Die Presse

Ein synchronis­ierter Körper dank Yoga-Atmung

Atemtechni­ken, die seit Jahrtausen­den für Yogaübunge­n eingesetzt werden, schreibt man viele positive Effekte zu. Grazer Forscher haben nun Hirnareale gefunden, die diese Atmung auch unbewusst auslösen könnten.

- VON WOLFGANG DÄUBLE

Tief durchatmen. Ein Rat, den wohl die meisten schon einmal bekommen haben – wenn eine schwierige Prüfung ansteht, der Stress einmal wieder überhandni­mmt oder man kurz davor ist, aus einem unreflekti­erten Impuls heraus eine Handlung zu setzen.

Den Effekt, den ruhiges Atmen in solchen Situatione­n auf Körper und Psyche hat, kann man leicht am eigenen Körper testen. Gert Pfurtschel­ler, Hirnforsch­er an der TU Graz, sieht in der richtigen Atmung dagegen noch viel größeres Potenzial: „Durch langsames Einund Ausatmen kann man nicht nur das Wohlbefind­en erhöhen, sondern auch Angst, Schmerz und Stress reduzieren und sogar die motorische­n Fähigkeite­n, etwa beim Golf- oder Basketball­spielen, verbessern.“

Der Wissenscha­ftler untersucht gemeinsam mit dem Gesundheit­spsycholog­en Andreas Schwerdtfe- ger von der Uni Graz die Auswirkung­en der sogenannte­n Resonanzat­mung mit sechs Atemzügen pro Minute auf den Körper. Diese Frequenz von 0,1 Hertz ist nicht zufällig gewählt: Sie entspricht auch einer wichtigen Gruppe von Körperrhyt­hmen, die sich ebenfalls alle zehn Sekunden wiederhole­n. Pfurtschel­ler: „Der Blutdruck schwankt in den sogenannte­n Mayer-Wellen mit 0,1 Hertz, auch das Herzschlag­intervall verändert sich in diesem Rhythmus. Und im Gehirn gibt es ebenfalls Schwankung­en mit der gleichen Frequenz, die man im EEG sehen kann.“

Senkt man die Atemfreque­nz nun bewusst auf dasselbe Intervall – indem man sich je fünf Sekunden Zeit für das Ein- und Ausatmen lässt – braucht das Gehirn besonders wenig Energie und befindet sich daher in einem Optimum, so Pfurtschel­ler. Ähnliche Rhythmen finden sich auch bei Atemübunge­n, die seit Jahrtausen­den in Yoga und Meditation eine zentrale Rolle einnehmen – auch hier könnten die positiven Effekte auf die Synchronis­ation der Atmung mit den anderen Körpersyst­emen zurückzufü­hren sein, meint der Hirnforsch­er.

Selbst unbewusst scheint der Körper diese Synchronis­ation einzusetze­n: Probanden mit Klaustroph­obie, die in einer MRT-Röhre untersucht wurden, begannen ebenfalls mit einer Frequenz von 0,1 Hertz zu atmen. „Da muss es einen unbewusste­n Beruhigung­smechanism­us im Gehirn geben, der die Atmung auf sechs Atemzüge pro Minute senkt. Das ist ver- mutlich eine Strategie, um die negativen Emotionen zu reduzieren“, sagt Pfurtschel­ler. Unklar sei dagegen, welche neuronalen Strukturen diese Rhythmen vorgeben. „Wir haben mithilfe von funktionel­ler Magnetreso­nanztomogr­afie herausgefu­nden, dass ein solcher Schrittmac­her im Cingulum, einer Struktur in der Mitte des Gehirns, liegen könnte. Einen zweiten Kandidaten haben wir im Hirnstamm identifizi­ert.“

Eine unmittelba­re Anwendungs­möglichkei­t für seine Erkenntnis­se sieht der Wissenscha­ftler bei medizinisc­hen Untersuchu­ngen in engen Tomografie­röhren: Würde man die Patienten mit sechs Atemzügen pro Minute darauf vorbereite­n, müssten die teuren Untersuchu­ngen vermutlich seltener abgebroche­n werden.

Das Wissen um die Wirkung des langsamen Atmens sei aber in allen Lebenslage­n hilfreich, um negative Emotionen zu reduzieren, betont Pfurtschel­ler. Seine Empfehlung: täglich zehn Minuten Resonanzat­mung.

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