Die Presse

Neuer schwerer Unfall: Chinesisch­e Chemiefabr­ik flog in die Luft

Explosions­katastroph­e. Viele Tote und Verletzte bei Unglück in Yancheng. Staatschef Xi ordnet verschärft­e Sicherheit­svorkehrun­gen an.

- Von unserem Korrespond­enten FELIX LEE

Fenstersch­eiben sind geborsten, Türen aus ihren Rahmen gerissen, Decken eingestürz­t, Autos liegen umgekippt auf der Straße. Und Rauchschwa­den umhüllen weite Teile des Stadtgebie­ts. Katastroph­enbilder wie diese sind den meisten Menschen in China noch sehr präsent. Im Sommer 2015 kam es in einer Fabrik in der Hafenstadt Tianjin zu zwei verheerend­en Explosione­n. 173 Menschen kamen damals ums Leben, fast 1000 wurden verletzt. Und nun ist in China erneut eine Chemiefabr­ik explodiert.

47 Tote, 640 Verletzte, 90 von ihnen schwer, Dutzende zerstörte Gebäude – so lautete die vorläufige Bilanz am Morgen danach. Die verheerend­e Explosion ereignete sich in der Nacht zum Freitag in einem Chemiepark in in der ostchinesi­schen Stadt Yancheng. Wie die amtliche Nachrichte­nagentur Xinhua berichtet, geriet auf dem Gelände zunächst ein Düngemit- telwerk in Brand – bis die ganze Fabrik in die Luft flog. Die Druckwelle der Detonation war so stark, dass mehrere Gebäude einstürzte­n und dabei auch zahlreiche Arbeiter verschütte­t wurden. Drei Chemietank­s und fünf weitere Einrichtun­gen des Industriep­arks gerieten in Brand.

Noch Stunden später kämpfen Einsatzkrä­fte gegen das Feuer. Im Staatsfern­sehen sind Bilder von blutüberst­römten Arbeitern zu sehen, die aus der brennenden Fabrik rannten. Chinesisch­e Medien berichten, die Detonation sei so stark gewesen, dass sie ein Erdbeben der Stärke 2,2 ausgelöst habe.

Unter den Verletzten waren auch zahlreiche Kinder aus einem nahe gelegenen Kindergart­en. Wegen anhaltende­r Explosions­gefahr brachten Rettungskr­äfte mehr als 4000 Menschen in Sicherheit. Umliegende Schulen und Kindergärt­en mussten schließen. Die Behör- den testeten zudem die Luft- und Wasserqual­ität auf mögliche Schadstoff­e.

Schon jetzt ist klar: Es handelt sich um das schwerste Industrieu­nglück seit der Explosions­katastroph­e von Tianjin. Chinas Staatsund Parteichef, Xi Jinping, der derzeit auf Rundreise in Europa ist, unterbrach am Freitag in Rom sein Programm und sprach den Opfern sein Beileid aus. Er kündigte „umfassende Bemühungen“an, um die noch eingeschlo­ssenen Arbeiter zu retten. Auch die Unfallursa­che müsse „so schnell wie möglich“geklärt werden. Zudem ordnete er an, aus der „harten Lektion“dieses erneuten Unfalls zu lernen und die Sicherheit­svorschrif­ten zu verschärfe­n.

Die explodiert­e Fabrik wird von Tianjiayi Chemical betrieben. Chinesisch­e Medien berichten, das Unternehme­n sei in der Vergangenh­eit bereits aufgefalle­n, weil es gegen Umweltrich­tlinien verstoßen habe. Gegen das Unterneh- men seien bereits 13 Verstöße gegen Sicherheit­svorschrif­ten festgestel­lt und auch schon Strafzahlu­ngen verhängt worden.

Polizisten haben am Freitag eine nicht genannte Zahl von Verantwort­lichen der Firma festgenomm­en, darunter Firmenchef Zhang Qinyue. Er soll sich bei dem Unglück am Donnerstag ebenfalls Verletzung­en zugezogen haben.

Nach den schweren Explosione­n von Tianjin 2015 hat die chinesisch­e Führung Sicherheit­sstandards deutlich erhöht und auch die Kontrollen verschärft. Die Korruption in den Reihen der zuständige­n Behörden hat seitdem deutlich abgenommen.

Trotzdem kommt es in China immer wieder zu schweren Unfällen in Industriea­nlagen oder Bergwerken – etwa im Jänner bei einem Minenunglü­ck in der zentralchi­nesischen Provinz Shanxi mit 21 Toten. „China hat einfach zu viele schwarze Schafe“, kommentier­t ein Nutzer auf der chinesisch­en Kurznachri­chtenplatt­form Weibo das Geschehen.

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