Das Problem mit der Zukunft, und wie es Europa lösen kann
Tech. Das Umfeld für Hightechfirmen wird besser. Ein Facebook-Klon bringt der EU wenig. Ihre Chance ist die Digitalisierung der Industrie.
Wer in der digitalen Wirtschaft nach europäischen Namen sucht, wird bald enttäuscht aufgeben. Außer Schwedens Musikstreamingdienst Spotify hat es kein einziges junges Internetunternehmen geschafft, in der Liga der Ubers und Facebooks anzuklopfen. Zum Trost bleibt der alte Softwareriese SAP aus Deutschland – und das war’s dann auch schon wieder.
Wie kann das sein? Warum schaffen es gerade die Europäer nicht, große Marken im Netz aufzubauen? Immerhin stünden die Chancen gerade gar nicht schlecht. Chinas Internetkonzerne kommen nicht über die Landesgrenzen hinaus und die SiliconValley-Stars sind dank ihrer Datenskandale ausreichend mit sich selbst beschäftigt.
Die Standardausrede lautete bisher: Es gibt zu wenig Geld in Europa! Wer wachsen will, komme nicht umhin, nach China oder ins Silicon Valley zu gehen und seine Zelte in Europa abzubrechen. Aber so ganz stimmt diese Analyse heute nicht mehr. 2018 sammelten Start-ups in Europa knapp zwanzig Milliarden Euro an Venture-Kapital. Das ist zwar noch immer deutlich weniger als in China (40 Milliarden) oder in den USA (67 Milliarden), aber doch viermal so viel wie fünf Jahre zuvor.
Es hemmen weichere Faktoren Europas junge Wilde: Die EU hat viele Länder, viele Sprachen, viele unterschiedliche Gesetze. Auf einen großen homogenen Heimmarkt können sich die Firmen hier tatsächlich nicht verlassen. Dazu kommt, dass viele den Sprung auf größere Märkte wie die USA scheuen. So beschäftigt der Online-Händler Zalando 15.000 Menschen, blickt aber trotzdem kaum über Deutschland, Österreich und die Schweiz hinaus.
Andere aussichtsreiche Kandidaten haben ihre Idee vor der Zeit verkauft. Die Online-Buchungsplattform Booking.com aus Amsterdam ging 2005 an den US-Rivalen Priceline.com und erwirtschaftet heute 80 Prozent des Umsatzes der Mutter. Der Spieleentwickler Supercell aus Helsinki zieht täglich hundert Millionen Nutzer zu seinem Spieleklassiker „Clash of Clans“. 2013 wanderte das Unternehmen um 1,5 Milliarden Euro an ein Konsortium rund um die japanische Softbank. Drei Jahre später verkauften die Japaner um 10,2 Milliarden an Tencent aus China.
Vorreiter bei vernetzter Produktion
Der Kampf um die großen Konsumentenplattformen hat Europa vermutlich verloren. Doch hinter den Kulissen werken ein paar der heißesten Eisen des Kontinents. Sie kümmern sich um die Vernetzung der Fabriken, die Automatisierung der Industrie, das Internet der Dinge. Hier, wo Expertise aus 170 Jahren Industrialisierung und die Ideen junger Softwarefirmen zusammenkommen, liegt Europas echte Chance.
Siemens, Bosch und Co. haben das längst erkannt. Sie bilden Allianzen und suchen die Nähe zu innovativen Start-ups: Profi-VR-Brillen von Varjo Technologies unterstützen die deutschen Autobauer in der Produktion. Peltarion aus Stockholm verkauft Software, die Firmen dabei hilft, ihren Maschinen das Lernen beizubringen. Auch die österreichische TTTec zählt zu den kleinen Stars der Szene. Das Wiener Unternehmen entwickelt Programme, damit Autos künftig auch ohne Fahrer sicher unterwegs sind. Nach einer Studie von Bain hängt Europas Industrie die US-Konkurrenz in Sachen Digitalisierung klar ab. Die europäischen Betriebe führen die vernetzte Produktion demnach dreimal so schnell ein wie amerikanische Firmen.