EU-Gipfel zeigt May kalte Schulter
Europäischer Rat. Die Staats- und Regierungschefs der 27 Unionsmitglieder haben für die britische Premierministerin nur eine Botschaft: Ohne Ja zum Austrittsabkommen kein Aufschub des Brexit.
Brüssel/London. Sollte man sich im Vereinigten Königreich noch Hoffnungen darauf machen, dass die Europäische Union die Umstände des Brexit neu verhandeln würde, wurden diese am Donnerstag schon vor Beginn des Europäischen Ratstreffens in Brüssel zerstört. „Das Austrittsabkommen kann nicht verhandelt werden“, erklärte Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron. Entweder das britische Parlament stimme diesem Text samt allen von britischer Seite noch ausbedungenen Kautelen und Versicherungen im dritten Anlauf doch noch zu. Oder es gebe nächsten Samstag um Mitternacht einen Hard Brexit ohne Abkommen, warnte Macron: „Wir sind dafür vorbereitet.“
Etwas versöhnlicher haben zuvor die beiden anderen Schlüsselspieler im Kreis der 27 Chefs dasselbe gesagt. „Wir werden hier zustimmen, dass, wenn das britische Parlament das ganze Abkommen mit allem Drum und Dran annimmt, wir einen Aufschub akzeptieren“, sagte der niederländische Ministerpräsident, Mark Rutte. Er rief alle Beteiligten dazu auf, „einen kühlen Kopf zu bewahren“und das Austrittsabkommen anzunehmen. Denn ein Hard Brexit „wäre für das Vereinigte Königreich katastrophal. Den Menschen dort wird bereits klar, dass sie schon jetzt ein vermindertes Land haben.“
merkel: „spielräume sind begrenzt“
Die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, erklärte, die britische Premierministerin, Theresa May, werde „ihre Position noch einmal darlegen, und wir werden uns das dann anhören“. Sie hoffe zwar, dass das Unterhaus in London dem Abkommen doch noch zustimme, doch „wir müssen uns eben auch darauf einstellen, dass das nicht geschieht“. Und sie fügte hinzu: „Das Austrittsabkommen ist sehr gut verhandelt. Deshalb sind unsere Spielräume begrenzt.“Sprich keine Nachverhandlung. Aber ein Aufschub des Brexit bis zum 22. Mai (dem Tag vor Beginn der Europawahlen) oder dem 30. Juni (dem Tag vor der Konstituierung des neu gewählten Europaparlaments) ist möglich, damit die nötigen Beschlüsse zur rechtlichen Umsetzung des geordneten Brexit gefasst wer- den können. Ein längeres Verbleiben wünscht niemand. „Wir können keine exzessiven Verlängerungen haben, die unsere Fähigkeit zu entscheiden und zu handeln behindern“, sagte Macron.
may gegen ihr eigenes parlament
Die britische Premierministerin selbst blieb bei ihrem Eintreffen in Brüssel wortkarg. In der Nacht auf Donnerstag hatte sie in einer Fernsehansprache an die Nation Rücktrittsgerüchte zu zerstreuen versucht: „Ich bin mir absolut sicher: Ihr habt genug davon“, sprach sie, direkt an die Zuschauer gerichtet. Die Verschiebung des EU-Austritts bezeichnete May als „Angelegenheit tiefen persönlichen Bedauerns“. Doch schuld daran sind alle, nur nicht die Premierministerin: „Ihr seid des politischen Kleinkriegs, der Spielereien und der obskuren prozeduralen Ausei- nandersetzungen müde.“Ungeachtet des Ernstes der Lage habe „das Parlament bisher alles getan, um eine Wahl zu vermeiden“.
Was May außer Acht ließ: Das Parlament hat entschieden – gegen sie. In ihrer eigenen Partei hat sie nur knapp eine Misstrauensabstimmung überstanden, mit der Opposition hat sie in zwei Jahren keine Verständigung zu irgendeinem Thema zustande gebracht, und sie kann nicht einmal die von ihr alimentierte nordirische DUP, die teure Mehrheitsbeschafferin der Minderheitsregierung, von ihrem Deal überzeugen.
„wie Alice im wunderland“
Auch überparteiliche Vermittlungsgespräche in London blieben in der Nacht auf Mittwoch ergebnislos. „Sie saß da wie Alice im Wunderland, starrte alle an und hatte nichts zu sagen“, berichtete ein Sitzungsteilnehmer. Dass es keine konstruktiven Bemühungen gab, dazu trug wieder einmal auch Labour-Chef Jeremy Corbyn bei: Aus Empörung darüber, dass auch Abtrünnige aus seiner Partei eingeladen waren, verließ er umgehend die Beratungen. „Er benahm sich wie ein trotziger Teenager“, berichtete die Liberaldemokratin Jo Swinson.
May weiß, was die Stunde geschlagen hat: „Ich bin nicht bereit, den Brexit länger als bis zum 30. Juni zu verschieben.“Der Konservative David Evennett meint: „Wenn sie diese Krise nicht lösen kann, ist es vorbei mit ihr.“
Den Briten wird bereits klar, dass sie schon jetzt ein vermindertes Land haben. Mark Rutte, Ministerpräsident