Unerwartete Sorge um US-Wirtschaft
Analyse. Im Windschatten der USA entwickelte sich die globale Konjunktur jahrelang hervorragend. Nun gerät die Lokomotive ins Stocken und Ökonomen fragen sich: Wie wird das enden?
New York. Jerome Powell kann es Donald Trump einfach nicht recht machen. Über das ganze vergangene Jahr fuhr der Präsident schwere Geschütze gegen den Notenbank-Chef auf, weil dieser die Zinsen erhöhte. Die Zentralbank Fed sei verrückt geworden, verlautete es aus dem Weißen Haus. Nun ist Schluss mit den Leitzinserhöhungen, und auch der Grund dafür wird Trump nicht erfreuen. Powell erwartet nämlich, im Gegensatz zum Präsidenten, eine Abkühlung der US-Konjunktur.
Tatsächlich sollte das, was die Washingtoner Notenbank diese Woche verkündete, weltweit die Alarmglocken schrillen lassen. Gerade erst hatte man mit dem Exit aus einer jahrelang dauernden expansiven Geldpolitik begonnen. Und nun wurde dieser Ausstieg sogleich wieder abgesagt. Zuletzt veröffentlichte Stimmungsindikatoren „deuten auf langsameres Wachstum hin”, erklärte Powell in seiner Pressekonferenz. In Zahlen: Für 2019 erwartet die Fed nun einen Anstieg der Wirtschaftsleistung um 2,1 Prozent. Im Dezember war man noch von 2,3 Prozent ausgegangen, und im vergangenen Jahr hatte die US-Konjunktur noch um mehr als drei Prozent zugelegt.
Teuer erkauftes Wachstum
Nun könnte man sagen: Alles kein Drama, vor allem in Europa träumen die meisten Länder von solchen Zahlen. Doch haben sich die USA ihr Wachstum teuer erkauft. Trumps Steuerreform, gebündelt mit stark steigenden Militärausgaben, haben das Budgetdefizit auf mehr als fünf Prozent der Wirtschaftsleistung in die Höhe schnellen lassen – ein in Zeiten der Hochkonjunktur noch nie erreichter Wert. Das Weiße Haus kalkulierte mit einem langfristigen Wachstum von zumindest drei Prozent. So sollte die Gesamtverschuldung in Relation zur Wirtschaftsleistung im Zaum gehalten werden.
Bisher ging die Rechnung Trumps auf. Zwischenzeitlich verbuchten die USA im Vorjahr gar ein Konjunkturplus von mehr als vier Prozent, für heuer erwartet das Weiße Haus nach wie vor 3,2 Prozent. Der Aktienmarkt entwickelt sich prächtig, die Arbeitslosigkeit verharrt in Nähe eines Rekordtiefs. Wenn nun aber Powell und sein Fed-Komitee recht behalten, wird es eng. Dabei halten viele selbst den Fed-Chef noch für zu optimistisch. Für das traditionell schwächere erste Quartal sagen Ökonomen im Schnitt ein Wachstum auf Jahressicht von 1,1 Prozent voraus. Und die Zahl jener, die für heuer oder nächstes Jahr eine Rezession vorhersagen, steigt.
Man mag sich nicht ausmalen, was passiert, wenn die US-Konjunktur einbricht. Zwar hat die Fed nach den Zinserhöhungen des Vorjahres ein wenig Spielraum, um unterstützend einzugreifen. Der Leitzinssatz steht bei einer Spanne von 2,25 bis 2,5 Prozent, und auch der Abbau der als Folge der Krise von vor zehn Jahren auf mehr als vier Billionen Dollar angewachsenen Bilanz wurde langsam in die Wege geleitet. Jedoch ist dieser Spielraum überschaubar: 2006 etwa, vor der großen Krise, stand der Leitzins jenseits der Marke von fünf Prozent, und die Bilanzsumme war kleiner als eine Billion Dollar.
Wenn also der Hut brennt, könnte die Fed die Zinsen senken, um Konsumausgaben und Investitionen anzuregen und so der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Sie könnte auch erneut Staatsanleihen kaufen und so noch mehr Kapital in den Markt pumpen. Die Frage wird sein, ob eine Zinsreduktion um zwei Prozentpunkte und ein Kaufprogramm in Höhe von ein paar Hundert Milliarden Dollar ausreichen würden. Klar ist: Jeder Rettungsschirm müsste kleiner sein als jener von vor zehn Jahren.
Europa hat kein Pulver mehr
Dieses Drama ist nicht auf die USA beschränkt. Ganz im Gegenteil: Im Windschatten der USA entwickelte sich die Weltkonjunktur in den vergangenen Jahren ansprechend. Wenn nun aber der für Europa so wichtige US-Markt einbricht, droht auch dem alten Kontinent die Rezession. Allein: Die EZB hat kaum Spielraum. Im Gegensatz zur Fed erhöhte sie die Zinsen noch nicht, und auch die Reduktion der Bilanzsumme ist sie noch nicht angegangen. Europa betreibe immer noch „eine Geldpolitik wie in einer Krise“, so kürzlich Richard Clarida, Powells Stellvertreter bei der Fed. Eine Krise, die sich durch einen US-Konjunktureinbruch verschlimmern würde.