jährigen Schalke-Nachwuchsstürmer, Sidi Sane,´ bescheinigen sie aber noch größeres Talent als Leroy.
Sämtliche Interviewanfragen zu seiner Heimkehr ins Ruhrgebiet hat der Manchester-City-Star abgelehnt. Dennoch heißt es in der alten Heimat, Sane´ habe immer noch mehr Gelsenkirchener Stallgeruch als das komplette Team des FC Schalke, in dem kein einziger Revierfußballer mehr steht.
Der Wechsel im Sommer 2016 zum Scheichklub, bei dem Schalke 50 Mio. Euro kassierte, hat dem Jungprofi aber nicht nur gutgetan. Sane´ galt als abgehoben und kritikresistent, den kometenhaften Aufstieg schien er nur schwer zu verkraften. Schon in Gelsenkirchen hatte er zwei Luxussportwagen geschrottet, nicht immer benahm er sich, wie es von einem Profi erwartet wird – letztlich auch der Grund, wieso Löw im DFBTeam lange auf ihn verzichtete.
Guardiola hingegen wollte ihn unbedingt haben. In Manchester nahm er ihn dann einmal etwas schärfer in die Pflicht, und schon startete Sane´ durch. Der Edeltechniker war einer der Schlüsselspieler bei Citys Rekordsaison 2017/18, auch in der laufenden Spielzeit liefert er: acht Tore und zehn Vorlagen in 23 Premier-LeaguePartien, und das, obwohl er nicht immer über 90 Minuten spielt.
An Selbstbewusstsein mangelt es Sane´ angesichts dieser Zahlen nicht. Seinen Rücken ziert ein riesiges Tattoo von sich selbst. Das Motiv: sein Torjubel bei seinem ersten Champions-League-Treffer 2017 gegen AS Monaco. So viel Selbstverliebtheit sorgte für Kopfschütteln in England, auch das Motiv wurde ihm übel genommen, schließlich verlor City das Rückspiel gegen Monaco 1:3 und schied aus der Champions League aus.
Gegen Schalke ist das unwahrscheinlich. Beim Tabellen-14. der Bundesliga kriselt es, City hingegen hat noch in allen Bewerben allerbeste Titelchancen. (joe)