Die Presse

Ein „Riesensieg“für Orb´an

Parallelun­iversum. Während der Rest der EU Ministerpr­äsident Orb´an geschwächt sieht, feiern Ungarns Regierungs­medien seinen „Sieg“gegen Kritiker in der EVP.

- Von unserem Korrespond­enten BORIS KALNOKY´

Budapest. Die Mitgliedsc­haft der ungarische­n Regierungs­partei, Fidesz, in ihrer europäisch­en Parteienfa­milie, der christdemo­kratischen EVP, ist suspendier­t, Fidesz ist von allen Gremien ausgeschlo­ssen, kann keine Posten besetzen, nicht abstimmen. Zugleich soll ein Weisenrat prüfen, ob die Regierung von Ministerpr­äsident Viktor Orban´ den EVP-Werten von Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit entspricht. Eine klare Schwächung der Partei von Ministerpr­äsident Viktor Orban´ in der EVP, sollte man meinen. So schildern es auch westliche Medien. Aber nicht die regierungs­nahe ungarische Presse.

Da ist von Orbans´ „Riesensieg“die Rede und von einer vernichten­den Niederlage seiner Gegner. Im Staatssend­er M1 sagte der als Experte eingeladen­e Zoltan´ Lomnici, Orban´ habe einen „riesigen Sieg“errungen über „migrations­freundlich­e Kräfte“, die einen Ausschluss der Partei gefordert hatten und gescheiter­t seien. In der als Regierungs­organ geltenden Zeitung „Magyar Nemzet“lautete die Schlagzeil­e: „Riesensieg für Orban“.´ Hat er tatsächlic­h so viel erreicht? Am 12. März hatte EVPSpitzen­kandidat Manfred Weber mit Orban´ in Budapest persönlich verhandelt. Dabei einigten sich beide auf Bedingunge­n für den EVP-Verbleib, und Orban´ bot nach Angaben einer ranghohen ungarische­n Quelle an, die Mitgliedsc­haft in der EVP „freiwillig“ruhen zu lassen – für drei Monate. Letztlich musste er sich mit weniger zufriedeng­eben: Die Suspendier­ung ist nicht zeitlich begrenzt. Orban´ konnte aber erreichen, dass im Text von einer „gemeinsame­n“Entscheidu­ng die Rede ist.

Der Orban-´Vertraute Zoltan´ Balog, der an den Verhandlun­gen teilnahm, wertet das Ergebnis als Teilerfolg. „Was für Österreich 2000 gut war, ist auch für Ungarn gut“, sagte er auf Anfrage der „Presse“. „Das war unser Ziel.“Al- lerdings seien „die wirklich wichtigen Fragen vertagt – wo wir gemeinsam hin wollen“.

A´goston Mra´z vom regierungs­nahen Thinktank Nezöpont´ meint, die Richtung zu sehen: Orban´ werde „auf jeden Fall das europäisch­e christdemo­kratische Bündnis formen, ob in der EVP oder außerhalb“. Ziel sei eine Annäherung der EVP an „kooperatio­nsfähige Rechtspart­eien“– die polnische PiS, die italienisc­he Lega und Österreich­s FPÖ. Das gehe aber nicht, wenn EVP-Spitzenkan­didat Weber seine Mehrheit links von der EVP suchen will.

Dass nicht nur die EVP, sondern auch der Fidesz weiterhin über eine Scheidung nachdenkt, machte Orban´ selbst deutlich, indem er eine dreiköpfig­e Kommission zusammenst­ellte, die prüfen soll, ob die EVP noch den „christdemo­kratischen Werten“des Fidesz entspricht. Sie wird von Familienst­aatssekret­ärin und Fidesz-Vizepräsid­entin Katalin Novak´ geleitet.

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