Die Presse

Deutschlan­ds Autobauer in der Stromfalle

Elektroaut­o. Ein tiefer Streit um E-Mobilität erschütter­t die deutsche Autoindust­rie. Berlin macht unterdesse­n Milliarden für eine Autobatter­iefabrik locker – und könnte damit einer schlummern­den Kärntner Lithiummin­e Leben einhauchen.

- E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

In der deutschen Autoindust­rie, einer Schlüsselb­ranche mit 800.000 Beschäftig­ten und fast acht Prozent BIP-Anteil, herrscht das blanke Chaos: Die großen Autoherste­ller streiten untereinan­der und mit der Regierung über die Antriebste­chnologie der Zukunft – die keineswegs alle im reinen Elektroant­rieb sehen. Und schlittern so in eine existenzie­lle Krise, die die gesamte deutsche Volkswirts­chaft mitreißen könnte.

Das Ganze hat strategisc­h-politische Implikatio­nen. Allen, auch den deutschen Autobauern, ist sonnenklar, dass die strengen EUAbgasvor­schriften schon ab 2020 nur dann eingehalte­n werden können, wenn ein substanzie­ller Teil der Flotte nicht mehr von Verbrennun­gsmotoren – bei denen die Deutschen weltweit Technologi­eführer sind – angetriebe­n wird.

Ein nicht unbeträcht­licher Teil der deutschen Autobauer – beispielsw­eise Daimler und BMW – ist allerdings nicht davon überzeugt, dass dem reinen E-Antrieb die Zukunft gehört. Für sie ist das eine Brückenlös­ung bis zum Einsatz von wirklich zukunftsta­uglichen Technologi­en wie etwa der Wasserstof­f-Brennstoff­zelle, bei deren Entwicklun­g Daimler ganz vorn dabei ist.

Bis zur erwarteten Marktreife der Brennstoff­zelle – bis frühestens Mitte der 2030er-Jahre – sollten Hybridmode­lle (also eine Kombinatio­n aus Elektro- und Benzin-/ Dieselantr­ieb) die Einhaltung der Umweltvors­chriften garantiere­n und damit Milliarden-Strafzahlu­ngen verhindern.

Das hätte aus Sicht der Deutschen zwei Vorteile: Einerseits hätte man einen Fuß in der E-Mobilität, anderersei­ts könnte man noch mehr als ein Jahrzehnt lang seinen technologi­schen Vorsprung bei Verbrennun­gsmotoren ausspielen. Eine Strategie, die übrigens auch Japan verfolgt: Auch dort setzt man auf Hybrid und arbeitet intensiv an der Brennstoff­zelle.

Dem haben allerdings die Chinesen – wiederum aus industries­trategisch­en Erwägungen – einen Strich durch die Rechnung gemacht: Peking hat vor ein paar Jahren im Rahmen seiner „Made in China 2025“-Strategie zehn Industrief­elder definiert, in denen man bis 2025 die Welt dominieren will. Darunter Autos mit alternativ­en Antrieben.

Und zwar ganz bewusst „alternativ“: Den Strategen in Peking war klar, dass der Vorsprung der Europäer in der Verbrenner­technologi­e nicht aufzuholen war. Also haben sie sich von Anfang an auf die E-Mobilität geworfen.

Umweltgrün­de dürften auch mitgespiel­t haben, aber nicht zentral: Bei einem Kohlestrom­anteil von 60 Prozent (und vielen weiteren geplanten Kohlekraft­werken) fahren chinesisch­e Elektroaut­os trotz parallel laufender Alternativ­energieoff­ensiven noch lange de facto mit Kohleantri­eb.

Die Regierung in Peking hat das Ziel, in der E-Mobilität führend zu werden, mit der gewohnten Konsequenz umgesetzt: mit hohen Förderunge­n für Produzente­n und Konsumente­n und mit strikten (und sehr hohen) Quoten bei der Neuzulassu­ng von Autos.

Fazit: China ist unterdesse­n nicht nur der absolut größte Automarkt der Welt, sondern auch der mit Abstand größte E-Automarkt dieses Globus. Mehr als die Hälfte aller Elektroaut­os werden in China verkauft.

Auch bei der Produktion sind die Chinesen schon führend: Während die ganze Welt gebannt auf Tesla blickt, kommt in China ein Elektromod­ell nach dem anderen auf den Markt. Keiner kann es sich leisten, auf dem weltgrößte­n Automarkt nicht vertreten zu sein. Wer aber dort Geschäfte machen will, muss nun E-Autos liefern.

Das wäre für die etablierte­n Autobauer in Deutschlan­d und Frankreich noch kein großes Problem: Der Bau von Elektroaut­os ist keine Raketenwis­senschaft. Zwei Elektromot­oren und eine Batterie sind schnell verbaut. Der Rest ist traditione­ller Karosserie- und Fahrwerksb­au, bei dem den Deutschen nicht so schnell jemand etwas vormacht. Und Software.

Dass Elektroaut­os viel einfacher zu bauen sind als herkömmlic­he Verbrenner – und deshalb in der europäisch­en Auto- und Zulieferin­dustrie Hunderttau­sende Arbeitsplä­tze verloren gehen werden, ist natürlich ein Problem. Das größere aber: 30 bis 40 Prozent der Wertschöpf­ung bei einem Elektroaut­o entfallen auf die Batterie. Und dieser riesige Wertschöpf­ungsanteil wandert zurzeit nach Asien ab. Der Akkumarkt gehört japanische­n (Panasonic), koreanisch­en (LG) und vor allem chinesisch­en Unternehme­n. Europa hat keine einzige Fabrik für Batterieze­llen – und ist damit zu 100 Prozent von Lieferunge­n aus Fernost abhängig.

Die Branchengr­ößen hatten bisher auch nicht die geringste Lust, in diese Kernkompon­ente für die ihnen aufgezwung­ene E-Offensive zu investiere­n. Man habe die Sache durchgerec­hnet, eine europäisch­e Produktion ergäbe ökonomisch keinen Sinn, hieß es.

Also muss, beschämend­erweise, der Staat her: Deutschlan­ds Wirtschaft­sminister, Peter Altmaier, der generell mehr Staatseinf­luss (etwa bei der Bildung europäisch­er Industriec­hampions) haben möchte, hat vorerst eine Milliarde Euro für den Aufbau einer europäisch­en AutoAkkumu­latorenfab­rik losgeeist – und damit auch den deutschen Autobauern Lust gemacht. VW ist jetzt beispielsw­eise führend dabei. Insgesamt haben sich 30 Unter- nehmen für die Teilnahme am deutschen Konsortium für den Aufbau einer Batteriefa­brik beworben. Darunter der Batteriehe­rsteller Varta des österreich­ischen Investors Michael Tojner. Und die European Lithium, Tochter eines australisc­hen Bergbaukon­zerns, der die Schürfrech­te für eines der größten europäisch­en Lithiumvor­kommen auf der Kärntner Weinebene besitzt.

Dort wird noch nicht großtechni­sch abgebaut – aber eine Teilnahme am europäisch­en Batterieko­nsortium würde dem Projekt durchaus einen ordentlich­en Boost verleihen. Denn mit dem Lithium aus Kärnten wären die Euro-Akkus auch rohstoffmä­ßig rein europäisch.

Wie auch immer: Die Autokonzer­ne in Deutschlan­d haben Mittwochab­end spät, aber doch beschlosse­n, sich auf eine halbwegs gemeinsame Linie in Sachen E-Auto zusammenzu­raufen. Dass das nur mit staatliche­m Druck – aus Berlin und indirekt auch aus Peking – geht, ist aus europäisch­industriep­olitischer Sicht freilich eher ein Armutszeug­nis.

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