Wir müssen etwas gegen gezielte Desinformation tun
Desinformation bedroht die Demokratie. Europa hat eine Vorreiterrolle im Entwickeln von Gegenmaßnahmen eingenommen.
Es sind schwierige Zeiten für die liberale Demokratie. Aber von allen Bedrohungen, die in den vergangenen Jahren aufgekommen sind – Populismus, Nationalismus, Illiberalismus –, sticht eine als neues Instrument hervor, das die übrigen ermöglicht: die Verbreitung und der Einsatz von Desinformation als Waffe.
Die Bedrohung ist nicht neu. Regierungen, Lobby- und andere Interessengruppen setzen seit Langem auf Desinformation als Instrument der Manipulation und Kontrolle. Neu ist die Leichtigkeit, mit der Desinformation produziert und verbreitet werden kann. Technologische Fortschritte ermöglichen eine immer perfektere Manipulation oder Herstellung von Video- und Audiomaterial, während die allgegenwärtigen Social Media eine rasche Verbreitung falscher Informationen unter empfänglichen Nutzern ermöglichen. Abgesehen davon, dass Unwahrheiten in den öffentlichen Diskurs eingebracht werden, kann die Verbreitung von Desinformation die Möglichkeit des Diskurses selbst untergraben, indem sie die tatsächliche Faktenlage infrage stellt. Diese „Zersetzung der Wahrheit“– die in der weitverbreiteten Zurückweisung von Experten und Sachkenntnis deutlich wird – untergräbt das Funktionieren demokratischer Systeme, die darauf angewiesen sind, dass Wählerinnen und Wähler in der Lage sind, fundierte Entscheidungen beispielsweise über die Klimapolitik oder die Prävention übertragbarer Krankheiten zu treffen.
Der Westen hat lang gebraucht, um das Ausmaß dieser Bedrohung zu erfassen. Erst nach dem BrexitReferendum 2016 und den US-Präsidentschaftswahlen begann die Macht der Desinformation zur Umformung von Politik Aufmerksamkeit zu erregen. Diese Erkenntnis wurde 2017 während der fran- zösischen Präsidentschaftswahlen und des illegalen Referendums über die Unabhängigkeit Kataloniens bekräftigt.
Inzwischen werden systematische Anstrengungen zur Bekämpfung von Desinformation unternommen. Bisher lag der Schwerpunkt auf taktischen Ansätzen, die auf die „Anbieterseite“des Problems abzielen: die Entlarvung von Fake-Accounts aus Russland, die Blockierung unseriöser Quellen und die Anpassung von Algorithmen, um die Veröffentlichung falscher und irreführender Nachrichten einzuschränken. Europa hat bei der Entwicklung politischer Antworten eine Vorreiterrolle übernommen, etwa durch Leitlinien für die Industrie sowie für nationale Rechtsvorschriften und die strategische Kommunikation.
Solche taktischen Maßnahmen – die relativ einfach umzusetzen sind und schnell greifbare Ergebnisse bringen – sind ein guter Anfang. Aber sie reichen bei Weitem nicht aus.