Mehr Zeit für die Patienten
Das Spital der Zukunft wird digital. Neben IT-gestützten Administrationsprozessen kommen unter anderem selbstfahrende Transportsysteme zum Einsatz.
Wenn im Sommer dieses Jahres das Krankenhaus Nord in Wien seinen Betrieb aufnimmt, startet tief unter der Erde eines der modernsten digital gesteuerten Ver- und Entsorgungssysteme. Fast ohne menschliches Zutun werden „Roboterwagen“Speisen, Wäsche oder Medikamente aus Küche, Wäscherei und Apotheke zu den einzelnen Stationen transportieren. Die Roboter sind gerade einmal 25 Zentimeter hohe und mit viel Elektronik vollgepackte Unterfahrtransporter, die Rollcontainer huckepack aufnehmen und sie durch das Krankenhaus fahren.
Würde diese Technik nicht eingesetzt, müssten täglich Hunderte Container von Menschen durch das riesige Areal bewegt werden. Hier sind Mitarbeiter nur am Anfang und am Ende des Transportweges eingebunden. In der Küche beispielsweise wird vom Personal lediglich die Zieladresse des Rollcontainers in das System eingegeben. Der Speisenbehälter rollt danach auf Schienen in eine große Halle, die quasi der „Bahnhof“des Systems ist. Dort nimmt ihn der nächste freie Unterfahrtransporter auf, der elektronisch Type und Ziel des Containers erkennt. Über Hunderte Meter geht es unterirdisch ins Krankenhaus und per Lift, den der Transporter automatisch ruft, in die Station. Erst dort kommt wieder ein Mensch ins Spiel und bringt den Behälter in den Kühlraum. Auf ähnliche Weise werden Wäsche und Medikamente transportiert.
Überwacht wird das System vom zentralen technischen Leitstand, in dem auch die digitalen Informationen der Haustechnik, der Sicherheitseinrichtungen und vieler anderer Bereiche zusammenlaufen. Bei Störungen wird mitunter händisch eingegriffen. Da kann es schon vorkommen, dass ein Container per Hand in die Liftkabine geschoben und hochgefahren wird: „Automatisierung soll die Dinge schließlich nicht komplizierter, sondern einfacher machen“, betont Peter Plundrak, Projektmanager für den nicht klinischen Betrieb im Krankenhaus Nord. Neben selbstfahrenden Transportern findet sich im Kran- kenhaus Nord noch ein Rohrpostsystem, das vor allem Labor und Apotheke mit den Stationen verbindet. Auch hier wird in vielen Bereichen vollautomatisch gearbeitet. Die Blutproben etwa werden im Labor ohne menschliches Zutun von der Rohrpost an die Analysestraße weitergegeben und untersucht. Erst bei der Befundfreigabe kommt wieder ein Mensch ins Spiel. Diese gemeinsam mit der Industrie entwickelte Technologie beschleunigt die Blutanalysen wesentlich. Das kommt letztlich der Qualität der medizinischen Versorgung zugute.
Im Klinikum Klagenfurt am Wörthersee, wo ein ähnliches System mit Unterfahrtransportern wie im Krankenhaus Nord bereits im Einsatz ist, sieht man ebenfalls die Patienten als Gewinner der Technik. Mitarbeiter, die früher den manuellen unterirdischen Transport durchgeführt haben, arbeiten nun als sogenannte Versorgungsassistenten: „Dadurch konnte eine Qualitätssteigerung in der Versorgung selbst erzielt werden, da die logistischen Tätigkeiten auf den Stationen von der Pflege in den Logistikbereich übergegangen sind“, berichtet Logistik-Chef Robert Würcher. Außerdem ermöglichte das fahrerlose Transportsystem eine transparente Versorgungsket- te, die durch digitale Auswertungen effizienter gesteuert werden kann. Rainer Harpf, in der Kärntner Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft verantwortlich für Informatik, Kommunikationsund Medizintechnik, sieht die Digitalisierung des Krankenhausbetriebs auf allen Ebenen als Grundlage einer gesicherten medizinischen Versorgung: „Ohne den Einsatz entsprechend ausgereifter ITgestützter Systeme wäre nicht mehr nur der gesamte Administrations-, Logistik- und Abrechnungsprozess undenkbar, vielmehr wäre es den Mitarbeitern aus Medizin und Pflege unmöglich, die Patienten adäquat zu betreuen.“
Im Krankenhaus 4.0 sollen deshalb alle Routineprozesse künftig automatisiert ablaufen, meinen Experten, das Internet of Things soll mit einem Internet of Services und einem Internet of Knowledge kombiniert werden. Wilfried von Eiff, Leiter des Zentrums für Krankenhausmanagement an der Uni Münster, nennt in einem Interview einen OP-Plan als Beispiel. Aus ihm könne man etwa ableiten, welche Medizinprodukte zu welchem Zeitpunkt gebraucht würden, und den gesamten Logistikprozess von der Bestellung bis zur zeitgerechten Bereitstellung automatisieren. Aber nicht alles Machbare sollte auch gemacht werden, meint Roman Käfer, geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Procon. Als Beispiel nennt er ein Smart Device für den Pflegebereich, das auf einfache Weise zahlreiche Daten über den Patienten, von der Temperatur über die Medikamente bis hin zum Befinden, erfasst. „Bei unseren Beratungsgesprächen sind wir auf Ablehnung solcher Geräte gestoßen, da die Mitarbeiter den direkten Kontakt mit den Patienten bevorzugen.“Ein Krankenroboter statt der Krankenschwester wird also nicht so schnell zum Einsatz kommen.
in Wien lässt sich begutachten, wie ein moderner Spitalsbetrieb künftig organisiert sein wird. Zum Einsatz kommen nicht nur hochmoderne, IT-gestützte Verwaltungstools, sondern auch ein nahezu voll automatisiertes Versorgungsund Entsorgungssystem, dessen Akteure fahrerlose Transportroboter sind. Die Logistikverantwortlichen hoffen, durch die Automatisierung Ressourcen für die eigentliche Betreuung der Patienten frei zu bekommen und dadurch die medizinische Betreuung zu verbessern.