Warum wachen Eltern sofort auf, wenn das Baby schreit?
Schlaf ist an sich ein Zustand, in dem alle unsere Sinne abgeschaltet sind und wir die Umgebung nicht mehr wahrnehmen – mit einer Ausnahme.
Die erste Nacht in einem fremden Bett schlafen viele Menschen schlechter als zu Hause. Der Grund dafür liegt aber in den meisten Fällen nicht darin, dass es ein anderes Bett ist, sondern daran, dass die Umgebung neu und unbekannt ist – und potenziell mehr Gefahren in sich birgt. „Es gibt Studien, in denen man die Probanden in einer fremden Umgebung schlafen ließ. In der ersten Nacht hatten alle einen viel leichteren Schlaf und waren durch für sie unbekannte Geräusche schneller aufzuwecken“, erläutert Bernhard Laback, Leiter der Forschungsgruppe Psychoakustik und Experimentelle Audiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). „Das hat evolutionsbiologische Gründe, da der Mensch in seiner Entwicklungsge- schichte vielen Gefahren ausgesetzt war und schnell auf unbekannte Geräusche reagieren musste.“
Dieser Sinn hat sich bis heute, obwohl die Zeiten weniger gefährlich und deutlich geruhsamer geworden sind, erhalten. Auch im Schlaf reagiert der Mensch auf bestimmte Schallreize – mit der Einschränkung, dass in der tiefsten Schlafphase auch der Gehörsinn nicht arbeitet. In allen anderen Schlafphasen ist er durchaus aktiv. Und: „Auf seinen eigenen Namen hört interessanterweise jeder und wacht auf. Das bedeutet jedoch, dass es im Schlaf sogar eine semantische Verarbeitung gibt, die durch Gehirnstromanalysen bestätigt wurde“, erklärt der Schallforscher.
Zudem ist scheinbar auch Unerwartetes ein Grund aufzuwachen. „Auf ähnliche Wortpaare etwa reagiert kaum jemand im Schlaf, auf unähnliche jedoch sehr wohl.“Das Gehirn selektiert demnach unbekannte Geräusche oder Ungewöhnliches als mutmaßlich gefährlich und sorgt dafür, dass der Mensch aufwacht.
Dass speziell Mütter sofort wach werden, wenn sie ihr Baby schreien hören, hat auch hormonelle Gründe. Der Hormonhaushalt stellt sich um, und in der Stillphase sind sie ganz besonders auf Geräusche ihres Babys sensibilisiert. „Das ist ein gezielter Mechanismus“, so Laback.
Einstellung zu Geräuschen zählt
Nicht jeder reagiert aber gleich stark auf Schallreize. Manche Menschen sind wesentlich hörempfindlicher als andere. Diese Unterschiede sind allerdings nicht physiologischer Natur und nicht bis auf die Ebene des Cortex (Großhirnrinde) zurückzuführen. „Grundsätzlich spielt die Einstellung zu den jeweiligen Geräuschen eine große Rolle. Lehnt jemand Autos ab, wird er Autolärm als wesentlich lauter und unangenehmer empfinden als je- mand, der dazu keine negative Einstellung hat. Die Unterschiede liegen also in der Assoziation“, erläutert der Wissenschaftler.
Laback beschäftigt sich vor allem mit dem selektiven Hören – der Fähigkeit, unter vielen verschiedenen Lauten die wichtigen herauszufiltern. Diese Kompetenz bilden Menschen erst mit rund zehn Jahren aus. Aktuell betreibt er Grundlagenforschung zu Hörimplantaten im Innenohr. „Seit einigen Jahren vermutet man – es wurden noch keine Studien dazu gemacht –, dass auch geringe Lärmentwicklungen, die man vielleicht gar nicht bewusst wahrnimmt, zu Verschlechterungen des Hörens führen können.“Lärm sei, so betont Laback, grundsätzlich ein Risikofaktor und könne bis zu Herz-Kreislauf-Problemen führen.
„Mütter in der Stillphase sind ganz besonders sensibilisiert auf Geräusche ihres Babys.“ Bernhard Laback, Psychoakustiker (ÖAW)