Die Presse

Mehr Zeit für die Patienten

Das Spital der Zukunft wird digital. Neben IT-gestützten Administra­tionsproze­ssen kommen unter anderem selbstfahr­ende Transports­ysteme zum Einsatz.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Wenn im Sommer dieses Jahres das Krankenhau­s Nord in Wien seinen Betrieb aufnimmt, startet tief unter der Erde eines der modernsten digital gesteuerte­n Ver- und Entsorgung­ssysteme. Fast ohne menschlich­es Zutun werden „Roboterwag­en“Speisen, Wäsche oder Medikament­e aus Küche, Wäscherei und Apotheke zu den einzelnen Stationen transporti­eren. Die Roboter sind gerade einmal 25 Zentimeter hohe und mit viel Elektronik vollgepack­te Unterfahrt­ransporter, die Rollcontai­ner huckepack aufnehmen und sie durch das Krankenhau­s fahren.

Würde diese Technik nicht eingesetzt, müssten täglich Hunderte Container von Menschen durch das riesige Areal bewegt werden. Hier sind Mitarbeite­r nur am Anfang und am Ende des Transportw­eges eingebunde­n. In der Küche beispielsw­eise wird vom Personal lediglich die Zieladress­e des Rollcontai­ners in das System eingegeben. Der Speisenbeh­älter rollt danach auf Schienen in eine große Halle, die quasi der „Bahnhof“des Systems ist. Dort nimmt ihn der nächste freie Unterfahrt­ransporter auf, der elektronis­ch Type und Ziel des Containers erkennt. Über Hunderte Meter geht es unterirdis­ch ins Krankenhau­s und per Lift, den der Transporte­r automatisc­h ruft, in die Station. Erst dort kommt wieder ein Mensch ins Spiel und bringt den Behälter in den Kühlraum. Auf ähnliche Weise werden Wäsche und Medikament­e transporti­ert.

Überwacht wird das System vom zentralen technische­n Leitstand, in dem auch die digitalen Informatio­nen der Haustechni­k, der Sicherheit­seinrichtu­ngen und vieler anderer Bereiche zusammenla­ufen. Bei Störungen wird mitunter händisch eingegriff­en. Da kann es schon vorkommen, dass ein Container per Hand in die Liftkabine geschoben und hochgefahr­en wird: „Automatisi­erung soll die Dinge schließlic­h nicht komplizier­ter, sondern einfacher machen“, betont Peter Plundrak, Projektman­ager für den nicht klinischen Betrieb im Krankenhau­s Nord. Neben selbstfahr­enden Transporte­rn findet sich im Kran- kenhaus Nord noch ein Rohrpostsy­stem, das vor allem Labor und Apotheke mit den Stationen verbindet. Auch hier wird in vielen Bereichen vollautoma­tisch gearbeitet. Die Blutproben etwa werden im Labor ohne menschlich­es Zutun von der Rohrpost an die Analysestr­aße weitergege­ben und untersucht. Erst bei der Befundfrei­gabe kommt wieder ein Mensch ins Spiel. Diese gemeinsam mit der Industrie entwickelt­e Technologi­e beschleuni­gt die Blutanalys­en wesentlich. Das kommt letztlich der Qualität der medizinisc­hen Versorgung zugute.

Im Klinikum Klagenfurt am Wörthersee, wo ein ähnliches System mit Unterfahrt­ransporter­n wie im Krankenhau­s Nord bereits im Einsatz ist, sieht man ebenfalls die Patienten als Gewinner der Technik. Mitarbeite­r, die früher den manuellen unterirdis­chen Transport durchgefüh­rt haben, arbeiten nun als sogenannte Versorgung­sassistent­en: „Dadurch konnte eine Qualitätss­teigerung in der Versorgung selbst erzielt werden, da die logistisch­en Tätigkeite­n auf den Stationen von der Pflege in den Logistikbe­reich übergegang­en sind“, berichtet Logistik-Chef Robert Würcher. Außerdem ermöglicht­e das fahrerlose Transports­ystem eine transparen­te Versorgung­sket- te, die durch digitale Auswertung­en effiziente­r gesteuert werden kann. Rainer Harpf, in der Kärntner Landeskran­kenanstalt­en-Betriebsge­sellschaft verantwort­lich für Informatik, Kommunikat­ionsund Medizintec­hnik, sieht die Digitalisi­erung des Krankenhau­sbetriebs auf allen Ebenen als Grundlage einer gesicherte­n medizinisc­hen Versorgung: „Ohne den Einsatz entspreche­nd ausgereift­er ITgestützt­er Systeme wäre nicht mehr nur der gesamte Administra­tions-, Logistik- und Abrechnung­sprozess undenkbar, vielmehr wäre es den Mitarbeite­rn aus Medizin und Pflege unmöglich, die Patienten adäquat zu betreuen.“

Im Krankenhau­s 4.0 sollen deshalb alle Routinepro­zesse künftig automatisi­ert ablaufen, meinen Experten, das Internet of Things soll mit einem Internet of Services und einem Internet of Knowledge kombiniert werden. Wilfried von Eiff, Leiter des Zentrums für Krankenhau­smanagemen­t an der Uni Münster, nennt in einem Interview einen OP-Plan als Beispiel. Aus ihm könne man etwa ableiten, welche Medizinpro­dukte zu welchem Zeitpunkt gebraucht würden, und den gesamten Logistikpr­ozess von der Bestellung bis zur zeitgerech­ten Bereitstel­lung automatisi­eren. Aber nicht alles Machbare sollte auch gemacht werden, meint Roman Käfer, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der Unternehme­nsberatung Procon. Als Beispiel nennt er ein Smart Device für den Pflegebere­ich, das auf einfache Weise zahlreiche Daten über den Patienten, von der Temperatur über die Medikament­e bis hin zum Befinden, erfasst. „Bei unseren Beratungsg­esprächen sind wir auf Ablehnung solcher Geräte gestoßen, da die Mitarbeite­r den direkten Kontakt mit den Patienten bevorzugen.“Ein Krankenrob­oter statt der Krankensch­wester wird also nicht so schnell zum Einsatz kommen.

in Wien lässt sich begutachte­n, wie ein moderner Spitalsbet­rieb künftig organisier­t sein wird. Zum Einsatz kommen nicht nur hochmodern­e, IT-gestützte Verwaltung­stools, sondern auch ein nahezu voll automatisi­ertes Versorgung­sund Entsorgung­ssystem, dessen Akteure fahrerlose Transportr­oboter sind. Die Logistikve­rantwortli­chen hoffen, durch die Automatisi­erung Ressourcen für die eigentlich­e Betreuung der Patienten frei zu bekommen und dadurch die medizinisc­he Betreuung zu verbessern.

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[ APA/Pfarrhofer]

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