Alles sehr deutsch, kein Licht von Süden
Das Gürzenich-Orchester aus Köln spielte Mendelssohns Violinkonzert und Mahler: solide, kompakt.
Der Name Gürzenich hat einen guten Klang, er steht für Tradition aus Köln. Als das Gürzenich-Orchester nun mit einem bemerkenswert fantasielosen Programm im Konzerthaus gastierte, fehlte in der Orchesterbiografie des Programmhefts, dass der große Günter Wand nach dem Krieg hier 29 Jahre lang Chef war. Undank ist der Welt Lohn!
Bei endlos strapazierten Mendelssohn- und Mahler-Werken sind vom Gürzenich-Orchester keine umwerfenden Neuansätze zu erwarten. Es präsentiert sich als solides Ensemble, technisch verlässlich abgesichert und mit einem pauschalen Klang ohne prägende Auffälligkeiten. In der ersten Liga deutscher Orchester spielt es kaum mit. Hemdsärmelig dazu die gestrenge Isabelle Faust als Solistin in Mendelssohn Bartholdys e-mollViolinkonzert. Viel Charme enthält ihre Darstellung mit kleinerem Ton nicht. Alles sehr deutsch, kein südliches Licht und keine „Sommernachtstraum“-Stimmung mit Elfen und Feen. Dafür zieht sie im Passagenwerk die Temposchraube unmerklich an, um den sportiven Charakter zu unterstreichen (eine Unsitte, derer sich auch etliche Pianisten bedienen). In einer zerbrechlichen Mendelssohn-Welt fehlt dann wohl doch die idiomatische „Sanges-“und Phrasierungskunst jüdischer Geiger von Isaac Stern bis Julian Rachlin.
Nüchternheit passt nicht zu Mahler
Sonderbar auch die Zugabe von Isabelle Faust: statt Bach oder einem Zirkusstückl eine im Piano verhauchende Petitesse von György Kurtag´ – auch ein Mittel, den Beifall abzudrehen. Akkuratesse scheint die Stärke des momentanen GürzenichKapellmeisters und Kölner GMDs Francois-¸Xavier Roth zu sein. Während die Begleitung bei Mendelssohn sonst mustergültig ablief, machten sich trotz kleiner Besetzung die Tutti-Schläge hier laut wichtig. Volle Batterie war dafür nach der Pause in Gustav Mahlers 5. Symphonie angesagt: Die Gürzenicher scheinen dazu ein besonderes Naheverhältnis zu haben, sie spielten unter Mahlers Leitung 1904 die Uraufführung in Köln. Roth sorgt mit seinen mitunter hektischen Gesten für eine nahtlose, kompakte Wiedergabe mit dezenten Emotionsinvestitionen. Alle Vergleiche mit Leonard Bernstein und seinen Gefühlsüberschwängen sind längst obsolet, aber er ist und bleibt halt das Maß aller Dinge. Nüchterne Strukturalisten sind bei Mahler jedenfalls fehl am Platz, elementare Erschütterungen laufen bei Roth mehr kopf- als herzgesteuert ab. Zweifelsohne ein gangbarer Mittelweg.