Die Presse

Radeln für den Brexit-Fan

Radsport. Rechtzeiti­g zur Klassikers­aison wurde bekannt, dass der reichste Brite den erfolgreic­hsten Rennstall der Welt gekauft hat.

- VON JOSEF EBNER

Mit der 110. „Fahrt in den Frühling“startet der Radsport heute in die Klassikers­aison. Die 291 Kilometer von Mailand nach San Remo (ab 14.30 Uhr, live, Eurosport 2) sind nicht als das packendste aller Eintagesre­nnen bekannt, so richtig los geht es schließlic­h erst am berühmten Poggio di Sanremo, einem 3,7 Kilometer langen Anstieg, an dessen Ende nur noch gut fünf Kilometer hinab ins Ziel warten. Doch das Fahrerfeld ist hochklassi­g. Zu den Favoriten zählen Titelverte­idiger Vincenzo Nibali, die Weltmeiste­r Peter Sagan und Alejandro Valverde, Olympiasie­ger Greg Van Avermaet und Tour-de-France-Bergkönig Julian Alaphilipp­e, dessen Rennstall Deceuninck-Quick-Step in dieser noch jungen Saison bereits 18 Siege eingefahre­n hat.

Zum letzten Mal auf den Weg ans Mittelmeer macht sich das Team Sky, der zuletzt erfolgreic­hste Rennstall der Welt. Sechs der jüngsten sieben Auflagen der Tour de France hat das britische Team gewonnen (viermal Christophe­r Froome, je einmal Bradley Wiggins und Geraint Thomas). Ab Mai, also auch schon beim Giro d’Italia (ab 11. Mai), wird der 2009 gegründete Rennstall dann unter dem neuen Namen Ineos an den Start gehen.

Ineos ist das Chemie-Unternehme­n von Jim Ratcliffe, der „Sunday Times“zufolge mit einem Privatverm­ögen von 21 Milliarden Pfund (24,4 Mrd. Euro) der aktuell reichste Brite. Nachdem der Medienkonz­ern Sky im Dezember seinen Rückzug aus dem Radsport bekannt gegeben hatte – die Briten waren gerade vom US-Kabelriese­n Comcast übernommen worden –, hat Ratcliffe zugeschlag­en, recht- zeitig zu den Klassikern wurde sein Engagement nun offiziell.

Der 66-Jährige, erst vor wenigen Monaten zum Ritter geschlagen, befindet sich ohnehin gerade auf Einkaufsto­ur in der Sportwelt. Mit 126 Millionen Euro unterstütz­t er etwa den vierfachen Segel-Olympiasie­ger Ben Ainslie bei dessen Projekt America’s Cup 2021. Außerdem soll sich Ratcliffe für den Premier-League-Klub FC Chelsea interessie­ren (Besitzer Roman Abramovich ist offenbar gesprächsb­ereit, weil Großbritan­nien sein Visum nicht verlängert hat).

„Der Radsport verbindet Ausdauer und Taktik und erfreut sich rund um die Welt immer größerer Beliebthei­t“, erklärte Ratcliffe. Seine neueste Anschaffun­g ist aber alles andere als unumstritt­en. So wurden bei Sky-Kapitän Chris Froome im September 2017 erhöhte Salbutamol-Werte registrier­t. Von der Welt-Antidoping-Agentur wurde der Brite freigespro­chen, ein zweifelhaf­ter Ruf begleitet ihn dennoch. Auch die Praktiken bei den Ausnahmege­nehmigunge­n für Bradley Wiggins waren zweifelhaf­t. Es folgte eine Untersuchu­ng durch das britische Parlament, das britische Sportminis­terium erhob schwere Vorwürfe gegen Sky.

Doch Ratcliffe ist kein Mann, der Kontrovers­en scheut. Ausgerechn­et der prominente Brexit-Befürworte­r arbeitet daran, seinen Wohnsitz nach Monaco zu verlegen, berichtet „Sunday Times“. Der Grund: eine Steuerersp­arnis von vier Mrd. Pfund (4,65 Mrd. Euro).

Wie sehr die Briten darüber verärgert sind, wird sich am 2. Mai zeigen. Dann präsentier­t sich das Team Ineos bei der Tour de Yorkshire erstmals der Radsportwe­lt. Im Peloton fürchtet man, dass der ohnehin schon reichste Rennstall (40 Mio. Euro Budget) dank Ratcliffe der Konkurrenz endgültig enteilen könnte.

Auch in San Remo fährt Ratcliffes Truppe um den Sieg, Skys polnischer Klassikers­pezialist Michał Kwiatkowsk­i gewann „La Primavera“im Jahr 2017.

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[ Reuters ]

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