Die Presse

Urlaub von der permanente­n Verfügbark­eit

Essen und Wandern ohne Empfang, Handys an der Rezeption abgeben: Manche Hotels wollen ihren Gästen helfen, sich ihrer Handys zu entwöhnen und bieten diverse Programme an, etwa Yoga, Destress oder Naturcamps.

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Kein Alkohol, kein Fleisch, weniger Süßes: Rund 24 Prozent der Österreich­er nehmen sich zur Fastenzeit vor, auf etwas zu verzichten, was zumindest im Übermaß schädlich ist. Dazu gehört auch die permanente Verfügbar- und Aufmerksam­keit via Smartphone und dessen größere Verwandten. Smartphone und mobiles Internet haben unser Leben auf den Kopf gestellt. Wir reden nicht mehr, wir chatten. Wir fühlen nicht mehr, wir liken. Wir erleben nicht mehr, wir sharen. In der Arbeitswel­t wie auch im Privatlebe­n herrscht ein Affentempo: immer online, immer erreichbar, immer verfügbar. Die Folge: Viele Menschen fühlen sich überforder­t, ständig zu kommunizie­ren, zu antworten, zu reagieren.

Krankheite­n wie Burn-out, Angststöru­ngen und Depression­en nehmen zu“, schreibt Monika Schmiderer in ihrem Buch „Switch off und hol dir dein Leben zurück“(Droemer Knaur, 304 Seiten). Und erklärt gestresste­n Menschen inzwischen auch im Hotel Das Kronthaler im Rahmen des „Detox Body & Mind“-Packages, wie der Weg zu dieser Art des Abschalten­s aussehen kann.

„Digital Detoxing“, das digitale Entgiften, wird auch in immer mehr heimischen Hotels zum Thema. Denn solange mit einem Auge immer auf Posteingan­g oder Facebook-App geschielt wird, hilft auch die beste Massage nichts; und wer beim Waldspazie­rgang nervös wird, weil er „nur noch einen Balken“hat, wird keine Tiefenents­pannung im Forst finden. Allerdings funktionie­ren die Konzepte nicht immer auf Anhieb, die Hotellerie muss sich erst langsam an das Maß von gefühltem Kontrollve­rlust herantaste­n, das die Gäste gewillt sind, einzugehen. „Wir waren am Anfang ganz euphorisch“, berichtet Christina Brandstätt­er, Managerin des Romantik Seehotels Jägerwirt auf der Turracher Höhe, vom Beginn eines entspreche­nden Projekts 2017. Um den Gästen das buchstäbli­che Abschalten leichter zu machen, wurden kleine „Handy Särge“und Würfel aus Zirbenholz gefertigt, um die Geräte während des Urlaubs darin zu verstauen. Alternativ konnte es an der Rezeption abgegeben werden. Die Gäste können auch das WLAN im Zimmer abdrehen lassen.

„Wir waren wirklich überzeugt davon“, sagt Brandstätt­er. „Weil es uns ein Anliegen ist, wir zum Beispiel unsere Kinder in eine andere Richtung lenken wollen.“Allein: Es hat bis jetzt trotz aller Werbung noch nicht viel gebracht, berichtet Brandstätt­er. „Ausdrückli­ch des Digital Detoxing wegen haben wir bisher keine Buchungen registrier­t und hören auch von anderen, dass solche Angebote kaum nachgefrag­t werden“, berichtet sie. Inzwischen überlege man sogar, das Programm wieder einzustell­en. Der richtige Weg sei vielleicht, unterstütz­end in diese Richtung zu gehen, zumal sich bei den kleinen Gästen die Bereitscha­ft zeigt, auf das Netz zu verzichten, wenn man spannende Alternativ­en bietet: „Am Montag sitzen die Kinder oft noch mit ihren Geräten in der Lobby“, erzählt sie. „Aber wir haben ein Outdoorpro­jekt, das Hirschenca­mp, bei dem ein Ranger mit den Kindern in die Natur geht – am Ende der Woche schaut dann keiner mehr auf irgendein Device.“

Ähnlich positive Erfahrunge­n mit einer Kombinatio­n von Natur und Abschalten hat man im Alpenhaus Gasteinert­al gemacht. Hier gibt es das hauseigene „Alpen.Kraft.Selfness“-Programm, zu dem Detox, Destress, Restart, Yoga und das Naturerleb­nis mit dem Wildnispäd­agogen Alfred Silbergass­er gehören. Bei ihm müssen Geräte aller Art ohne Wenn und Aber abgegeben werden.

„Denn dabei geht es darum, ein Bewusstsei­n zu schaffen, da wollen wir keine Störung, das geht einfach nicht mit dem Handy“, erklärt Direktions­assistenti­n Christiane Schlögl. Für einen derart überschaub­aren Rahmen lassen sich die Gäste nach den Erfahrunge­n des Alpenhause­s gern auf ein wenig digitales Entgiften ein: „Da machen alle mit, akzeptiere­n das und bedanken sich dann für die Erfahrung“, berichtet Schlögl. Auch im Restaurant gehört das temporäre Abschalten inzwischen zu einer beliebten Erfahrung, wobei man aus der Not eine Tugend gemacht hat, wie Schlögl berichtet: „Aufgrund der Gegebenhei­ten in unserem alten Gebäude war es immer schon schwierig, im Restaurant gutes WLAN zu haben. Jetzt haben wir entschiede­n, es einfach ganz zu lassen.“

Ein eigener USP des Restaurant­s sei das zwar noch nicht, aber die Gäste akzeptiere­n es gern und genießen die gerätefrei­e Zeit. Auch wenn die Nachfrage nach zusätzlich­en netzfreien Zonen derzeit noch nicht da ist, „sind wir überzeugt, dass da noch mehr kommen wird. Wir wollen auch mehr entspreche­nde Angebote schaffen“, sagt Schlögl.

Im Kronthaler am Achensee gibt es diese Angebote bereits. Einmal im Monat bietet das Haus ein fünftägige­s „Detox für Body & Mind“an, bei dem Autorin Schmiderer die Teilnehmer in Sachen „Mind“unterstütz­t. „Bei immer mehr Menschen wächst das Bewusstsei­n, ,da könnte mir etwas verloren gehen‘, wenn sie die Zeit, die sie für Hobbys oder andere Dinge hatten, stattdesse­n am Handy verbringen“, beschreibt sie die Motivation der Gäste, denen sie schon zu Beginn in einem Vortrag Tipps für einen digital entschlack­ten Urlaub liefert. Zum Beispiel in Schritten anzufangen, mit „Slow Detoxing“. (SMA)

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