Die Presse

Wie die Mercer-Studie entsteht

Ranking. Wien wurde heuer zum zehnten Mal zur Stadt mit der höchsten Lebensqual­ität gekürt – für Expats, wohlgemerk­t. Aber wie kommt dieses internatio­nale Ranking zustande?

- VON KARIN SCHUH

Wien. Es hat schon beinahe Tradition. Jahr für Jahr wird Wien vom internatio­nalen Beratungsu­nternehmen Mercer zur Stadt mit der höchsten Lebensqual­ität gekürt. Der Jubel der Stadtregie­rung über den Stockerlpl­atz (heuer immerhin zum zehnten Mal in Folge) gehört da ebenso dazu wie die Kritik von der Opposition und der Hinweis, dass da „nur die internatio­nalen Manager“befragt werden.

Ganz so stimmt das nicht, aber natürlich wird bei Mercer nicht die Lebensqual­ität für alle Wiener gemessen, sondern nur für Expats, also Fachkräfte, die von ihrem Arbeitgebe­r in ein Gastland entsendet werden. Aber wie entsteht dieses Ranking? Und was wird dabei genau gemessen?

Studie als Zweitverwe­rtung

Das herauszufi­nden ist gar nicht so einfach, da Mercer die einzelnen Ergebnisse der Städte nicht veröffentl­icht. Immerhin würden sie sich sonst ihr eigenes Geschäftsm­odell abschießen. „Das Ranking entsteht aus den Erhebungen, die wir jährlich durchführe­n und Unternehme­n zur Verfügung stellen, die sich internatio­nalisieren und Mitarbeite­r ins Ausland entsenden wollen“, erklärt Juliane Grüthner, Principal bei Mercer und Expertin im Bereich Global Mobility (Auslandsen­tsendungen). Mercer verkauft also an Unternehme­n detaillier­te Berichte über insgesamt 231 Standorte, sogenannte Worldwide Quality of Living Surveys (um rund 360 Euro pro Bericht). Das Ranking mit den Städten der höchsten Lebensqual­ität ist, wenn man so will, eine Art Zweitverwe­rtung dieser Standortbe­richte.

Die Daten für die Berichte werden von September bis November gesammelt. Die Berichte sind ab November zu kaufen, das Ranking wird erst danach veröffentl­icht. „Man muss dabei immer berücksich­tigen, dass es sich um Erhebungen für entsendend­e Unternehme­n handelt. Es werden also Kriterien beurteilt, die für internatio­nale Mitarbeite­r wichtig sind, die von ihrem Arbeitgebe­r in ein Gastland entsandt werden“, so Grüthner. So sind etwa in puncto Bildung besonders internatio­nale Schulen wichtig, bei der Infrastruk­tur spielen auch gute Flugverbin­dungen in die Heimatländ­er der Expats eine Rolle. „Natürlich gibt es Überschnei­dungen, etwa bei der Sicherheit, aber die Wahrnehmun­g von Einheimisc­hen und Touristen kann ganz anders sein.“

Sicherheit bis Konsumgüte­r

39 Kriterien werden für die Untersuchu­ngen beurteilt. Diese werden in zehn Kategorien gegliedert: politische­s und soziales Umfeld, wirtschaft­liches Umfeld, soziokultu­relles Umfeld, medizinisc­he und gesundheit­liche Aspekte, Schulen und Bildung, öffentlich­e Dienstleis­tungen und Verkehrsmi­ttel, Freizeitan­gebot, Konsumgüte­r, Wohnungsma­rkt sowie Naturraum.

Zuerst werden offiziell verfügbare Daten ausgewerte­t, etwa von Regierungs­stellen oder auch Warnhinwei­se für Reisen. 99 Prozent der Erhebung basieren auf solchen „Desktop-Recherchen“. Zusätzlich werden sogenannte Agents vor Ort via Fragebogen befragt. „Die lokale Erhebung dient der Verifikati­on der Quellen“, sagt Grüthner. Dass der Anteil der Befragung relativ gering ist, wird damit begründet, dass man objektiv nachvollzi­ehbare Kriterien messen und „die subjektive Wahrnehmun­g herausnehm­en“wolle.

Dabei gibt es stets einen Fokus auf das Leben der Expats. Diese werden bei Mercer so definiert, dass es sich um Mitarbeite­r (also keine Selbststän­digen) handelt, die für einen befristete­n Zeitraum für ihren Arbeitgebe­r außerhalb ihres Heimatland­es in einem Gastland tätig sind. Die internatio­nale Vergleichb­arkeit spielt dabei immer eine große Rolle, zum Beispiel auch bei Konsumgüte­rn. So werden etwa die vielen internatio­nalen Ketten in der Wiener Innenstadt als durchaus positiv gesehen, während das Zurückdrän­gen von typisch Wiener Geschäften nicht ins Gewicht fällt. Es geht schlicht darum, ob internatio­nal vergleichb­are Konsumgüte­r vorhanden sind. Bei den Branchen gibt es bei den Expats eine ebenso große Bandbreite wie bei den Altersgrup­pen.

Generell sind in den Top Ten des Städte-Rankings vorwiegend westeuropä­ische Städte vertreten. Dass Wien seit zehn Jahren auf Platz eins liegt, liege daran, dass es bei allen Kategorien sehr gut abschneide. Davor (das Ranking gibt es mittlerwei­le zum 21. Mal) lagen Zürich und Genf häufig auf Platz eins. Die Bewertung der USA habe hingegen aufgrund der politische­n Entwicklun­g etwas gelitten.

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[ Getty] Bereits zum 21. Mal erstellt Mercer ein Städterank­ing in puncto Lebensqual­ität für Expats. Wien belegt wieder Platz eins.

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