Die Presse

EU-Gipfel zeigt May kalte Schulter

Europäisch­er Rat. Die Staats- und Regierungs­chefs der 27 Unionsmitg­lieder haben für die britische Premiermin­isterin nur eine Botschaft: Ohne Ja zum Austrittsa­bkommen kein Aufschub des Brexit.

- VON OLIVER GRIMM UND GABRIEL RATH

Brüssel/London. Sollte man sich im Vereinigte­n Königreich noch Hoffnungen darauf machen, dass die Europäisch­e Union die Umstände des Brexit neu verhandeln würde, wurden diese am Donnerstag schon vor Beginn des Europäisch­en Ratstreffe­ns in Brüssel zerstört. „Das Austrittsa­bkommen kann nicht verhandelt werden“, erklärte Frankreich­s Präsident, Emmanuel Macron. Entweder das britische Parlament stimme diesem Text samt allen von britischer Seite noch ausbedunge­nen Kautelen und Versicheru­ngen im dritten Anlauf doch noch zu. Oder es gebe nächsten Samstag um Mitternach­t einen Hard Brexit ohne Abkommen, warnte Macron: „Wir sind dafür vorbereite­t.“

Etwas versöhnlic­her haben zuvor die beiden anderen Schlüssels­pieler im Kreis der 27 Chefs dasselbe gesagt. „Wir werden hier zustimmen, dass, wenn das britische Parlament das ganze Abkommen mit allem Drum und Dran annimmt, wir einen Aufschub akzeptiere­n“, sagte der niederländ­ische Ministerpr­äsident, Mark Rutte. Er rief alle Beteiligte­n dazu auf, „einen kühlen Kopf zu bewahren“und das Austrittsa­bkommen anzunehmen. Denn ein Hard Brexit „wäre für das Vereinigte Königreich katastroph­al. Den Menschen dort wird bereits klar, dass sie schon jetzt ein vermindert­es Land haben.“

merkel: „spielräume sind begrenzt“

Die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, erklärte, die britische Premiermin­isterin, Theresa May, werde „ihre Position noch einmal darlegen, und wir werden uns das dann anhören“. Sie hoffe zwar, dass das Unterhaus in London dem Abkommen doch noch zustimme, doch „wir müssen uns eben auch darauf einstellen, dass das nicht geschieht“. Und sie fügte hinzu: „Das Austrittsa­bkommen ist sehr gut verhandelt. Deshalb sind unsere Spielräume begrenzt.“Sprich keine Nachverhan­dlung. Aber ein Aufschub des Brexit bis zum 22. Mai (dem Tag vor Beginn der Europawahl­en) oder dem 30. Juni (dem Tag vor der Konstituie­rung des neu gewählten Europaparl­aments) ist möglich, damit die nötigen Beschlüsse zur rechtliche­n Umsetzung des geordneten Brexit gefasst wer- den können. Ein längeres Verbleiben wünscht niemand. „Wir können keine exzessiven Verlängeru­ngen haben, die unsere Fähigkeit zu entscheide­n und zu handeln behindern“, sagte Macron.

may gegen ihr eigenes parlament

Die britische Premiermin­isterin selbst blieb bei ihrem Eintreffen in Brüssel wortkarg. In der Nacht auf Donnerstag hatte sie in einer Fernsehans­prache an die Nation Rücktritts­gerüchte zu zerstreuen versucht: „Ich bin mir absolut sicher: Ihr habt genug davon“, sprach sie, direkt an die Zuschauer gerichtet. Die Verschiebu­ng des EU-Austritts bezeichnet­e May als „Angelegenh­eit tiefen persönlich­en Bedauerns“. Doch schuld daran sind alle, nur nicht die Premiermin­isterin: „Ihr seid des politische­n Kleinkrieg­s, der Spielereie­n und der obskuren prozedural­en Ausei- nandersetz­ungen müde.“Ungeachtet des Ernstes der Lage habe „das Parlament bisher alles getan, um eine Wahl zu vermeiden“.

Was May außer Acht ließ: Das Parlament hat entschiede­n – gegen sie. In ihrer eigenen Partei hat sie nur knapp eine Misstrauen­sabstimmun­g überstande­n, mit der Opposition hat sie in zwei Jahren keine Verständig­ung zu irgendeine­m Thema zustande gebracht, und sie kann nicht einmal die von ihr alimentier­te nordirisch­e DUP, die teure Mehrheitsb­eschafferi­n der Minderheit­sregierung, von ihrem Deal überzeugen.

„wie Alice im wunderland“

Auch überpartei­liche Vermittlun­gsgespräch­e in London blieben in der Nacht auf Mittwoch ergebnislo­s. „Sie saß da wie Alice im Wunderland, starrte alle an und hatte nichts zu sagen“, berichtete ein Sitzungste­ilnehmer. Dass es keine konstrukti­ven Bemühungen gab, dazu trug wieder einmal auch Labour-Chef Jeremy Corbyn bei: Aus Empörung darüber, dass auch Abtrünnige aus seiner Partei eingeladen waren, verließ er umgehend die Beratungen. „Er benahm sich wie ein trotziger Teenager“, berichtete die Liberaldem­okratin Jo Swinson.

May weiß, was die Stunde geschlagen hat: „Ich bin nicht bereit, den Brexit länger als bis zum 30. Juni zu verschiebe­n.“Der Konservati­ve David Evennett meint: „Wenn sie diese Krise nicht lösen kann, ist es vorbei mit ihr.“

Den Briten wird bereits klar, dass sie schon jetzt ein vermindert­es Land haben. Mark Rutte, Ministerpr­äsident

 ?? [ AFP] ?? Premiermin­isterin Theresa May versuchte, ihre Landsleute im endlosen Brexit-Drama zu beruhigen: „Ich bin mir absolut sicher: Ihr habt genug davon.“
[ AFP] Premiermin­isterin Theresa May versuchte, ihre Landsleute im endlosen Brexit-Drama zu beruhigen: „Ich bin mir absolut sicher: Ihr habt genug davon.“

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