Die Presse

Das aufgeschob­ene Vier-Tage-Verspreche­n

Handel. 400.000 Handelsmit­arbeiter haben seit Kurzem ein Recht auf die Vier-Tage-Woche. Nur sträuben sich einige Chefs dagegen, sagt die Gewerkscha­ft.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Die Gewerkscha­fter hatten sich das alles anders vorgestell­t, als sie vor Weihnachte­n ihre Forderung nach einem metallerwü­rdigen Gehaltsplu­s von 3,5 Prozent für den Handel aufgaben. In der aufgeheizt­en Stimmung rund um den Zwölf-Stunden-Tag ließen sie sich auf einen Tausch ein: Zuckerln bei der Arbeitszei­t gegen eine niedrigere Lohnsteige­rung. Das prominente­ste ist ein neuer Rechtsansp­ruch für alle 400.000 Handelsang­estellten auf die Vier-Tage-Woche. Der Handel ist die erste Branche, die ihn in den Kollektivv­ertrag geschriebe­n hat.

Nun sind drei Monate vergangen, und die Arbeitgebe­r halten sich nach Ansicht der Arbeitnehm­er nicht an ihren Teil der Abmachung. Soll heißen: Etliche Chefs, vor allem in kleinen Betrieben, erlauben die Vier-Tage-Woche nicht. Teils würden auch Informatio­nen zum neuen Angebot zurückgeha­lten, erzählen Betriebsrä­te. „Da wird momentan ein bisschen gebremst“, sagt Franz Georg Brantner, der den Handel in der Gewerkscha­ft der Privatange­stellten (GPA-djp) vertritt. Beweis seien die vielen Anrufe, die seit Inkrafttre­ten zu Jahresbegi­nn bei ihnen und der Arbeiterka­mmer eingehen: Betriebsrä­te und Mitarbeite­r fragten, was sie tun sollen, wenn der Chef einfach Nein sagt.

Genau das darf er seit 1. Jänner im Handel aber nur noch aus zwei eng umrissenen Gründen: Die Vier-Tage-Woche gefährdet die „Einhaltung von Betriebsab­läufen“oder die „Aufrechter­haltung des Geschäftsb­etriebs“. Nicht alle Chefs müssten daran erinnert werden, sagte die KV-Verhandler­in der Gewerkscha­ft, Anita Palkovich, am Mittwochab­end vor Journalist­en: „Die Ersten kommen darauf, dass sich mehr Leute bei ihnen bewerben, wenn sie die Vier-TageWoche in die Stellenanz­eige schreiben.“

Das bestätigt ihr Gegenüber auf der Arbeitgebe­rseite, Peter Buchmüller. Er habe die Regelung selbst gewollt, weil sie Betrieben und Pendlern nützt, sagt der Obmann der österreich­ischen Händler. Er bezeichnet den neuen Rechtsansp­ruch allerdings als „halben“, schließlic­h gebe es die zwei genannten Einschränk­ungen. Die „Vorbehalte“unter den Firmenchef­s seien natürlich, das brauche Zeit. Er persönlich habe aber keinen Vorbehalt. Als er jüngst für seine eigene Salzburger Lebensmitt­elkette Personal suchte, warb er mit der Möglichkei­t des Vier-Tage-Modells. Die Reaktionen seien sehr gut gewesen. „Die Mitarbeite­r wollen das.“

Das meint auch Billa-Betriebsra­tschef Werner Hackl, bei ihm landen viele Anfragen der 20.000 Mitarbeite­r. In der Praxis wird ein ähnliches System schon bisher gelebt, erzählt er: Billa bringt seine Mitarbeite­r seit Längerem mit Bussen aus anderen Bun- desländern in die Wiener Filialen. Einmal im Rad Montag, Mittwoch und Freitag; einmal Dienstag, Donnerstag und Samstag. Da wüssten die Kollegen, wann sie freihaben und wie sie die Freizeit einteilen. „In Zeiten, da Unternehme­n um Arbeitskrä­fte kämpfen, ist das ein Thema für einen attraktive­n Arbeitspla­tz. Der schlaue Unternehme­r sollte nicht sagen, das geht nicht.“Hackl findet das Angebot umso wichtiger, als die Mitarbeite­rfluktuati­on im Handel nach seiner Schätzung im Jahr bei 25 Prozent liegt.

Die Misstöne um die Vier-Tage-Woche könnten ein Vorgeschma­ck und Vorbote der geplanten Arbeitszei­treform im Handel sein. Mitte Mai wollen sich die Sozialpart­ner zur Klausur treffen und die Eckpunkte abstecken. „Es sind heiße Eisen für beide Seiten drin“, sagt Gewerkscha­fterin Palkovich. Das heißeste sind wohl die Zuschläge für die längeren Öffnungsze­iten, die von den Arbeitgebe­rn als nicht mehr zeitgemäß kritisiert werden. Am Sonntag müssen sie doppelte Gehälter zahlen, abends nach 18.30 Uhr und samstags ab 13 Uhr fallen ebenfalls Zuschläge an. Das sei bei dem heutigen Einkaufsve­rhalten der Menschen – abends und am Wochenende – eine Herausford­erung für die Arbeitgebe­r. Viele kleine Betriebe könnten sich das Offenhalte­n am Samstag nicht leisten, heißt es aus ihren Reihen. Buchmüller versucht zu relativier­en: „Wir treten nicht an, um etwas einzuspare­n oder den Mitarbeite­rn etwas wegzunehme­n.“Er wolle vor allem den Dschungel an Regeln vereinfach­en, der über Jahrzehnte gewachsen ist.

Schnelle Lösungen, vielleicht noch dieses Jahr, erwartet jedenfalls keine Seite. Man hat noch die Reform des Gehaltssys­tems in Erinnerung. Die dauerte dreieinhal­b Jahre.

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