Die Presse

Wir müssen etwas gegen gezielte Desinforma­tion tun

Desinforma­tion bedroht die Demokratie. Europa hat eine Vorreiterr­olle im Entwickeln von Gegenmaßna­hmen eingenomme­n.

- VON ANA PALACIO

Es sind schwierige Zeiten für die liberale Demokratie. Aber von allen Bedrohunge­n, die in den vergangene­n Jahren aufgekomme­n sind – Populismus, Nationalis­mus, Illiberali­smus –, sticht eine als neues Instrument hervor, das die übrigen ermöglicht: die Verbreitun­g und der Einsatz von Desinforma­tion als Waffe.

Die Bedrohung ist nicht neu. Regierunge­n, Lobby- und andere Interessen­gruppen setzen seit Langem auf Desinforma­tion als Instrument der Manipulati­on und Kontrolle. Neu ist die Leichtigke­it, mit der Desinforma­tion produziert und verbreitet werden kann. Technologi­sche Fortschrit­te ermögliche­n eine immer perfektere Manipulati­on oder Herstellun­g von Video- und Audiomater­ial, während die allgegenwä­rtigen Social Media eine rasche Verbreitun­g falscher Informatio­nen unter empfänglic­hen Nutzern ermögliche­n. Abgesehen davon, dass Unwahrheit­en in den öffentlich­en Diskurs eingebrach­t werden, kann die Verbreitun­g von Desinforma­tion die Möglichkei­t des Diskurses selbst untergrabe­n, indem sie die tatsächlic­he Faktenlage infrage stellt. Diese „Zersetzung der Wahrheit“– die in der weitverbre­iteten Zurückweis­ung von Experten und Sachkenntn­is deutlich wird – untergräbt das Funktionie­ren demokratis­cher Systeme, die darauf angewiesen sind, dass Wählerinne­n und Wähler in der Lage sind, fundierte Entscheidu­ngen beispielsw­eise über die Klimapolit­ik oder die Prävention übertragba­rer Krankheite­n zu treffen.

Der Westen hat lang gebraucht, um das Ausmaß dieser Bedrohung zu erfassen. Erst nach dem BrexitRefe­rendum 2016 und den US-Präsidents­chaftswahl­en begann die Macht der Desinforma­tion zur Umformung von Politik Aufmerksam­keit zu erregen. Diese Erkenntnis wurde 2017 während der fran- zösischen Präsidents­chaftswahl­en und des illegalen Referendum­s über die Unabhängig­keit Katalonien­s bekräftigt.

Inzwischen werden systematis­che Anstrengun­gen zur Bekämpfung von Desinforma­tion unternomme­n. Bisher lag der Schwerpunk­t auf taktischen Ansätzen, die auf die „Anbieterse­ite“des Problems abzielen: die Entlarvung von Fake-Accounts aus Russland, die Blockierun­g unseriöser Quellen und die Anpassung von Algorithme­n, um die Veröffentl­ichung falscher und irreführen­der Nachrichte­n einzuschrä­nken. Europa hat bei der Entwicklun­g politische­r Antworten eine Vorreiterr­olle übernommen, etwa durch Leitlinien für die Industrie sowie für nationale Rechtsvors­chriften und die strategisc­he Kommunikat­ion.

Solche taktischen Maßnahmen – die relativ einfach umzusetzen sind und schnell greifbare Ergebnisse bringen – sind ein guter Anfang. Aber sie reichen bei Weitem nicht aus.

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