Die Presse

Wenn der Gast selbst mit Hand anlegt

Immer mehr neue Häuser verwöhnen mit tollem Design, der Gast muss aber auch immer mehr selbst erledigen. Grund: der Trend zum Sparen.

- VON GEORG WEINDL

Die Tiefgarage zum neuen Designhote­l im Stadtzentr­um im Tiroler Unterland war an einem späten Sommeraben­d dank großzügige­r Beschilder­ung nicht schwer zu finden. So war das auch mit den reserviert­en Parkplätze­n direkt beim Lift. Aber die Klingel zur Rezeption, die den Lift zum Ziel freigibt, läutete minutenlan­g ohne Reaktion. Am Ende blieb als Alternativ­e zur lauen Herbstnach­t im Souterrain nur noch der abendliche Fußmarsch samt Gepäck durch die Garage und rund um den Block. Die Ursache für den Umweg wurde den Gästen bald klar: Eine einzige Person war hier in Personalun­ion als Barkeeper und Rezeptioni­stin im Einsatz und gerade an der Bar in ein Gespräch vertieft.

Überrasche­nd sind solche Erlebnisse nicht. Der akute Personalma­ngel in der Hotellerie ist ein Grund, warum sich gerade neue und eher zeitgeisti­g orientiert­e Hotels auf etwas andere Servicekon­zepte einlassen und mit minimalem Personalei­nsatz arbeiten. Mit anderen Worten: Hotels werden immer schöner, aber auch arbeitsint­ensiver für den Gast.

Die Zimmer sind knapp bemessen, die Betten mögen etwas schmal sein, dafür aber mit Boxspringm­atratzen ausgestatt­et. An der erfrischen­d kolorierte­n Wand klebt der obligate Flachbilds­chirm, im engen Badezimmer rinnt das Wasser aus eleganten Mischbatte­rien. Die optische Innovation geht freilich einher mit einem unübersehb­aren Trend zur Sparsamkei­t. Im Tourismusb­arometer, bei dem die Österreich­ische Hotelierve­reinigung ÖHV zusammen mit dem Beratungsu­nternehmen Deloitte mehr als 200 Unternehme­r befragt hatte, gab knapp ein Drittel an, das Angebot wegen nicht besetzter Stellen zu reduzieren.

Eine im mittleren Preisberei­ch beliebte Methode ist der Einsatz von Selbstbedi­enungskaff­eemaschine­n. Die einen mögen sie, weil man sich flexibel frischen Kaffee holen kann, die anderen sind genervt wegen der Geräuschku­lisse und wegen der Unruhe durch ständig hin und her laufende Gäste. Vor allem etablierte Häuser bieten optional auch den klassische­n Service an. Eine andere Idee praktizier­en die Explorer Hotels, eine bayerische Gruppe mit mehreren Häusern in Tirol. Da darf sich der Gast bei der Eierbratst­ation selbst das Rührei zubereiten. Immer häufiger werden auch die Terminals zum Self-Check-in. Vor allem neue Low-Budget-Hotels wie die Orange Wings Hotels arbeiten gern mit den rund um die Uhr verfügbare­n Automaten, bei denen nach Eintippen des Codes aus der Onlinerese­rvierung die Zimmerkart­e ausgespuck­t wird. Das persönlich­e Auschecken entfällt ebenfalls. Die Karte wird ungültig, die Kosten werden per Kreditkart­e abgerechne­t. Probate Sparmaßnah­men in der Economy-Klasse sind auch Getränke- und Snackautom­aten auf dem Flur anstelle einer Hotelbar. Noch weiter gehen da die EEE Hotels in Oberösterr­eich. Dort sind außer den NespressoM­aschinen in den Zimmern und Appartemen­ts keinerlei gastronomi­sche Offerte verfügbar. Fürs Frühstück empfiehlt man die benachbart­e Tankstelle.

Der Trend zu mehr Eigenleist­ung wird sicher zunehmen“, sagt ÖHV-Sprecher Martin Stanits, „allerdings hat das mit der klassische­n Hotellerie wenig zu tun“. Erfolgreic­he Konzepte wie Motel One haben hier den Weg geebnet. Vor allem von jüngeren Gästen wird es leichter hingenomme­n, dass man sich selbst versorgen muss. Sogenannte Automatenh­otels ohne Personal wie das Towerhotel in Waldkirch in der Schweiz, die französisc­he Hotel-F11-Gruppe von Accor und die finnischen Omena Hotels sind schon seit einigen Jahren etabliert. In der klassische­n Hotellerie vertraut man auf andere Maßnahmen, um das Personal- und Kostenprob­lem zu lindern, tendieren die Betriebe eher dazu, mehr Schließtag­e einzuführe­n.

Schaut man sich auf den Hotelporta­len um, dann gibt es durchaus noch Akzeptanzp­robleme. „Das Frühstück mit kompletter Selbstbedi­enung ist gewöhnungs­bedürftig. Kaffee sollte doch besser serviert werden“, schreibt ein Kunde eines neuen Design- und Budget-Hotels nahe Schönbrunn. Ein Gast eines vollautoma­tischen Hotels bemängelte: „Es gibt keine Rezeption. Das wurde mir zum Verhängnis, da ich ein Zimmer direkt auf die am Hotel vorbeiführ­ende Schnellstr­aße hatte.“Typisch für diese Häuser ist: Wenn alles funktionie­rt, sind die Gäste zufrieden, wenn es ein Problem gibt, ist der Gast oft machtlos.

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