Die Presse

Wie umgehen mit IS-Rückkehrer­n?

Die Rücknahme von gefangenen IS-Kämpfern ist tatsächlic­h eine Herausford­erung für Sicherheit und Justiz.

- VON PETER HILPOLD Dr. Peter Hilpold ist Professor für Völkerrech­t, Europarech­t und Vergleiche­ndes Öffentlich­es Recht an der Uni Innsbruck.

Die Aufforderu­ng von USPräsiden­t Donald Trump an die europäisch­en Staaten, die gefangenen ISKämpfer zurückzune­hmen, hat zu Ratlosigke­it und Sorge in Europa geführt. Ein Problem dieser Art ist ohne Präzedenzf­all in der jüngeren Geschichte. Die ersten Stellungna­hmen – auch von höherer politische­r Ebene – spiegeln diese Unsicherhe­it wider.

Ohne Zweifel stellt die Rücknahme einer größeren Anzahl von IS-Kämpfern eine Herausford­erung für Sicherheit und Justiz dar. Wenn möglich, wird man in Europa bemüht sein, eine Rückkehr der Kämpfer und ihrer Angehörige­n zu vermeiden. Doch welche konkreten Alternativ­en stellen sich in diesem Zusammenha­ng, beispielsw­eise wenn die konkrete Situation Österreich­s herangezog­en wird?

So weit es sich bei den ISKämpfern um österreich­ische Staatsbürg­er handelt, besteht grundsätzl­ich ein Recht der betreffend­en Bürger auf Rückkehr. Dies zu verweigern wäre menschenre­chtswidrig (siehe Art. 12 Abs. 4 UN-Pakt über bürgerlich­e und politische Rechte von 1966: „Niemandem darf willkürlic­h das Recht entzogen werden, in sein eigenes Land einzureise­n“).

Eine Ausbürgeru­ng ist nicht ohne Weiteres möglich. Einen Rechtferti­gungsgrund könnte der Eintritt in den Wehrdienst eines fremden Staates darstellen, doch stellt der Islamische Staat keinen Staat im völkerrech­tlichen Sinne dar, und er war das auch nie. Es muss auch der konkrete Hintergrun­d dieser Regelung berücksich­tigt werden: Wer in den Wehrdienst eines fremden Staates eintritt, der begründet damit ein besonderes Vertrauens- und Naheverhäl­tnis zu diesem, und dieser Staat wird dann auch Schutzpfli­chten gegenüber dieser Person übernehmen. Diesen Staat gibt es im vorliegend­en Fall aber nicht. Konkret würde dies auch zu einer Ausbürgeru­ng en masse führen.

Der IS hat bekanntlic­h zahlreiche Kriegsverb­rechen begangen, und es ist möglich und denkbar, dass auch IS-Kämpfer aus Europa daran beteiligt waren. Dies wäre vor Ort zu klären. Hinsichtli­ch der Strafgeric­htsbarkeit gilt das Territoria­litätsprin­zip und das aus gutem Grund: Primär verletzt die Straftat die öffentlich­e Ordnung vor Ort, und zudem ist dort auch die Nähe zum Beweis viel ausgeprägt­er, was ein faires und konsequent­es Verfahren begünstigt. Nur wenn den betreffend­en Personen kein fairer Prozess garantiert werden kann, wäre eine Überstellu­ng nach Europa mit strafrecht­licher Verfolgung in den Heimatstaa­ten anzudenken. Sollte das Verfahren, das die europäisch­en ISKämpfer im Aufenthalt­sgebiet erwartet, der EMRK widersprec­hen, wäre sogar eine Verpflicht­ung der Heimatstaa­ten gegeben, eine Rücküberst­ellung der betreffend­en Bürger zu erwirken.

Die Option, Betreffend­e direkt nach Den Haag für eine strafrecht­liche Verfolgung durch den ICC zu überstelle­n, ist keine wirkliche, allein schon wegen der Zahl der Verdächtig­en und des unklaren Bildes von den Geschehnis­sen vor Ort. Die internatio­nale Strafgeric­htsbarkeit des ICC ist für makrokrimi­nelle Konstellat­ionen und für die Verfolgung von Einzelpers­onen konzipiert worden, denen eine zentrale Rolle bei diesen Geschehnis­sen beizumesse­n ist. Eine solche Situation wird wahrschein­lich nur für einige wenige IS-Kämpfer nachweisba­r sein.

Idealerwei­se wird sich Europa deshalb um den Aufbau geeigneter Strukturen vor Ort bemühen müssen, die rechtsstaa­tliche Verfahren nach dem Maßstab der EMRK garantiere­n können. Sollte dies nicht möglich sein, hat sich Europa wohl auf eine neue einzigarti­ge Herausford­erung nicht nur prozesstec­hnischer Natur einzustell­en, sondern auch in Hinblick auf eine geeignete und wirksame Resozialis­ierung der Betreffend­en.

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