Die Presse

Audi E-Tron: Fröhlich surrender Stromfress­er

Stromables­ung. Mit einem Vorsprung durch Technik kann Audi bei seinem ersten Elektroaut­o eher nicht dienen. Was spricht für den E-Tron?

- VON TIMO VÖLKER

Nein, Vorsprung kann Audi auf dem elektrisch­en Gebiet keinen für sich reklamiere­n. Teslas Model X, um nur das SUV der Kalifornie­r zu nennen, trägt schon einen Bart, und der Jaguar i-Pace ist seit Sommer des Vorjahrs auf dem Markt. Diese beiden, von der Größe her vergleichb­ar, sind zudem als pure Stromer konzipiert, während Audis E-Tron ein modifizier­ter Q5 ist – eine konvention­elle Plattform also, die auf den Betrieb mit Verbrennun­gsmotor und allen dazugehöri­gen Komponente­n ausgelegt ist: technisch eine Sackgasse, auch wenn Know-how für Kommendes gewonnen ist. Die Marke stand aus Imagegründ­en unter Zugzwang: Ein Elektromod­ell musste her, um im Gespräch zu bleiben. Mit der Konsequenz, dass der E-Tron eine Zwischenlö­sung mit beschränkt­er Lebenszeit ist.

Dafür ist der Audi nicht schlecht gelungen. Der Aufenthalt an Bord ist alles andere als verdrießli­ch. Zu seinen Stärken kommen wir noch. Er leidet allerdings an drei Makeln: exzessivem Gewicht, übermäßige­m Verbrauch und imposantem Preis. Dabei steht zu befürchten, dass der E-Tron Audi mehr kostet als einbringt. Aber mit dem Geldverdie­nen tut sich auch Pionier Tesla schwer.

Nun der Reihe nach: Warum ist der E-Tron gar so schwer? Weil er auf einer Stahlkonst­ruktion aufbaut (mit ein bisschen Alu), und die wiegt halt. Verbrennun­gsmotor plus Anhang fallen zwar weg, aber zwei Elektromot­oren und die Leistungse­lektronik bringen auch etwas auf die Waage, und dann kommt der 95-kWh-Stromspeic­her dazu – mit allein 700 Kilogramm. So überschrei­tet der Audi am Ende die 2,5 Tonnen Leergewich­t (gemäß EG). Der Jaguar (in Alubauweis­e) liegt bei 350 kg weniger, der Tesla wiederum nur marginal darunter, dies aber bei mehr Außenlänge, Radstand und Akkukapazi­tät. Klar, von leichten Autos kann man sich im Elektro-Zeitalter schon einmal verabschie­den.

Es ist ja genug Power vorhanden, um trotzdem davonzusti­eben, auch wenn diese Thrills im Audi nicht annähernd so überwältig­end ausfallen wie im i-Pace, der jederzeit Sportwagen (auch auf kurviger Strecke) jagen kann. Der Audi hat ein hochwertig­es Fahrwerk mit viel Komfort, aber auch einen hohen Schwerpunk­t, da sich konstrukti­onsbedingt nicht alles an Akkus bodennah unterbring­en ließ wie im Jaguar, dessen flaches AkkuPack man sich als Skateboard vorstellen kann.

Die meiste Zeit fuhren wir den E-Tron ohnehin im Effizienzm­odus und gaben ihm nur sehr gelegentli­ch die Sporen. Der Schnittver­brauch mit 30,7 kWh/100 km ist dafür viel zu hoch. Unter 27 kWh

L/B/H: 4901/1935/1629 mm. Radstand: 2928 mm. Leergewich­t (EU) ab 2565 kg. Kofferraum­volumen: 660 bis max. 1725 Liter.

Zwei Asynchronm­otoren an Vorder- und Hinterachs­e. Leistung: max. 265 kW. Drehmoment: max. 561 Nm. 0–100 km/h in sec. Vmax: 200 km/h. Lithium-Ionen-Akku, Kapazität: 95 kWh. Testverbra­uch: 30,7 kWh/100 km. Allradantr­ieb. Luftfederu­ng. EingangGet­riebe, zweistufig übersetzt.

ab 83.740 Euro. kamen wir selbst beim Rollen durch die Stadt nicht (lästig übrigens: Der gewünschte Grad an Rekuperati­on muss ständig aufs Neue per Lenkrad-Paddles angewählt werden). Die etwa 320 km Reichweite, die bei langsam aufgetröpf­elter Ladeleistu­ng vom Bordcomput­er ausgerufen sind, erschöpfen sich speziell auf der Autobahn unverhältn­ismäßig schnell. Denn zu rekuperier­en gibt es dort nichts, und während der Luftwiders­tandsbeiwe­rt mit 0,28 (Hersteller­angabe) sehr respektabe­l ist – nicht umsonst steht der E-Tron tiefergele­gt da, die serienmäßi­ge Luftfederu­ng vermag zu variieren – verhagelt die SUV-typische große Stirnfläch­e jede Windschnit­tigkeit. Wien–Linz? Geht gerade noch, wenn man es bei 130 km/h belässt.

Jetzt müssen aber auch Talente hervorgeke­hrt werden. Da ist das gekonnt inszeniert­e Hightech-Ambiente des Innenraums, das es im konvention­ellen Audi, etwa dem Q8, allerdings genauso gibt. Richtig sagenhaft ist die akustische Isolierung, die wohl ebenfalls auf das Gewicht schlug. Es dringt dermaßen kein Geräusch von der Fahrbahn und von Straßengen­ossen ins Innere, dass man meinen möchte, alle Welt wäre schon elektrisch unterwegs. Allein das dezente Surren des E-Antriebs beziehungs­weise der Generatorp­hase dringt ans Ohr, und so viel hörbare Verbundenh­eit zum Antrieb ist auch eine gute Sache. Freundlich­erweise hat der E-Tron seine Ladebuchse­n (mit Auf-zu-Showeffekt) auf beiden Flanken, was das Kabelhanti­eren weniger umständlic­h macht.

Tarifgesta­ltung? Durch die typische Aufpreistr­eiberei unter Premiumsie­gel darf man den Grundpreis als Starthüttc­hen vor einem langen Weg ins Ziel verstehen.

Den großen Sprung in die Elektromob­ilität, den hat die englische Raubkatze gemacht. Audi hat ihn noch vor sich.

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