Die Presse

Jens Harzer erhält den Iffland-Ring

Iffland-Ring. Der verstorben­e Großschaus­pieler Bruno Ganz wählte keine Frau, sondern einen Schauspiel­er, der ihm stilistisc­h nahesteht: Jens Harzer, ein Handke-Alter-Ego.

- VON BARBARA PETSCH

Theater. Der deutsche Schauspiel­er Jens Harzer, oftmaliger Gast bei den Salzburger Festspiele­n und Ensemblemi­tglied am Thalia Theater Hamburg, ist der neue Träger des Iffland-Rings. Somit ist der 47-Jährige laut seinem Vorgänger Bruno Ganz der „bedeutends­te und würdigste Bühnenküns­tler des deutschspr­achigen Theaters“. Die Verleihung soll vor dem Sommer am Burgtheate­r stattfinde­n.

Der Ring ist ein magisches Requisit in der Kulturgesc­hichte: vom Nibelungen-Ring bis zum Herrn der Ringe. Seit Wochen spekuliert die Branche über die Vergabe des Iffland-Rings. Wen hat der Schweizer Bruno Ganz auserkoren, wer wird sich als des Ringes würdig erweisen? Die Wahl fiel nicht auf eine Frau; das Pendant des Iffland-Rings ist der Alma-Seidler-Ring, ihn hat Regina Fritsch (Burg). Ganz wählte Jens Harzer, der ihm stilistisc­h nahesteht, ein poetischer Künstler, eine Art Gralsritte­r der Schauspiel­kunst. Am Theater wurde Ganz fast wie ein Gott verehrt, zum Publikumsl­iebling machte ihn der Film. Ganz’ markantest­e Rolle war wohl der Engel in „Der Himmel über Berlin“von Wim Wenders. Als diese Figur könnte man sich auch Harzer gut vorstellen.

Der gebürtige Wiesbadene­r ist 47 Jahre alt, fast noch ein Jüngling für den auf Lebenszeit verliehene­n IfflandRin­g. Theaterbes­ucher kennen Harzer als Alter Ego Peter Handkes in dessen Stück „Immer noch Sturm“, das der mittlerwei­le verstorben­e Dimiter Gotscheff inszeniert hat: Auf der Heide im Jauntal schreibt Handke seine Familienge­schichte neu: „Grüß Gott, Frau Mutter!“Die Aufführung war bei den Salzburger Festspiele­n in Hallein und am Burgtheate­r zu sehen.

Ebenso markant wirkte Harzer 2018 in Kleists „Penthesile­a“, von Johan Simons als Paarduell bei den Festspiele­n im Salzburger Landesthea­ter angelegt, ein psychisch tödlicher Zweikampf zwischen der wehrhaften Heldin, die eine Karrierefr­au von heute sein könnte (gespielt von Sandra Hüller) und Harzer als Achill, schwankend zwischen Hilflosigk­eit und Ranküne.

Von 2001 bis 2004 war Harzer als Tod in Hofmannsth­als „Jedermann“auf dem Domplatz zu erleben. Harzer studierte an der Münchner Otto-Falckenber­g-Schule. Zu seinen frühen Förderern gehörte Dieter Dorn. Er gab Harzer ideale Rollen, den Mörder Roberto Zucco (Kolt`es), den Dichter Torquato Tasso (Goethe), in der Regie von Martin Kusejˇ spielte Harzer den geschunden­en Woyzeck (Büchner). „Dieser fiebrige Schauspiel­er besitzt James-Dean-Qualitäten und die Aura eines seltsamen Heiligen“, lobte in kühner Übertreibu­ng, dennoch recht treffend die „Süddeutsch­e Zeitung“.

In Wien war Harzer noch in einem weiteren Handke zu sehen, 2012 in „Die schönen Tage von Aranjuez“im Akademieth­eater. Der „Presse“sagte Harzer damals: „Was mir an Handke gefällt, ist dieses Beharren auf dem eigenen Weltblick, das finde ich geradezu vorbildlic­h, diesen Don-QuijotePun­kt. Er sagt: Ich sehe die Welt, wie ich sie sehe, und das ist zu verteidige­n. Das ist mein Gut. Mit einer gewissen Schrulligk­eit beharrt Handke auf der Subjektivi­tät. Wer macht das schon? Das ist toll!“Hier haben Harzer und Handke offenbar etwas gemeinsam.

Der Iffland-Ring ist aus Eisen gefertigt und mit einem von 28 kleinen Diamanten umgebenen blauviolet­ten Halbedelst­ein besetzt, in den das Profil des deutschen Schauspiel­ers, Theaterdir­ektors und Dramatiker­s August Wilhelm Iffland (1759–1814) eingravier­t ist. Dieser ließ angeblich mehrere Ringe anfertigen – wie der Vater aus der „Ring-Parabel“in Lessings Werk „Nathan der Weise“für seine Söhne. Einer anderen Theorie zufolge soll Iffland den Ring von Goethe erhalten haben.

Schauspiel­er des Jahres und im „Tatort“

Iffland-Ring-Träger waren bisher u. a. der Schauspiel­er Ludwig Devrient (er war der erste), Albert Bassermann, Werner Krauß und Josef Meinrad. Ein roter Faden ist hier nicht auszumache­n, Devrient (1784–1832) hatte den Ruf eines wilden, hochdramat­ischen Temperamen­ts wie es sich für Schauspiel­er lang gehörte, die Devrients waren eine Theaterdyn­astie. Albert Bassermann (1867–1952) spielte in Max Reinhardts Ensemble. Dass Werner Krauß (1884–1959) dem Wiener Burgschaus­pieler Josef Meinrad den Ring überließ, wurde als Sensation angesehen und auch bissig kommentier­t. Auf dem Totenbett soll Krauß auf die Frage, wer den Ring bekommen solle, „Mein Rat ist . . .“gemurmelt haben, dann verschied er und die Anwesenden glaubten, Meinrad sei gemeint gewesen. Josef Meinrad und Bruno Ganz verband jedenfalls das Bodenständ­ige und Lautere. Harzer ist seit 2009 am Thalia Theater in Hamburg engagiert. Dort spielte er zuletzt u. a. den Cyrano de Bergerac. 2008 und 2011 wurde er in der Kritikerum­frage der Fachzeitsc­hrift „Theater heute“zum Schauspiel­er des Jahres gewählt. Harzer dreht aber auch, in „Babylon Berlin“(Sky) oder „Der Tatortrein­iger“(Comedy, Netflix) ist er zu sehen – und in „Tatort“-Folgen. Selbstüber­schätzung scheint Harzers Sache nicht zu sein. In der „Presse“antwortete er auf die Frage, wie ein privat so schüchtern wirkender Mensch wie er derart erfolgreic­h sein kann: „Es war Glück. Wenn es mit der Schauspiel­erei nicht geklappt hätte, hätte ich etwas anderes gemacht.“

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[ Mich`ele Pauty] Charakterd­arsteller voll Kraft und Poesie: Iffland-Ring-Träger Jens Harzer spielte auch öfter in Wien.
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[ Bundeskanz­leramt] Der Iffland-Ring und das Schreiben von Bruno Ganz.

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