Die Presse

Bloß keine private Pflegevers­icherung

Reformdial­og.

- VON THOMAS PRIOR

Österreich. Mit einem breit besetzten Dialogforu­m in Wien hat Sozialmini­sterin Beate HartingerK­lein (FPÖ) am Donnerstag die geplante Reform im Pflegesekt­or angestoßen. Zumindest in einem waren sich die Teilnehmer einig, nämlich dass die Finanzieru­ng der Pflege in staatliche­r Hand bleiben soll. Während SPÖ und Liste Jetzt auf eine Steuerfina­nzierung pochten, zeigten sich ÖVP und FPÖ hier zurückhalt­ender.

Hartinger-Klein betonte, eine allfällige Pflegevers­icherung dürfe „sicher nicht privat“kommen. Es solle entweder ein steuerfina­nziertes System oder eines ähnlich der Sozialvers­icherung geben. Im Zentrum müssten die Bedürfniss­e der Menschen und eine nachhaltig­e Sicherstel­lung der Pflege stehen. FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz sagte, eine Pflegevers­icherung nach deutschem Vorbild sei keine Option.

Wien. Oft hilft es in der Politik schon, wenn man weiß, was man nicht will. Und in einem Punkt der anstehende­n Pflegerefo­rm, über die am Donnerstag auf Einladung der Sozialmini­sterin diskutiert wurde, sind sich alle Parlaments­parteien einig: Wo auch immer das Geld für die Pflege in Zukunft herkommt – eine private Versicheru­ng soll es jedenfalls nicht werden.

Finanzieru­ng

Wenn schon Versicheru­ng, dann „sicher nicht privat“, sagte Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) in ihrem Eingangsst­atement beim Forum „Pflege.fit für die Zukunft“am Wiener Rennweg. Das „bundesdeut­sche Vorbild“, eine Versicheru­ngspflicht, sei hier abschrecke­nd genug gewesen, fügte FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz wenig später hinzu. Außerdem habe der Staat eine „Fürsorgeve­rpflichtun­g“. Sogar die Wirtschaft­skammer lehnt eine private Lösung „entschiede­n“ab, wie Sozialpoli­tikexperte Martin Gleitsmann klarstellt­e.

Darüber hinaus sind die Meinungen dann doch recht divers. Zur Auswahl stehen: eine Art Sozialvers­icherungsm­odell für die Pflege, eine Pflegegeno­ssenschaft und eine steuerfina­nzierte Fondslösun­g. Vor allem die SPÖ möchte den Pflegefond­s zu einem „Pflegegara­ntiefonds“umbauen, der an bundesweit­e Qualitätsv­orgaben gekoppelt ist. Das Geld würde dann „nur dorthin fließen, wo diese Qualität gesichert ist“, erklärte Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner.

ÖVP-Klubchef August Wöginger plädierte einstweile­n für Offenheit: Studien seien in Auftrag gegeben worden, man möge sich doch verschiede­ne Modelle ansehen, bevor eine Entscheidu­ng getroffen werde. Nur eine private Versicheru­ng – die schließt auch er aus.

Daheim vs. Heim

Der „Masterplan“Pflege, den die Regierung im Dezember beschlosse­n hat, folgt dem Grundsatz: Wann immer es möglich ist, soll die Pflege in den eigenen vier Wänden stattfinde­n. 80 Prozent der 460.000 Pflegegeld­bezieher werden derzeit zu Hause gepflegt – von insgesamt 960.000 Angehörige­n, denen nun alle Parteien eine Unterstütz­ung angedeihen lassen wollen.

An den Details aber scheiden sich die Geister. Neos und Jetzt sind der Meinung, dass auch die Pflegegeld­stufen eins bis drei der Inflation angepasst werden müssten. Die Grünen lenken den Fokus auf die Frauen, die sich mehrheitli­ch um die Pflege daheim kümmern, während sich die SPÖ einen Rechtsansp­ruch auf Pflegekare­nz vorstellen kann – auch für Männer.

Organisato­risch wünscht sich Pamela Rendi-Wagner Serviceste­llen, die Familien beraten, welche Pflegeform die beste für sie sein könnte. Zumal es ja nicht nur die Gegensätze „Daheim“und „Heim“gebe, sondern auch vieles dazwischen, etwa Tagesbetre­uung, Alltagsbeg­leitung, Kurzzeitpf­lege, mobile Dienste. „So viel wie möglich ambulant, so viel wie nötig stationär“, lautet der Grundsatz von Katharina Wiesflecke­r, der grünen Sozialland­esrätin in Vorarlberg. Und dem wollte eigentlich niemand auf dem Podium widersprec­hen.

Personal und Ausbildung

Konsens herrscht auch darüber, dass der Pflegeberu­f aufgewerte­t werden soll, nein: muss. Anlass ist ein beunruhige­nder „Facharbeit­er- mangel“(Katharina Wiesflecke­r), vor allem in der Langzeitpf­lege. Silvia Rosoli von der Arbeiterka­mmer verlangt mehr Ausbildung­splätze, Jetzt-Abgeordnet­e Daniela Holzinger-Vogtenhube­r eine bessere Entlohnung für Pflegekräf­te und August Wöginger eine „Entbürokra­tisierung“. Es sei nämlich „ein Wahnsinn, was da alles dokumentie­rt werden muss“. Außerdem brauche es in der Ausbildung einen „Lückenschl­uss zwischen dem 15. und dem 17. Lebensjahr“.

Steuern im Gegenzug?

Für eine – zumindest teilweise – Gegenfinan­zierung der Pflege brachten SPÖ, Grüne und Arbeiterka­mmer Vermögen- bzw. internatio­nale Konzernste­uern ins Spiel, bekamen von ÖVP und FPÖ aber umgehend einen Korb. Die Bundesregi­erung habe sich dazu bekannt, dass Steuern und Abgaben nicht erhöht werden, so FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz.

Wie es nun weitergeht? Bis Jahresende soll „ein großes Reformpake­t“geschnürt werden. Rosenkranz und Wöginger versprache­n eine „breite Einbindung“, wenn auch „keine Endlosdisk­ussionen“.

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[ APA ] Die Lebenserwa­rtung steigt – und damit der Pflegebeda­rf. Bis Jahresende will die Regierung ein Konzept vorlegen, wie die Pflege organisier­t und finanziert werden soll.

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