Die Intelligenzen im Wettstreit
An der Johannes-Kepler-Uni Linz ließen Forscher die gleiche Aufgabe durch menschliche und künstliche Fähigkeiten lösen. Das Ergebnis war durchaus überraschend.
Wenn Mensch und Computer gegeneinander antreten, besteht immer die geheime Hoffnung, der menschliche Geist werde überlegen sein. Das gilt für den Schach-Großmeister, der gegen einen Schachcomputer spielt, ebenso wie für den Autofahrer, der versucht, schneller am Ziel zu sein als ein selbstfahrendes Fahrzeug, oder den Komponisten, dessen Musikstück mit dem eines Musikroboters verglichen wird (etwa der virtuellen Künstlerin Aiva, die mit maschinell geschaffener Musik bereits ein eigenes Album samt Urheberrechten herausgebracht hat).
Durchaus im Bereich des Möglichen erschien ein Sieg des Menschen im Wettstreit mit künstlicher Intelligenz auch jüngst an der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU). Dort wurden in einem Versuch sowohl menschliche Probanden als auch ein neuronales Netzwerk vor die Aufgabe gestellt, Proteine auf Bildern von Zellen (s. Abbildung) zu erkennen – eine Fähigkeit, die in der Praxis etwa in der Medikamentenentwicklung oder beim Erkennen genetischer Mutationen eine Rolle spielt.
Konkret waren am Tag des Experiments 200 Bilder zu analysieren, die weder Mensch noch Maschine zuvor gesehen hatten. Man sei durchaus gespannt auf den Ausgang gewesen, sagt Günter Klambauer, Projektleiter und Senior Researcher am Institute for Machine Learning der JKU, wo das künstliche neuronale Netzwerk entwickelt und trainiert worden war. Schließlich sei ursprünglich das menschliche Gehirn deutlich im Vorteil gewesen. „Am Anfang erkennt das neuronale Netzwerk nicht einmal Zellen. Es muss erst durch Zehntausende Bilder lernen, wie Zellstrukturen aussehen. Der Mensch hingegen hat von Haus aus sehr viele Muster im Kopf.“
Im konkreten Fall seien zudem die hohe Bildauflösung der Universitätsgroßrechner und die sehr feinen Zellstrukturen eine große Herausforderung für das neuronale Netzwerk gewesen, sagt der Forscher, der das gesamte Projekt und Setting der Studie zusammen mit einem Pathobiologen der Med-Uni Wien ausgearbeitet hatte. Das neuronale Netzwerk trat dabei primär gegen eine Gruppe von drei Experten sowie gegen eine Gruppe aus 25 Life-Science-Studierenden an, die ein dreistündiges Training in Objekterkennung absolviert hatten.
Das Ergebnis fiel extrem klar zugunsten der Maschine aus. Während die menschlichen Experten die Aufgabe in rund fünf Stunden lösten, benötigte das neuronale Netzwerk nur 26 Sekunden. Auch die Trefferquote spricht für sich. Der beste Experte schaffte es, 72 Prozent der Proteine richtig zuzuordnen, das neuronale Netzwerk lag bei 91 Prozent.
Die Leistung der künstlichen Intelligenz beruht in diesem Fall auf der Methode des Deep Learning (s. Lexikon), ähnlich wie übrigens auch das musikalische Schaffen der anfänglich erwähnten Aiva. Gemeint ist damit das Lernen von Maschinen durch virtuelle neuronale Netze, die ähnlich den Hirnstrukturen angelegt sind, jedoch durch zusätzliche Schichten vertieft werden. Sie ermöglichen der Maschine, Strukturen zu verstehen (in diesem Fall optische Strukturen oder im Fall von Aiva Musiktheorie und Wohlklang für das menschliche Ohr) und dadurch selbst Wege zu finden, ohne weiter mit Daten gefüttert zu werden.
Was die Anwendung von Deep Learning bei medizinischen bildgebenden Verfahren betrifft, so kommen immer wieder Befürchtungen auf, es werde zu vermehrten Falschbefunden durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz
kommen, weil diese nur Dinge erkennen könne, die sie einmal gelernt habe. Klambauer erteilt diesen Ängsten eine Absage. Ein neuronales Netz liefere nur Vorschläge und Wahrscheinlichkeiten. Die Entscheidung, wie diese zu bewerten seien, liege nach wie vor bei den Ärzten. Generell bestehe kein Grund zur Furcht vor künstlicher Intelligenz. „Diese Systeme können super unterstützen, aber sie können weder selbst programmieren, noch machen sie sich sonst auf irgendeine Weise selbstständig. Sie werden nie etwas anderes können als das, wofür sie entwickelt wurden.“
Im Mai wird die Linzer Studie zum Wettkampf in der Proteinerkennung bei der „International Conference on Learning Representations“(ICLR) in New Orleans, einem der wichtigsten Kongresse für künstliche Intelligenz, präsentiert werden.