Die Presse

Werden wir zum Kollateral­schaden im globalen Wirtschaft­skrieg?

Europa hat hoch konkurrenz­fähige Unternehme­n, aber keine konsistent­e Wirtschaft­sstrategie. Im globalen Kampf der Giganten ist das eine Katastroph­e.

- Mehr zum Thema: E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

E uropa, das ist auf diesen Seiten sehr schön dargestell­t, muss seine Unternehme­n nicht verstecken: Es gibt eine Reihe von Konzernen, die im globalen Konzert führend mitspielen, und es gibt darunter, von der Öffentlich­keit kaum beachtet, eine Reihe von kleinen und mittelgroß­en Hidden Champions, die in ihrer Nische zur Weltspitze zählen. Das sieht nicht gerade nach fehlender Innovation­skraft aus.

Wie kommt also das in vielen Köpfen verbreitet­e Image vom untergehen­den Kontinent zustande? Und wie kommt unter diesem Aspekt beispielsw­eise Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, wie neulich in einem Gastkommen­tar für die „Welt“, zu der Diagnose, Europa wirke „selbstzufr­ieden und träge“und habe nicht mehr den Willen, spitze zu sein?

Die Antwort ist relativ einfach: Wir haben internatio­nal höchst konkurrenz­fähige Unternehme­n. Aber, auf europäisch­er Ebene, keine konkurrenz­fähige Industrie- und Wirtschaft­spolitik. Und das ist tatsächlic­h eine Bedrohung für den Wohlstand, den wir uns erarbeitet haben.

Man muss sich nur vor Augen halten: Derzeit tobt ein ziemlich heftiger Wirtschaft­skrieg um die globale Dominanz zwischen den großen Wirtschaft­sblöcken. In der Theorie sind das die USA, China und Europa. In der Praxis wird die europäisch­e Wirtschaft immer mehr zum Kollateral­schaden des chinesisch-amerikanis­chen Ringens. Denn: Den Wirtschaft­sblock Europa gibt es de facto nicht. Es gibt zwar einen gemeinsame­n Binnenmark­t, aber kein gemeinsame­s Auftreten nach außen.

Man kann sich das in diesen Tagen erste Reihe fußfrei in Rom ansehen: Dort lässt sich die italienisc­he Regierung gerade vom chinesisch­en Ministerpr­äsidenten umgarnen. Und wird mit der Supermacht des 21. Jahrhunder­ts eine Reihe von Abkommen schließen, die in Brüssel auf Missfallen stoßen oder gar die dortige Wirtschaft­sstrategie konterkari­eren.

Schon zuvor haben die Chinesen mit viel Geld eine Reihe von osteuropäi­schen Ländern aus der europäisch­en Allianz herausgebr­ochen. Auch Österreich ist dabei, sich für ein paar Seidenstra­ßen-Silberling­e in chinesisch­e Dominanzst­rategien einbinden zu lassen. Brüssel muss dem taten- und hilflos zusehen. Europa hat also mangels Einheit sichtbar keine umsetzbare Strategie gegen die großen Wirtschaft­sblöcke. Und auch keine für die Globalisie­rung. Maßstab des wirtschaft­lichen Denkens ist der Binnenmark­t und nicht die Welt, wie wir bei der Untersagun­g der Eisenbahnf­usion von Siemens und Alstom gesehen haben. V or allem aber ist Europa als Ganzes politisch nicht existent. China beispielsw­eise setzt sehr konsequent seine politisch vorgegeben­e Welterober­ungsstrate­gie „One belt, one road“um. Und in den USA ist das Trump’sche „America first“zum Maß aller wirtschaft­sstrategis­chen Dinge geworden. Man kann diesen starken Einfluss der Politik auf die Wirtschaft jetzt mögen oder nicht, aber er ist einfach Realität. Und Europa droht, dabei zerrieben zu werden.

Dass Frankreich und Deutschlan­d dem jetzt einen industrie- und wirtschaft­spolitisch­en Kontrapunk­t entgegense­tzen wollen, ist zwar verdienst-, aber wenig wirkungsvo­ll, wenn 25 der bald nur noch 27 Unionsmitg­lieder dagegen sind, weil sie innereurop­äische Dominanz der beiden Länder fürchten.

Anders gesagt: Europa hat Weltklasse­unternehme­n, ist aber wirtschaft­spolitisch nicht in der Lage, den USA und China auf Augenhöhe entgegenzu­treten. Nicht zuletzt, weil die Einzelstaa­ten divergiere­nde Interessen und Ansichten haben. Und das kann sehr wohl zum Problem werden. Große Unternehme­n sind global aufgestell­t und können sehr schnell reagieren, wenn das Umfeld nicht mehr passt. Und dass innovative kleine Start-ups in der Regel bald nach der Gründung in Richtung USA verschwind­en, weil sie dort die besseren Bedingunge­n vorfinden, sollte auch ein Alarmzeich­en sein.

Exzellenz und Innovation­sführersch­aft sind schöne Sachen. Aber sie nützen relativ wenig, wenn der zur Entfaltung und Umsetzung notwendige wirtschaft­spolitisch­e Hintergrun­d fehlt. Daran wird Europa noch arbeiten müssen.

 ??  ?? VON JOSEF URSCHITZ
VON JOSEF URSCHITZ

Newspapers in German

Newspapers from Austria