Er wird nun selbst ein Weiser sein
Porträt. Wolfgang Schüssel und Viktor Orb´an – mehr als nur Nachbarn. Und was macht der österreichische Altkanzler sonst so?
In der Orangerie des Schlosses Schönbrunn feierte Wolfgang Schüssel im Juni 2015 seinen 70. Geburtstag. In seiner Rede zog der ehemalige Bundeskanzler alle Register seines rhetorischen Könnens. Europa, sagte Schüssel, sei ein unglaubliches Erfolgsmodell. Leider werde das zu selten erzählt. Österreich solle groß denken und könne angesichts der Herausforderungen in der Welt nicht neutral bleiben. Auch auf die sich anbahnende Flüchtlingskrise nahm Schüssel Bezug: „Das kann uns nicht kalt lassen, da braucht es Solidarität.“
Unter den Gästen und Zuhörern: Viktor Orban,´ der ungarische Premierminister. „Gute Nachbarschaft ist der Schlüssel zum Frieden“, sagte Schüssel damals. Und die beiden verbindet mehr als Nachbarschaft, wahrscheinlich sogar eine Art Freundschaft – soweit das in der Politik eben möglich ist. Jedenfalls gegenseitige Wertschätzung. Als Viktor Orban´ Österreich 2018 einen offiziellen Besuch abstattete, da traf er sich nicht nur mit Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache, sondern auch mit Wolfgang Schüssel.
Nun wird Schüssel Teil jenes dreiköpfigen Weisenrats, der Orbans´ Fidesz unter die Lupe nehmen soll. Jener Wolfgang Schüssel, der sich selbst als Kanzler einer schwarz-blauen Koalition der Visitation eines Weisenrats unterziehen musste. Dieser erteilte ihm dann die Absolution. Und Schüssel blieb Kanzler bis 2006.
Danach wurde es ruhig um Wolfgang Schüssel. Er widerstand der Versuchung, sich als Balkon-Muppet zu betätigen und seine Nachfolger zu kommentieren. Und wechselte – mehr im Hintergrund – ganz auf das Feld der Außenpolitik. Er wurde Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen. Vizepräsident dort ist übrigens ein gewisser Alexander Van der Bellen. Auch Herbert Scheibner, unter Kanzler Schüssel seinerzeit freiheitlicher Verteidi- Aufsichtsräte und Thinktanks gungsminister, ist nun einer seiner Stellvertreter.
Zudem erweiterte Schüssel sein Wirkungsfeld Richtung Deutschland und Russland: Er ging ins Kuratorium der Bertelsmann-Stiftung und in den Aufsichtsrat des Energiekonzerns RWE. Vor Kurzem wurde bekannt, dass er in den Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Lukoil einzieht. Aufsichtsrat des größten russischen Mobilfunkanbieters MTS ist er bereits. Weiters sitzt er in einigen Thinktanks, die auch die EU beraten. Bei United Europe ist er Vorstandsmitglied – unter anderem mit Friedrich Merz, dem FastCDU-Chef.
Und Schüssel ist Mitglied im Europäischen Rat für Außenbeziehungen (EFCR). Dessen Mitbegründer: George Soros. Er sitzt dort auch als Vertreter Ungarns.