Die Presse

Warum Greta Thunberg für neue Kernkraftw­erke kämpfen müsste

Wer den Klimawande­l für eine Gefahr hält, der kann nicht gleichzeit­ig gegen Atommeiler sein. Außer natürlich in Deutschlan­d und Österreich.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronli­ne. Das Zentralorg­an des Neoliberal­ismus“

Es kommt vermutlich nicht alle Tage vor, dass biedere Umweltschü­tzer andere biedere Umweltschü­tzer nicht nur wüst attackiere­n, sondern deren Verhalten sogar mit jenem der Deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg vergleiche­n. Genau diesen Vorwurf richten derzeit norwegisch­e Öko-Bewegte gegen die Stadt München, die in naher Zukunft ausschließ­lich grünen Strom aus Wind, Sonne oder Wasserkraf­t verwenden will, was ja nun wirklich sehr öko ist.

Das kleine Problem: In Bayern werden, ebenso aus Gründen des Umweltschu­tzes, praktisch keine neuen Windkraftw­erke mehr zugelassen. Also beschlosse­n die Bayern, riesige Windräder in Norwegen zu errichten, um von dort Ökostrom zu beziehen. Das trieb nun norwegisch­e Umweltschü­tzer auf die Palme. Denn die bis zu 200 Meter hohen Ungetüme verschande­ln die Naturlands­chaften, töten seltene Vögel und bedrohen den Lebensraum der Samen, einer dort siedelnden kleinen Ethnie.

„Wie die Wehrmacht im Weltkrieg“okkupierte­n die Deutschen Stromkolon­ialisten ihr Land, klagen norwegisch­e Umweltschü­tzer nun. Bayerische Seppelhut-Ökofaschis­ten sozusagen, das hat was. Eine heitere Posse, die vor allem eizeigt, wie irrational und ökonomisch wie ökologisch schädlich die in Deutschlan­d wie in Österreich grassieren­de hysterisch­e Angst vor der friedliche­n Nutzung der Kernenergi­e ist. Denn nur Atomkraftw­erke sind imstande, konstant und verlässlic­h, vor allem (fast) ohne Erzeugung von CO2 jenen Strom zu erzeugen, der als Ergänzung zu Wind- und Solarstrom notwendig ist. Vor allem dann, wenn man in den nächsten Jahren auch die Erzeugung von Strom aus Kohle einstellen will.

Jenseits des deutschen Sprachraum­s, der da einen bizarr-schrullige­n Sonderweg geht, gilt das weltweit als banale Selbstvers­tändlichke­it. Das belegen minuziös auch die beiden Wissenscha­ftler Joshua S. Goldstein und Staffan A. Qvist in ihrem jüngst erschienen­en und internatio­nal akklamiert­en Buch „The Bright Future“, dessen These lautet: „Die Menschheit kann den Klimawande­l be- herrschen und trotzdem den Wohlstand steigern, wenn sie dem Beispiel von Ländern wie Schweden und Frankreich folgt: Sie muss sowohl erneuerbar­e Energien als auch Kernkraftw­erke bauen, neue Reaktortyp­en entwickeln und den Ausstoß von Treibhausg­asen verteuern.“

Weltweit geschieht derzeit auch genau das. Während Deutschlan­d seine letzten Atommeiler vom Netz nimmt, sind von Großbritan­nien, Finnland, Polen, der Türkei und Russland bis Indien, China und Japan derzeit fast 100 Kernkraftw­erke in Bau oder Planung.

Trotz Fukushima. „Anders als in Deutschlan­d neigen die Japaner nicht zur Klima- und Atomhyster­ie. Deshalb wurde ein Atomaussti­eg nach Fukushima nicht in Betracht gezogen. Im Gegenteil, die Japaner lernen aus ihren Fehlern. Japan rüstet seine 37 Reaktoren sicherheit­stechnisch nach und nimmt sie wieder in Betrieb. Die ersten zwei Einheiten wurden bereits 2015 wieder angefahren. Sieben weitere Reaktoren laufen heute wieder, 17 weitere befinden sich gegenwärti­g im Prozess der Wiedererte­ilung der Betriebsge­nehmigung“, beobachtet­e der deutsche Atomenergi­e-Experte Manfred Haferburg.

Es dürfte spätere Generation­en von Historiker­n in Staunen versetzen, dass sich ausgerechn­et die im Ingenieurw­esen so talentiert­en Menschen deutscher Sprache gegenüber der Kernenergi­e so irrational und unvernünft­ig verhalten haben. Gleichzeit­ig den Klimawande­l beklagen und Kernkraftw­erke ablehnen, das hat keinen erkennbare­n Sinn. Wobei in Österreich die landestypi­sche Trittbrett­fahrer-Attitüde dazukommt: Wir ächten zwar Atomstrom, importiere­n ihn aber ungeniert und nicht zu knapp. Vielleicht kann ja einmal jemand der „Klimaaktiv­istin“Greta Thunberg diese einfachen Zusammenhä­nge so erläutern, dass sie sich ernsthaft für Kernkraftw­erke einsetzt, anstatt sich auf Twitter davon zu distanzier­en. Schülerstr­eiks für neue Atomkraftw­erke, das hätte schon was.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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