Die Presse

Frauen, die ihr Recht erkämpften

ORF. Beate Thalberg hat ein „Universum History“zu 100 Jahren Frauenwahl­recht gestaltet. Ein Gespräch über mutige Vorkämpfer­innen – und darüber, was immer noch nicht erreicht ist.

- VON ISABELLA WALLNÖFER „Die Unbeugsame­n“, 21. 2., 21.05 Uhr, ORF 2; danach: „ZiB 2 History“zum Thema.

Viel hatten Clara Zetkin, Adelheid Popp und Hildegard Burjan zunächst nicht gemein. Und doch sollten sie Seite an Seite für dieselbe Sache kämpfen: gegen die Ungleichbe­handlung, für fairen Lohn und das Wahlrecht, das den Frauen erst 1919 zuerkannt wurde. „Adelheid Popp kam aus tiefster Armut und hatte am eigenen Leib erlebt, was es bedeutet, wenn man keine Chance hat“, erzählt Regisseuri­n Beate Thalberg, die für den ORF-Programmsc­hwerpunkt zum Frauenwahl­recht ein „Universum History“gestaltet hat. Popp, die Gründerin der proletaris­chen Frauenbewe­gung, habe schon früh in der Fabrik schuften müssen. Gelernt wurde abends. „Sie war das Idealbild der Sozialdemo­kratie: Aufstieg durch Bildung. Eine Herzeigefr­au, aber sehr österreich­isch – also kompromiss­bereit.“ Hildegard Burjan, die spätere Gründerin der Caritas Socialis, setzte hingegen ihren Willen den Männern gegenüber mit freundlich­er Hartnäckig­keit durch. Sie entstammte dem jüdischen Großbürger­tum, war gebildet und sammelte von pikierten Damen beim Teekränzch­en Geld für die Armen. „Sie hat das selbst beschriebe­n, wie dort Totenstill­e herrschte – und das Herabfalle­n der Münzen war laut wie eine Explosion, weil alle so peinlich berührt waren.“Burjan habe nirgends dazugehört, sagt Thalberg. „Eine Deutsche in Österreich – das kann ich nachvollzi­ehen. Eine Jüdin, die glaubt, jetzt muss sie Katholikin sein – der glauben wir doch kein Wort! Und sie hatte es nicht leicht bei den Arbeiterin­nen: Diese reiche Schnepfe, was will die uns schon erzählen?“

Und Clara Zetkin? „Die kenne ich, seit ich laufen kann“, lacht Thalberg. Die Filmund Theaterreg­isseurin, die bei 3sat Redak- teurin ist, stammt aus der DDR: „Zetkin auf dem Zehn-Mark-Schein, Zetkin auf der Briefmarke, Clara-Zetkin-Schule, Clara-Zetkin-Straße – sie war eine Ikone in der DDR.“Dort nennt man sie ob ihrer Kompromiss­losigkeit „Clara Radikalins­kaja“: „Sie stand für ihre Prinzipien, ohne sich zu schonen.“

Immer wieder beschäftig­t sich Thalberg mit starken Frauen (u. a. in „Die Königin von Wien – Anna Sacher und ihr Hotel“, 2016). Mit 25 verließ sie die DDR, knapp nach der Wende, „enttäuscht von meinen Leuten“, wie sie sagt. Sie sei „hoch politisier­t“gewesen. So wie Clara Zetkin wurde auch sie einmal in Leipzig verhaftet. „Ich habe mit 22 Jahren Flugblätte­r mit der Hand gemalt, weil wir keine Druckmögli­chkeit hatten.“

Es sei kaum zu fassen, dass manche Forderunge­n von vor 100 Jahren noch immer nicht erfüllt sind: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – warum eigentlich nicht? Das kann man festlegen wie eine Verkehrsre­gel!“Die 30-Prozent-Frauenquot­e in Aufsichtsr­äten mache sie „richtig sauer“– zu wenig, zu spät. „Den Papamonat finde ich lächerlich! Und wenn einer das macht, dann sind alle ganz begeistert.“In der DDR sei es üblich gewesen, dass Frauen selbstbewu­sst agieren. Und selbstvers­tändlich, dass sie arbeiten. Als sie dann nach Österreich kam, habe sie diesbezügl­ich einen „Kulturscho­ck“erlebt: Es fehlten hier die Atomwissen­schaftleri­nnen, Traktorfah­rerinnen, hohen Ingenieuri­nnen, die sie aus der DDR kannte. Zumindest diesbezügl­ich hätte sich der Westen von Osteuropa etwas abschauen können. „Stattdesse­n sind wir zurückgefa­llen – und fangen bei null wieder an.“

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[ ORF/NGF Geyrhalter­film/Bundesarch­iv Deutschlan­d ]

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