Deutschlands Autobauer in der Stromfalle
Elektroauto. Ein tiefer Streit um E-Mobilität erschüttert die deutsche Autoindustrie. Berlin macht unterdessen Milliarden für eine Autobatteriefabrik locker – und könnte damit einer schlummernden Kärntner Lithiummine Leben einhauchen.
In der deutschen Autoindustrie, einer Schlüsselbranche mit 800.000 Beschäftigten und fast acht Prozent BIP-Anteil, herrscht das blanke Chaos: Die großen Autohersteller streiten untereinander und mit der Regierung über die Antriebstechnologie der Zukunft – die keineswegs alle im reinen Elektroantrieb sehen. Und schlittern so in eine existenzielle Krise, die die gesamte deutsche Volkswirtschaft mitreißen könnte.
Das Ganze hat strategisch-politische Implikationen. Allen, auch den deutschen Autobauern, ist sonnenklar, dass die strengen EUAbgasvorschriften schon ab 2020 nur dann eingehalten werden können, wenn ein substanzieller Teil der Flotte nicht mehr von Verbrennungsmotoren – bei denen die Deutschen weltweit Technologieführer sind – angetrieben wird.
Ein nicht unbeträchtlicher Teil der deutschen Autobauer – beispielsweise Daimler und BMW – ist allerdings nicht davon überzeugt, dass dem reinen E-Antrieb die Zukunft gehört. Für sie ist das eine Brückenlösung bis zum Einsatz von wirklich zukunftstauglichen Technologien wie etwa der Wasserstoff-Brennstoffzelle, bei deren Entwicklung Daimler ganz vorn dabei ist.
Bis zur erwarteten Marktreife der Brennstoffzelle – bis frühestens Mitte der 2030er-Jahre – sollten Hybridmodelle (also eine Kombination aus Elektro- und Benzin-/ Dieselantrieb) die Einhaltung der Umweltvorschriften garantieren und damit Milliarden-Strafzahlungen verhindern.
Das hätte aus Sicht der Deutschen zwei Vorteile: Einerseits hätte man einen Fuß in der E-Mobilität, andererseits könnte man noch mehr als ein Jahrzehnt lang seinen technologischen Vorsprung bei Verbrennungsmotoren ausspielen. Eine Strategie, die übrigens auch Japan verfolgt: Auch dort setzt man auf Hybrid und arbeitet intensiv an der Brennstoffzelle.
Dem haben allerdings die Chinesen – wiederum aus industriestrategischen Erwägungen – einen Strich durch die Rechnung gemacht: Peking hat vor ein paar Jahren im Rahmen seiner „Made in China 2025“-Strategie zehn Industriefelder definiert, in denen man bis 2025 die Welt dominieren will. Darunter Autos mit alternativen Antrieben.
Und zwar ganz bewusst „alternativ“: Den Strategen in Peking war klar, dass der Vorsprung der Europäer in der Verbrennertechnologie nicht aufzuholen war. Also haben sie sich von Anfang an auf die E-Mobilität geworfen.
Umweltgründe dürften auch mitgespielt haben, aber nicht zentral: Bei einem Kohlestromanteil von 60 Prozent (und vielen weiteren geplanten Kohlekraftwerken) fahren chinesische Elektroautos trotz parallel laufender Alternativenergieoffensiven noch lange de facto mit Kohleantrieb.
Die Regierung in Peking hat das Ziel, in der E-Mobilität führend zu werden, mit der gewohnten Konsequenz umgesetzt: mit hohen Förderungen für Produzenten und Konsumenten und mit strikten (und sehr hohen) Quoten bei der Neuzulassung von Autos.
Fazit: China ist unterdessen nicht nur der absolut größte Automarkt der Welt, sondern auch der mit Abstand größte E-Automarkt dieses Globus. Mehr als die Hälfte aller Elektroautos werden in China verkauft.
Auch bei der Produktion sind die Chinesen schon führend: Während die ganze Welt gebannt auf Tesla blickt, kommt in China ein Elektromodell nach dem anderen auf den Markt. Keiner kann es sich leisten, auf dem weltgrößten Automarkt nicht vertreten zu sein. Wer aber dort Geschäfte machen will, muss nun E-Autos liefern.
Das wäre für die etablierten Autobauer in Deutschland und Frankreich noch kein großes Problem: Der Bau von Elektroautos ist keine Raketenwissenschaft. Zwei Elektromotoren und eine Batterie sind schnell verbaut. Der Rest ist traditioneller Karosserie- und Fahrwerksbau, bei dem den Deutschen nicht so schnell jemand etwas vormacht. Und Software.
Dass Elektroautos viel einfacher zu bauen sind als herkömmliche Verbrenner – und deshalb in der europäischen Auto- und Zulieferindustrie Hunderttausende Arbeitsplätze verloren gehen werden, ist natürlich ein Problem. Das größere aber: 30 bis 40 Prozent der Wertschöpfung bei einem Elektroauto entfallen auf die Batterie. Und dieser riesige Wertschöpfungsanteil wandert zurzeit nach Asien ab. Der Akkumarkt gehört japanischen (Panasonic), koreanischen (LG) und vor allem chinesischen Unternehmen. Europa hat keine einzige Fabrik für Batteriezellen – und ist damit zu 100 Prozent von Lieferungen aus Fernost abhängig.
Die Branchengrößen hatten bisher auch nicht die geringste Lust, in diese Kernkomponente für die ihnen aufgezwungene E-Offensive zu investieren. Man habe die Sache durchgerechnet, eine europäische Produktion ergäbe ökonomisch keinen Sinn, hieß es.
Also muss, beschämenderweise, der Staat her: Deutschlands Wirtschaftsminister, Peter Altmaier, der generell mehr Staatseinfluss (etwa bei der Bildung europäischer Industriechampions) haben möchte, hat vorerst eine Milliarde Euro für den Aufbau einer europäischen AutoAkkumulatorenfabrik losgeeist – und damit auch den deutschen Autobauern Lust gemacht. VW ist jetzt beispielsweise führend dabei. Insgesamt haben sich 30 Unter- nehmen für die Teilnahme am deutschen Konsortium für den Aufbau einer Batteriefabrik beworben. Darunter der Batteriehersteller Varta des österreichischen Investors Michael Tojner. Und die European Lithium, Tochter eines australischen Bergbaukonzerns, der die Schürfrechte für eines der größten europäischen Lithiumvorkommen auf der Kärntner Weinebene besitzt.
Dort wird noch nicht großtechnisch abgebaut – aber eine Teilnahme am europäischen Batteriekonsortium würde dem Projekt durchaus einen ordentlichen Boost verleihen. Denn mit dem Lithium aus Kärnten wären die Euro-Akkus auch rohstoffmäßig rein europäisch.
Wie auch immer: Die Autokonzerne in Deutschland haben Mittwochabend spät, aber doch beschlossen, sich auf eine halbwegs gemeinsame Linie in Sachen E-Auto zusammenzuraufen. Dass das nur mit staatlichem Druck – aus Berlin und indirekt auch aus Peking – geht, ist aus europäischindustriepolitischer Sicht freilich eher ein Armutszeugnis.