Kammer umwirbt Ein-Personen-Firmen
Steuern. Ein Jahr vor den Kammerwahlen nimmt sich die Wirtschaftskammer-Führung eines Problems vieler Selbstständiger an. Sie verdienen so wenig, dass sie sich kein Arbeitszimmer leisten können. Steuerlich bringt das Nachteile.
Ist von der Wirtschaft die Rede, denken viele meist an große Konzerne. Dabei hat zuletzt vor allem die Zahl der Ein-PersonenUnternehmen (EPU) stark zugenommen. Gab es im Jahr 2011 erst 240.164 EPU, so sind es mittlerweile bereits über 307.000. Auch in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) finden Ein-Personen-Unternehmen immer mehr Gehör. Immerhin stellen sie rund 60 Prozent der Kammermitglieder.
Im nächsten Jahr wird in der WKO neu gewählt. Und da spielen die EPU aufgrund ihrer Menge zunehmend eine Rolle. Zudem stehen sie in großen Städten wie Wien oft weniger dem ÖVP-Wirtschaftsbund nahe, sondern sympathisieren mehr mit der Grünen Wirtschaft oder den Unos/Neos. Daher ist die WKO-Führung bemüht, sich verstärkt für ihre Anliegen einzusetzen. So hat die Kammer gerade eine große Kampagne laufen. Gefordert werden flexiblere Regeln für die steuerliche Absetzbarkeit des Arbeitszimmers im Wohnungsverband.
Hier geht es um eines der Hauptanliegen der EPU. Denn zwei Drittel der Ein-Personen-Unternehmen und viele weitere Selbstständige haben das Büro in der eigenen Wohnung. Doch derzeit können die anteiligen Aufwendungen (wie Miet- und Betriebskosten) für das Arbeitszimmer steuerlich nur dann geltend gemacht werden, wenn es sich um einen abgegrenzten Raum handelt. Außerdem muss das Zimmer ausschließlich oder nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt werden. Dies wird von den Mitarbeitern der Finanzverwaltung überprüft.
In den sozialen Medien ist die Rede davon, dass es für Ein-Personen-Unternehmen sogar eng werden kann, wenn in dem Arbeitszimmer Familienfotos hängen. In diesem Fall könnte das Finanzamt davon ausgehen, dass der Raum auch für familiäre Zwecke herangezogen wird. „In Zeiten der Digitalisierung und des offenen Wohnens ist die derzeitige Regelung nicht mehr zeitgemäß“, sagt die Wirtschaftskammer. Sie verlangt, dass bei der steuerlichen Absetzbarkeit die strikte Trennung des Arbeitsplatzes und Wohnbereichs aufgehoben wird. Gerade in Wien, wo die Wohnungsmieten zuletzt stark gestiegen sind, tun sich viele EPU schwer, für die berufliche Tätigkeit ein eigenes Arbeitszimmer abzutrennen. Hier sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass der Raum zumindest anteilig steuerlich geltend gemacht werden kann.
Die Wirtschaftskammer ruft in den sozialen Medien dazu auf, die Initiative zu unterstützen. Tausende Menschen haben sich bereits angeschlossen. Die Kammer will damit erreichen, dass ihre Forderung Eingang in die nächste Steuerreform der Regierung findet. Mitglieder des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands, der Grünen Wirtschaft und der Unos-Neos unterstützen die Petition, sie sehen darin aber auch einen gewissen Aktionismus. Denn WKO-Chef Harald Mahrer ist ein Vertrauter von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Zudem sitzt WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf für die ÖVP im Nationalrat. Kopf ist auch Obmann im Finanzausschuss. Beide sollten sich direkt bei Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) für die steuerliche Absetzbarkeit einsetzen, sagen Vertreter des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands, der Grünen Wirtschaft und der Unos. Dies wäre effektiver als eine Petition im Internet.
Die EPU sind in Österreich mittlerweile so zahlreich geworden, dass sie von der Politik und von den Interessenvertretungen nicht mehr ignoriert werden können. Die Wirtschaftskammer bekommt bei der EPU-Vertretung zunehmend Konkurrenz durch die Gewerkschaft, die mit Vidaflex ein eigenes Servicepaket für EPU anbietet. Für 25 Euro im Monat werden Hilfe bei Steuer- und Rechtsfragen, eine Versicherung und ein Weiterbildungspaket angeboten. Bei der Präsentation vor eineinhalb Jahren war der damalige Bundeskanzler, Christian Kern (SPÖ), anwesend. Kern nannte damals die EPU „die Ziegelarbeiter des dritten Jahrtausends“.