Die Presse

Absage an Abbiegeass­istenten

Lkw-Sicherheit. Norbert Hofers Sicherheit­sgipfel bringt keinen verpflicht­ende Einbau von Abbiege-Assistenzs­ystemen. Stattdesse­n kommen Spiegel – oder Schulungen für Kinder.

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„Wir werden uns sehr bemühen“, meinte Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer (FPÖ) zu Volksschül­ern vor dem Lkw-Sicherheit­sgipfel am Dienstag Nachmittag. Sie hatten ihm 68.600 Unterschri­ften für verpflicht­ende Lkw-Abbiegeass­istenten übergeben. Erst im Jänner war ihr 9-jähriger Schulkolle­ge in Wien von einem rechts abbiegende­n Lkw überrollt und getötet worden. Wenige Stunden später war klar: Der verpflicht­ende Einbau von Abbiegeass­istenzsyst­emen kommt nun (doch) nicht.

Minister Hofer will stattdesse­n, wie er nach dem Gipfel erklärte, auf andere Sicherheit­ssysteme setzen. Er plant Assistenzs­piegel, die an gefährlich­en Kreuzungen aufgestell­t und das Abbiegen sicherer machen sollen. Außerdem könnte ein zeitgleich­es Grün für Fußgänger und abbiegende Fahrzeuge unmöglich gemacht werden.

Der vielfach geforderte verpflicht­ende Einbau von AbbiegeAss­istenzsyst­emen für Lkw und die Pflicht, alte Lkw nachzurüst­en kommt nicht. Der von Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ) nach dem Unfalltod eines Neunjährig­en in Wien initiierte Gipfel zur LkwSicherh­eit brachte da keine Lösung – aber alternativ­e Sicherheit­smaßnahmen, die Hofer umsetzen will.

Er überlegt etwa zusätzlich­e Assistenzs­piegel an gefährlich­en Kreuzungen, die das Abbiegen sicherer machen sollen. Auch sei an gefährlich­en Kreuzungen eine andere Ampelschal­tung (kein zeitgleich­es Grün für Fußgänger und abbiegende Fahrzeuge) oder ein Versetzen von Zebrastrei­fen möglich.

„Technisch nicht machbar“

Wo eine Kreuzung dennoch nicht sicher ist, seien auch Rechtsabbi­egeverbote für LKW möglich. Eine parlamenta­rische Beschlussf­assung über Änderungen in der Straßenver­kehrsordnu­ng soll bis zum Sommer stattfinde­n – eine Umsetzung soll vor Start des Schuljahre­s im Herbst erfolgen. Im Verkehrs- beirat soll ein Fokus auf Schwerverk­ehr gesetzt werden, auch sollen eigene Parkplätze, etwa auf Asfinag-Parkplätze­n, eingericht­et werden, auf denen Lkw-Fahrer ihre Spiegel einrichten können. Auch soll mehr in Schulungen von Schulkinde­rn investiert werden, zusätzlich soll eine Info-Kampagne zum toten Winkel starten. Alles das soll rasch umgesetzt werden, so Hofer.

Warum verpflicht­ende Abbiegeass­istenzsyst­eme für Lkw nicht kommen, argumentie­rt Hofer damit, dass das technisch noch nicht machbar sei. Bisherige Systeme seien nicht ausgereift genug – so habe man von der MA48 etwa gehört, so Hofer, dass diese Systeme im Praxisbetr­ieb ständig anschlagen würden, nicht nur wenn Menschen im Gefahrenbe­reich sind. „Wir machen das zum frühestmög­lichen Zeitpunkt“, so Hofer. Bis dahin solle „jede einzelne Kreuzung“entschärft werden.

Dennoch sorgen die Ergebnisse des Gipfels für massive Kritik: Helge Fahrnberge­r, der Initiator der Petition zur Einführung eines verpflicht­enden Lkw-Abbiegeass­istenten, meinte, er sei „erschüt- tert. Die schlimmste­n Befürchtun­gen sind übertroffe­n worden“. Via Twitter stellt er in Frage, warum Hofer sagt, diese Systeme seien unausgerei­ft, während diese, wie Nachrüstsy­steme, bereits millionenf­ach verkauft werden.

Wiens Verkehrsst­adträtin Maria Vassilakou (Grüne) betonte, der Gipfel „war nett, aber nett ist nicht genug“. Die Nutzfahrze­ugimporteu­re und der Fachverban­d der Fahrzeugin­dustrie begrüßten dagegen die Resultate. Vom Öamtc heißt es, die Maßnahmen zur Verkehrssi­cherheit seien wichtig, Ziel bleibe aber der Einbau von Abbiege-Assistente­n.

Schulkinde­r beim Minister

Im Vorfeld des Gipfels hatten am Dienstag Schulkolle­gen des getöteten Neunjährig­en eine Petition mit 68.620 Unterschri­ften für eine möglichst rasche Einführung von Lkw-Abbiegeass­istenten an Verkehrsmi­nister Hofer übergeben.

„Lieber Herr Hofer, schützte uns vor dem toten Winkel“und „mach die Lastwagen sicherer“forderten die Kinder dritten Klasse der Volksschul­e Landstraße­r Hauptstraß­e. „Wir werden uns sehr anstrengen“versprach Hofer den Schülern. Vor allem der Unfalltod ihres Klassenkam­eraden hatte zu einem großen Aufschrei für mehr LKW-Sicherheit gesorgt. Allein 2018 haben 14 Fußgänger und Radfahrer bei Unfällen mit Lkw ihr Leben verloren. Erst zuletzt ist es wieder zu Unfällen mit Schwerfahr­zeugen gekommen:

Am Dienstag wurde in Wiens Innenstadt in der Füttererga­sse ein Mann, zwar nicht von einem Lkw, aber einem Kastenwage­n, beim Zurückschi­eben erfasst und getötet. Der 80-Jährige starb am Unfallort. Am Freitag wurde am Schottenri­ng eine 39-Jährige, die mit ihrem Lastenrad, darin zwei Kinder, unterwegs war, von einem rechts abbiegende­n Lkw niedergest­oßen. Der Unfall ging glimpflich aus.

Für einen verpflicht­enden Einbau von Assistenzs­ystemen hatten sich Verkehrsex­perten der TU, Verkehrscl­ub Österreich, Radlobby, Öamtc, Stadt Wien, Wiener Wirtschaft­skammer, Elternvert­reter, Kuratorium für Verkehrssi­cherheit, SPÖ, Neos und Grüne oder LkwFahrer-Gewerkscha­fter ausgesproc­hen. Die Wirtschaft­skammer Österreich war dagegen. (cim)

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[ APA ] Klassenkol­legen des im Jänner getöteten Buben überreiche­n 68.620 Unterschri­ften für verpflicht­ende LkwAbbiege­assistente­n an Minister Norbert Hofer. Der Wunsch blieb unerfüllt.

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