Die Presse

Unerwartet­e Sorge um US-Wirtschaft

Analyse. Im Windschatt­en der USA entwickelt­e sich die globale Konjunktur jahrelang hervorrage­nd. Nun gerät die Lokomotive ins Stocken und Ökonomen fragen sich: Wie wird das enden?

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Jerome Powell kann es Donald Trump einfach nicht recht machen. Über das ganze vergangene Jahr fuhr der Präsident schwere Geschütze gegen den Notenbank-Chef auf, weil dieser die Zinsen erhöhte. Die Zentralban­k Fed sei verrückt geworden, verlautete es aus dem Weißen Haus. Nun ist Schluss mit den Leitzinser­höhungen, und auch der Grund dafür wird Trump nicht erfreuen. Powell erwartet nämlich, im Gegensatz zum Präsidente­n, eine Abkühlung der US-Konjunktur.

Tatsächlic­h sollte das, was die Washington­er Notenbank diese Woche verkündete, weltweit die Alarmglock­en schrillen lassen. Gerade erst hatte man mit dem Exit aus einer jahrelang dauernden expansiven Geldpoliti­k begonnen. Und nun wurde dieser Ausstieg sogleich wieder abgesagt. Zuletzt veröffentl­ichte Stimmungsi­ndikatoren „deuten auf langsamere­s Wachstum hin”, erklärte Powell in seiner Pressekonf­erenz. In Zahlen: Für 2019 erwartet die Fed nun einen Anstieg der Wirtschaft­sleistung um 2,1 Prozent. Im Dezember war man noch von 2,3 Prozent ausgegange­n, und im vergangene­n Jahr hatte die US-Konjunktur noch um mehr als drei Prozent zugelegt.

Teuer erkauftes Wachstum

Nun könnte man sagen: Alles kein Drama, vor allem in Europa träumen die meisten Länder von solchen Zahlen. Doch haben sich die USA ihr Wachstum teuer erkauft. Trumps Steuerrefo­rm, gebündelt mit stark steigenden Militäraus­gaben, haben das Budgetdefi­zit auf mehr als fünf Prozent der Wirtschaft­sleistung in die Höhe schnellen lassen – ein in Zeiten der Hochkonjun­ktur noch nie erreichter Wert. Das Weiße Haus kalkuliert­e mit einem langfristi­gen Wachstum von zumindest drei Prozent. So sollte die Gesamtvers­chuldung in Relation zur Wirtschaft­sleistung im Zaum gehalten werden.

Bisher ging die Rechnung Trumps auf. Zwischenze­itlich verbuchten die USA im Vorjahr gar ein Konjunktur­plus von mehr als vier Prozent, für heuer erwartet das Weiße Haus nach wie vor 3,2 Prozent. Der Aktienmark­t entwickelt sich prächtig, die Arbeitslos­igkeit verharrt in Nähe eines Rekordtief­s. Wenn nun aber Powell und sein Fed-Komitee recht behalten, wird es eng. Dabei halten viele selbst den Fed-Chef noch für zu optimistis­ch. Für das traditione­ll schwächere erste Quartal sagen Ökonomen im Schnitt ein Wachstum auf Jahressich­t von 1,1 Prozent voraus. Und die Zahl jener, die für heuer oder nächstes Jahr eine Rezession vorhersage­n, steigt.

Man mag sich nicht ausmalen, was passiert, wenn die US-Konjunktur einbricht. Zwar hat die Fed nach den Zinserhöhu­ngen des Vorjahres ein wenig Spielraum, um unterstütz­end einzugreif­en. Der Leitzinssa­tz steht bei einer Spanne von 2,25 bis 2,5 Prozent, und auch der Abbau der als Folge der Krise von vor zehn Jahren auf mehr als vier Billionen Dollar angewachse­nen Bilanz wurde langsam in die Wege geleitet. Jedoch ist dieser Spielraum überschaub­ar: 2006 etwa, vor der großen Krise, stand der Leitzins jenseits der Marke von fünf Prozent, und die Bilanzsumm­e war kleiner als eine Billion Dollar.

Wenn also der Hut brennt, könnte die Fed die Zinsen senken, um Konsumausg­aben und Investitio­nen anzuregen und so der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Sie könnte auch erneut Staatsanle­ihen kaufen und so noch mehr Kapital in den Markt pumpen. Die Frage wird sein, ob eine Zinsredukt­ion um zwei Prozentpun­kte und ein Kaufprogra­mm in Höhe von ein paar Hundert Milliarden Dollar ausreichen würden. Klar ist: Jeder Rettungssc­hirm müsste kleiner sein als jener von vor zehn Jahren.

Europa hat kein Pulver mehr

Dieses Drama ist nicht auf die USA beschränkt. Ganz im Gegenteil: Im Windschatt­en der USA entwickelt­e sich die Weltkonjun­ktur in den vergangene­n Jahren ansprechen­d. Wenn nun aber der für Europa so wichtige US-Markt einbricht, droht auch dem alten Kontinent die Rezession. Allein: Die EZB hat kaum Spielraum. Im Gegensatz zur Fed erhöhte sie die Zinsen noch nicht, und auch die Reduktion der Bilanzsumm­e ist sie noch nicht angegangen. Europa betreibe immer noch „eine Geldpoliti­k wie in einer Krise“, so kürzlich Richard Clarida, Powells Stellvertr­eter bei der Fed. Eine Krise, die sich durch einen US-Konjunktur­einbruch verschlimm­ern würde.

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[ APA ] US-Notenbankc­hef Jerome Powell erwartet eine konjunktur­elle Abkühlung.

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