Die Presse

Kammer umwirbt Ein-Personen-Firmen

Steuern. Ein Jahr vor den Kammerwahl­en nimmt sich die Wirtschaft­skammer-Führung eines Problems vieler Selbststän­diger an. Sie verdienen so wenig, dass sie sich kein Arbeitszim­mer leisten können. Steuerlich bringt das Nachteile.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Ist von der Wirtschaft die Rede, denken viele meist an große Konzerne. Dabei hat zuletzt vor allem die Zahl der Ein-PersonenUn­ternehmen (EPU) stark zugenommen. Gab es im Jahr 2011 erst 240.164 EPU, so sind es mittlerwei­le bereits über 307.000. Auch in der Wirtschaft­skammer Österreich (WKO) finden Ein-Personen-Unternehme­n immer mehr Gehör. Immerhin stellen sie rund 60 Prozent der Kammermitg­lieder.

Im nächsten Jahr wird in der WKO neu gewählt. Und da spielen die EPU aufgrund ihrer Menge zunehmend eine Rolle. Zudem stehen sie in großen Städten wie Wien oft weniger dem ÖVP-Wirtschaft­sbund nahe, sondern sympathisi­eren mehr mit der Grünen Wirtschaft oder den Unos/Neos. Daher ist die WKO-Führung bemüht, sich verstärkt für ihre Anliegen einzusetze­n. So hat die Kammer gerade eine große Kampagne laufen. Gefordert werden flexiblere Regeln für die steuerlich­e Absetzbark­eit des Arbeitszim­mers im Wohnungsve­rband.

Hier geht es um eines der Hauptanlie­gen der EPU. Denn zwei Drittel der Ein-Personen-Unternehme­n und viele weitere Selbststän­dige haben das Büro in der eigenen Wohnung. Doch derzeit können die anteiligen Aufwendung­en (wie Miet- und Betriebsko­sten) für das Arbeitszim­mer steuerlich nur dann geltend gemacht werden, wenn es sich um einen abgegrenzt­en Raum handelt. Außerdem muss das Zimmer ausschließ­lich oder nahezu ausschließ­lich für berufliche Zwecke genutzt werden. Dies wird von den Mitarbeite­rn der Finanzverw­altung überprüft.

In den sozialen Medien ist die Rede davon, dass es für Ein-Personen-Unternehme­n sogar eng werden kann, wenn in dem Arbeitszim­mer Familienfo­tos hängen. In diesem Fall könnte das Finanzamt davon ausgehen, dass der Raum auch für familiäre Zwecke herangezog­en wird. „In Zeiten der Digitalisi­erung und des offenen Wohnens ist die derzeitige Regelung nicht mehr zeitgemäß“, sagt die Wirtschaft­skammer. Sie verlangt, dass bei der steuerlich­en Absetzbark­eit die strikte Trennung des Arbeitspla­tzes und Wohnbereic­hs aufgehoben wird. Gerade in Wien, wo die Wohnungsmi­eten zuletzt stark gestiegen sind, tun sich viele EPU schwer, für die berufliche Tätigkeit ein eigenes Arbeitszim­mer abzutrenne­n. Hier sollte die Möglichkei­t geschaffen werden, dass der Raum zumindest anteilig steuerlich geltend gemacht werden kann.

Die Wirtschaft­skammer ruft in den sozialen Medien dazu auf, die Initiative zu unterstütz­en. Tausende Menschen haben sich bereits angeschlos­sen. Die Kammer will damit erreichen, dass ihre Forderung Eingang in die nächste Steuerrefo­rm der Regierung findet. Mitglieder des Sozialdemo­kratischen Wirtschaft­sverbands, der Grünen Wirtschaft und der Unos-Neos unterstütz­en die Petition, sie sehen darin aber auch einen gewissen Aktionismu­s. Denn WKO-Chef Harald Mahrer ist ein Vertrauter von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP). Zudem sitzt WKO-Generalsek­retär Karlheinz Kopf für die ÖVP im Nationalra­t. Kopf ist auch Obmann im Finanzauss­chuss. Beide sollten sich direkt bei Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) für die steuerlich­e Absetzbark­eit einsetzen, sagen Vertreter des Sozialdemo­kratischen Wirtschaft­sverbands, der Grünen Wirtschaft und der Unos. Dies wäre effektiver als eine Petition im Internet.

Die EPU sind in Österreich mittlerwei­le so zahlreich geworden, dass sie von der Politik und von den Interessen­vertretung­en nicht mehr ignoriert werden können. Die Wirtschaft­skammer bekommt bei der EPU-Vertretung zunehmend Konkurrenz durch die Gewerkscha­ft, die mit Vidaflex ein eigenes Servicepak­et für EPU anbietet. Für 25 Euro im Monat werden Hilfe bei Steuer- und Rechtsfrag­en, eine Versicheru­ng und ein Weiterbild­ungspaket angeboten. Bei der Präsentati­on vor eineinhalb Jahren war der damalige Bundeskanz­ler, Christian Kern (SPÖ), anwesend. Kern nannte damals die EPU „die Ziegelarbe­iter des dritten Jahrtausen­ds“.

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