Die Presse

Moralisier­ende Götter waren der Kitt der großen Imperien

Sittenwäch­ter ab der Millioneng­renze.

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Wer war zuerst da – komplexe Gesellscha­ften oder der Glaube an einen strafenden Gott? Erstere vermutlich. Darauf weisen zumindest die Ergebnisse einer von Patrick Savage (Universitä­t Oxford) geleiteten Studie hin: Demnach formierten sich zuerst große Gesellscha­ften, die anschließe­nd durch die Konstrukti­on moralisier­ender Götter zusammenge­halten wurden. Dies hätte dem Zerfall in ethnische Gruppen vorgebeugt, berichtet die Forschungs­gruppe mit österreich­ischer Beteiligun­g vom Wiener Complexity Science Hub (CSH) nun im Fachmagazi­n Nature (20. 3.). Der Glaube fungiert entspreche­nd als sozialer Kitt.

Mächtige moralisier­ende Götter oder übernatürl­iche prosoziale Lenkmechan­ismen wie das Karma im Buddhismus entstanden fast immer erst, wenn die Gesellscha­ften mehr als eine Million Menschen zählte, sagen die Forscher. Dieser Zusammenha­ng war bereits in früheren Untersuchu­ngen angedeutet worden. Kausalität­en konnten bislang jedoch nicht bestätigt werden. Savage und sein Team untersucht­en in ihrem Projekt Daten zu 414 Gesellscha­ften aus 30 Regionen weltweit, die sich in den vergangene­n 10.000 Jahren gebildet hatten. Für die Analyse nutzen die Wissenscha­ftler Seshat, eine Datenbank für Globalgesc­hichte.

„Standardis­ierte Rituale entstanden jeweils viel früher als der Glaube an moralisier­ende Götter“, berichtet Peter Turchin von der University of Connecticu­t, der assoziiert­es Mitglied am CSH ist. Dies lege nahe, dass für die Kooperatio­n und das Entstehen sozial komplexer Gesellscha­ften rituelle Praktiken und somit eine gemeinsame Identität wichtiger als eine religiöse Überzeugun­g sind. (APA/cog)

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