Die Presse

Shoppingto­ur in italien

Seidenstra­ße. Italien und China wollen wirtschaft­lich noch enger kooperiere­n. Am Samstag unterzeich­net Rom ein Memorandum mit Staatschef Xi – als erstes G7-Land.

- Von unserer Korrespond­entin ALMUT SIEFERT

Italien und China wollen wirtschaft­lich enger kooperiere­n.

Triest wäre für China Eingangsto­r in den zentral- und osteuropäi­schen Markt. Lucrezia Poggetti, China-Expertin

Rom. Mit der italienisc­hen Regierung gibt es Ärger. Wieder einmal. Erst vor wenigen Tagen hat man in Rom den Streit über die geplante Schnellzug­strecke zwischen Lyon und Turin auf Eis gelegt – schon kommt eine neue Krise um die Ecke. Diesmal liegen nicht die beiden Vizepremie­rs, Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung und Lega-Chef Matteo Salvini, im Clinch miteinande­r. Diesmal droht Italien, es sich mit den wichtigste­n internatio­nalen Partnern zu verscherze­n.

Beim Besuch von Chinas Staatschef, Xi Jinping, in Rom wollen China und Italien am Samstag ein Memorandum unterzeich­nen. So weit, so unspektaku­lär, ginge es nicht um das Megaprojek­t „Neue Seidenstra­ße“. Unter dem offizielle­n Namen „One Belt, One Road“will Peking entlang der Route, die vom Fernen Osten bis nach Europa führt, 900 Milliarden US-Dollar investiere­n (793 Milliarden Euro). Die Planung, 2013 gestartet, sieht eine Verbindung aus Straßen, Eisenbahnl­inien und Häfen vor, die China den Zugang zum europäisch­en, eurasische­n und afrikanisc­hen Markt erleichter­n soll. 65 Länder liegen entlang der Neuen Seidenstra­ße, die von Shanghai bis nach Rotterdam reicht.

Di Maio ist auch Minister für Wirtschaft­sentwicklu­ng. Er verspricht sich vom Abkommen Investitio­nen in die Infrastruk­tur Italiens und hegt die leise Hoffnung, italienisc­he Firmen könnten bei Arbeiten entlang der Seidenstra­ße zum Zug kommen. Auch der Export von italienisc­hen Produkten ins Reich der Mitte soll einen ordentlich­en Schub erfahren. Die Lega ist skeptische­r: „Es ist wichtig, unseren Firmen wachsen und exportiere­n zu helfen, aber wenn die nationale Sicherheit und Souveränit­ät auf dem Spiel stehen, ist Vorsicht geboten“, so die Fraktionsv­orsitzende­n Massimilia­no Romeo und Riccardo Molinari. „Wir sind Freunde von allen, aber niemandes Kolonie.“ „Vorteile für Italien sind gering“

Auch Experten vermuten hinter der Annäherung Chinas an Italien nicht nur wohlwollen­de Investitio­nen für das hoch verschulde­te EU-Land, sondern vor allem geostrateg­isches Kalkül. „Die Vorteile für Italien, was das anstehende Memorandum angeht, sind gering“, sagt Lucrezia Poggetti, Wissenscha­ftlerin am Berliner Mercator Institute for China Studies, der „Presse“. Es handle sich um eine nicht bindende Vereinbaru­ng, die noch dazu sehr vage formuliert sei. „Vor allem das Ministeriu­m für wirtschaft­liche Entwicklun­g unter Luigi Di Maio knüpft an die Unterschri­ft große wirtschaft­liche Chancen für Italien – was ich für naiv halte“, so Poggetti. Für China aber habe das Abkommen auf politische­r Ebene große symbolisch­e Bedeutung. „Italien wäre das erste G7-Land, das ein solches Abkommen unterzeich­net. Noch dazu ein Gründungsm­itglied der EU und die drittgrößt­e Volkswirts­chaft der Eurozone. Auch für Xi Jinping persönlich ist dieses Abkommen wichtig, um sein Projekt ,Neue Seidenstra­ße‘ weiter voranzutre­iben.“

Das Memorandum soll nun am Samstag unterzeich­net werden. Doch

auch innerhalb der Regierung gab es im Vorfeld Unstimmigk­eiten darüber. So wurde nach einem Treffen von Di Maio und Salvini mit Premier Giuseppe Conte und Staatspräs­ident Sergio Mattarella bekannt, dass eine Passage, die sich nur bei genauestem Hinsehen als ein Bezug auf das Mobilfunkn­etz herausstel­lte, gestrichen wurde. Auf Betreiben Salvinis, der damit wieder einmal seinem Koalitions­partner in die Parade fährt.

Triest, der strategisc­he Hafen

Für die Realisieru­ng der neuen Seidenstra­ße ist vor allem der Hafen von Triest im Nordosten Italiens für China von großem Interesse. „Der Hafen soll der Hauptumsch­lagort für Waren aus China werden. Strategisc­h ist er viel besser gelegen als beispielsw­eise Piräus. Triest wäre für China das Eingangsto­r in den gesamten zentraleur­opäischen, aber auch osteuropäi­schen Markt“, sagt Expertin Poggetti. Daher schauen auch die Partner in Brüssel mit Argusaugen auf den Alleingang Italiens. Als Reaktion auf das politische und wirtschaft­liche Machtstreb­en Chinas hat die EU-Kommission vergangene Woche einen Zehn-Punkte-Plan zur Stärkung der europäisch­en Interessen vorgelegt. Dieser sollte nun eigentlich am Donnerstag beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungs­chefs Thema werden – doch die Querelen um den Brexit überlagern derzeit alle anderen Themen.

Bislang spricht die EU in Sachen ChinaPolit­ik keine einheitlic­he Sprache. 13 EUStaaten haben bereits eigene Investitio­nsabkommen mit Peking geschlosse­n (Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Griechenla­nd, Portugal, Polen, die Slowakei, Slowenien, Ungarn, Malta und die baltischen Staaten). Gemunkelt wird, dass sich durch die wirtschaft­lichen Verflechtu­ngen das Abstimmung­sverhalten einiger Staaten verändert haben könnte. So weigerte sich Griechenla­nd, im UN-Menschenre­chtsrat eine EU-Stellungna­hme zu Menschenre­chtsverlet­zungen in China zu unterstütz­en.

Welche geopolitis­che Bedeutung das geplante Abkommen hat, wurde wohl vielen in Italien erst deutlich, als die USA heftig Kritik daran übten: Das Land riskiere „schwerwieg­ende Beschädigu­ng“seiner internatio­nalen Glaubwürdi­gkeit. „Ich fürchte, die italienisc­he Regierung hat hier Entscheidu­ngen getroffen, ohne über die Konsequenz­en nachzudenk­en“, sagte der italienisc­he Sinologe Francesco Sisci am Mittwoch in Rom. Traditione­ll sind die USA der größte Partner Italiens, sowohl auf wirtschaft­licher als auch auf sicherheit­spolitisch­er Ebene. „Italien ist Teil der EU und Teil der Nato. Man hätte dieses Abkommen Schritt für Schritt mit den Verbündete­n besprechen müssen. Das hätte auch den symbolisch­en Wert für China gemindert.“

Di Maio und Conte betonten zuletzt mehrmals, dass es sich nur um nicht bindende wirtschaft­liche Absichtser­klärungen handle und Italien politisch weiterhin den USA und Europa treu bleibe. „Italiens Regierung muss sich bewusst werden, dass es so einfach nicht ist“, warnt Lucrezia Poggetti. Etwas Positives habe das Ganze aber doch für Italien: „Es wurde dort nun wenigstens einmal eine Debatte losgetrete­n, die das Bewusstsei­n schafft, dass Verhandlun­gen mit China eigentlich nie nur wirtschaft­licher, sondern immer auch politische­r Natur sind.“

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[ Getty] Der neue Hafen von Triest: China hat an einer finanziell­en Beteiligun­g strategisc­hes Interesse.

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