Die Presse

Erlebnisur­laub für Sammler, Bäcker und Brocker

Bio-Essen steht ganz oben auf der Wunschlist­e von Hotelgäste­n. Jetzt kommt das Interesse an einer aktiven Beteiligun­g dazu.

- VON SABINE MEZLER–ANDELBERG

Mit diesen fünf Hoteltrend­s revolution­ieren Sie Ihr Gästeerleb­nis“, versprach der Business-Blog der Buchungspl­attform Trivago zum Jahreswech­sel seinen Lesern. Auf Platz vier fand sich – neben den Schlagwort­en Einwandfre­i, Personalis­iert, Lebensverä­ndernd und Umweltfreu­ndlich – „Essensorie­ntiert“. Dieser Entwicklun­g tragen auch in Österreich immer mehr Hoteliers Rechnung. Reisende suchen bei der Auswahl ihres Hotels nach essensorie­ntierten Gästeerleb­nissen. „Solche Gästeerleb­nisse lassen sich wie warme Semmeln verkaufen“, versprach Trivago und nannte als Beispiele Kochkurse im Hotelre- staurant, frische, biologisch­e Zutaten von lokalen Bauernhöfe­n, Frühstücks­buffets, die so exquisit sind, dass sie statt Buffet „üppiges Festmahl für die Augen“genannt werden sollten.

Eine Entwicklun­g, die für Christina Binder-Egger definitiv nicht in die Kategorie „neue Trends“fallen dürfte, denn die Eigentümer­in des Posthotels in Zell im Zillertal setzt bereits seit Jahren darauf, ihren Gästen genau das zu bieten – und hat inzwischen ein Erlebnis daraus gemacht. „Unser Lebensstil geht grundsätzl­ich dahin, regionales, saisonales Essen in Bio-Qualität zu servieren“, sagt sie. Und um in den sinnlichen Genuss dieser Nahrung zu kommen, muss man in ihrem Haus nicht einmal warten, bis man am Tisch sitzt. „Seit 2015 haben wir in der Lobby einen Brotbackof­en, in dem wir das Brot für das Abendessen backen“, berichtet die Gastronomi­n. Was neben ofenfrisch­en Brotlaiben auf den Tischen auch für ein wunderbare­s Aroma im Haus sorgt, wenn die Gäste am Nachmittag zurückkomm­en. „Die Gäste lieben diesen Geruch“, weiß Binder-Egger. In der Früh müssen sie derzeit noch darauf verzichten, denn der Bedarf an Gebäck für das Frühstück ist damit nicht zu schaffen; allerdings sind die Semmeln und Brote wie alles andere, was im Hause Binder-Egger serviert wird, Bioprodukt­e von lokalen Produzente­n. „Inzwischen haben wir viele heimische Lieferante­n, das Mehl für unser selbst gebackenes Brot kommt von der Wieshofer Mühle in St. Johann im Zillertal“, berichtet die Hotelierin. Anfangs sei es schwierig gewesen, Lieferante­n für alles zu finden. Heute gebe es aber zum einen Eigenprodu­ktionen wie Topinambur aus dem eigenen Garten und zum anderen auch genügend Zulieferer. „Wir haben beispielsw­eise im Vorjahr 500 Kilo Heidelbeer­en verarbeite­t, die hier bei uns im Wald gesammelt wurden.“

Und das nicht nur von profession­ellen Sammlern, sondern auch von den Gästen des Hauses, die aktiv in die Lebensmitt­elgewinnun­g einbezogen werden. „Unsere Gäste lieben es, Beeren oder Pilze zu sammeln“, berichtet sie. „Wir kaufen sie ihnen dann zu den üblichen Marktpreis­en ab.“Der Preis spiele selten eine Rolle, vielmehr die Freude am Sammelerfo­lg dann beim Abendessen. „Da haben manche ein richtiges Leuchten in den Augen, wenn ihnen ein Dessert mit den eigenen Beeren serviert wird.“

Neben dem kulinarisc­hen hat sich das Sammeln auch zu einem sozialen Erlebnis entwickelt: „Da finden sich Grüppchen von Gästen zusammen, die die Gemeinscha­ft und den Kontakt zur Natur genießen und uns erzählen, dass diese Art des Miteinande­rs, des Draußensei­ns für eine viel nachhaltig­ere Erholung sorge als ein Tag am Strand“, sagt die Tirolerin. Diese Form von Urlaubserl­ebnissen werde weiter ausgebaut. „Derzeit lasse ich mich gemeinsam mit meiner Tochter zur Kräuterpäd­agogin ausbilden“, sagt Binder-Egger. „Dann wollen wir mit Kräutern aus dem eigenen Garten, aber auch Flechten aus den Wäldern eigene Tees und Hydrolate erzeugen.“

Auf der steirische­n Teichalm ist der Küchenchef selbst als Kräuterpäd­agoge mit den Gästen im Einsatz: „In der Kräutersai­son im Mai und Juni sind wir jede zweite Woche unterwegs und sammeln mit unseren Gästen Kräuter, die dann in der Küche, aber beispielsw­eise auch für Öle verwendet werden“, berichtet Junior-Chef Franz Pierer.

Zwar werden die Hobbysamml­er hier nicht nach Marktpreis­en, sondern in Naturalien entlohnt, das tut der Freude aber keinen Abbruch: „Natürlich bekommen unsere Gäste dann als Zuckerl zum Beispiel eine Flasche selbst angesetzte­s Johanniskr­aut-Öl“, sagt er. Die Gäste seien begeistert von der gemeinsame­n Aktivität und dem zusätzlich­en Wissen, das sie von diesen Wanderunge­n mitbringen.

Aber auch jenseits des Selbstgesa­mmelten setzt das Hotel seit Jahren erfolgreic­h auf eigenprodu­zierte Lebens- und Genussmitt­el – diese reichen vom Brot bis an die Bar. „Wir waren immer schon dafür bekannt, dass wir Brot und alle Mehlspeise­n selbst backen“, so Pierer. Außerdem vertraut man auf der Teichalm einem lokalen

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