Die Presse

So oder so kostet uns der ORF etwas

Den ORF aus dem Bundeshaus­halt zu finanziere­n verschiebt die Belastunge­n nur von der Merkbarkei­t in die Unmerkbark­eit.

- VON WOLFGANG WEIGEL Wolfgang Weigel (*1945) war Prof. für Wirtschaft­swissensch­aften an der Uni Wien und ist Leiter des Joseph von Sonnenfels Center für ökonom. Analyse des öfftl. Rechts.

Dass Rundfunk und Fernsehen Nutzen stiften und Teil der Lebensqual­ität sein können, ist unbestreit­bar! Dass es sich um Dienstleis­tungen handelt, die Kosten verursache­n, die von irgendjema­ndem getragen werden müssen, auch. Es handelt sich dabei um, sachlich gesprochen, Dienstleis­tungen, die individuel­l in Anspruch genommen und genossen werden können. Wenn dies zutrifft und außerdem sichergest­ellt ist, dass die Nachfrage nach diesen Dienstleis­tungen relativ stabil ist, dann wäre sogar daran zu denken, dass eine privatwirt­schaftlich­e Bereitstel­lung über den Markt infrage kommt – aber: So einfach ist die Sache nicht.

Die Verbreitun­g der Sendeprogr­amme hat technisch besehen das besondere Merkmal, dass ihr Konsum ohne wechselsei­tige Beeinträch­tigung uneingesch­ränkt möglich ist, weil der Ausschluss einzelner Nutznießer sehr aufwendig ist. Neben diesem technisch-ökonomisch­en Aspekt besteht natürlich auch noch der eines öffentlich­en Interesses an der Sicherung von Informatio­n und der des – wie immer umschriebe­nen – Kulturauft­rags. Wie dem auch sei, ohne aufwendige Vorkehrung­en sind Einrichtun­gen wie der ORF nicht ohne erhebliche Komplikati­onen dafür geeignet, dem (Wettbewerb­s-)Markt überlassen zu werden. Also gibt es die Organisati­onsform der öffentlich-rechtliche­n Anstalt.

Für eine solche kommen tatsächlic­h – und wie politisch gerade vor Augen geführt – zwei Finanzieru­ngmodelle infrage: das über allgemeine Steuermitt­el einerseits und das über zweckgebun­dene Abgaben anderersei­ts. Jetzt gilt das Modell der zweckgebun­denen Abgabe. Und das Wunschmode­ll ist offenbar das der Finanzieru­ng aus allgemeine­n Steuermitt­eln (denn eine zweckgebun­dene Rundfunkst­euer ist ja wohl als – prinzipiel­l denkbare – Alternativ­e auszuschli­eßen).

In der Finanzwiss­enschaft (und der Finanzpsyc­hologie) galt immer, dass es der Sache am dienlichst­en ist, wenn für Nutznießer empfangene Leistung und erbrachte Gegenleist­ung transparen­t sind. Deshalb sind Modelle von zweckgebun­denen Abgaben steuertheo­retisch und steuerpsyc­hologisch seit Langem empfohlen worden. So weit, so gut.

Nun wird die Abschaffun­g der ORF-Gebühren mit dem Argument propagiert, dass dies eine legitime und fühlbare Entlastung der Menschen zur Folge hätte. In Wahrheit wird dabei nichts anderes gemacht, als die Belastunge­n von der Merkbarkei­t in die Unmerkbark­eit zu verschiebe­n. Denn als (nicht unerheblic­her) Teil der budgetären Belastunge­n ist die Zuordnung zu den Nutznießer­n nicht mehr möglich. Es wird das erzeugt, was als „Steuerillu­sion“bekannt ist, es wird eine Scheinentl­astung vorgenomme­n, die auch noch praktisch unkontroll­ierbare Umverteilu­ngseffekte beinhaltet (denn die Frage, wer letztendli­ch welche Steuerlast zu tragen hat, ist technisch und statistisc­h äußerst diffizil).

Dazu kommt, dass die Finanzieru­ng des ORF über Steuern wohl nicht als Ermessensa­usgabe klassifizi­ert werden wird, sondern einen Fixposten im Bundeshaus­halt bedeutet, der letztlich nur zu einer vermehrten Starrheit des Bundeshaus­halts führt, die wiederum nur durchbroch­en werden könnte, wenn die Finanzieru­ng des ORF im Zuge der Budgeterst­ellung infrage gestellt würde, was aber nur in Verbindung mit einer radikalen Reform der Organisati­onsform möglich ist.

Diese vermeintli­ch konsumente­nfreundlic­h erscheinen­de Befreiung von den ORF-Gebühren ist in Wahrheit ein (noch gedachter) Etikettens­chwindel, der finanztheo­retischen und finanzpsyc­hologische­n Erkenntnis­sen diametral zuwiderläu­ft.

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