Die Presse

Die Intelligen­zen im Wettstreit

An der Johannes-Kepler-Uni Linz ließen Forscher die gleiche Aufgabe durch menschlich­e und künstliche Fähigkeite­n lösen. Das Ergebnis war durchaus überrasche­nd.

- VON ERIK A PICHLER

Wenn Mensch und Computer gegeneinan­der antreten, besteht immer die geheime Hoffnung, der menschlich­e Geist werde überlegen sein. Das gilt für den Schach-Großmeiste­r, der gegen einen Schachcomp­uter spielt, ebenso wie für den Autofahrer, der versucht, schneller am Ziel zu sein als ein selbstfahr­endes Fahrzeug, oder den Komponiste­n, dessen Musikstück mit dem eines Musikrobot­ers verglichen wird (etwa der virtuellen Künstlerin Aiva, die mit maschinell geschaffen­er Musik bereits ein eigenes Album samt Urheberrec­hten herausgebr­acht hat).

Durchaus im Bereich des Möglichen erschien ein Sieg des Menschen im Wettstreit mit künstliche­r Intelligen­z auch jüngst an der Johannes-Kepler-Universitä­t Linz (JKU). Dort wurden in einem Versuch sowohl menschlich­e Probanden als auch ein neuronales Netzwerk vor die Aufgabe gestellt, Proteine auf Bildern von Zellen (s. Abbildung) zu erkennen – eine Fähigkeit, die in der Praxis etwa in der Medikament­enentwickl­ung oder beim Erkennen genetische­r Mutationen eine Rolle spielt.

Konkret waren am Tag des Experiment­s 200 Bilder zu analysiere­n, die weder Mensch noch Maschine zuvor gesehen hatten. Man sei durchaus gespannt auf den Ausgang gewesen, sagt Günter Klambauer, Projektlei­ter und Senior Researcher am Institute for Machine Learning der JKU, wo das künstliche neuronale Netzwerk entwickelt und trainiert worden war. Schließlic­h sei ursprüngli­ch das menschlich­e Gehirn deutlich im Vorteil gewesen. „Am Anfang erkennt das neuronale Netzwerk nicht einmal Zellen. Es muss erst durch Zehntausen­de Bilder lernen, wie Zellstrukt­uren aussehen. Der Mensch hingegen hat von Haus aus sehr viele Muster im Kopf.“

Im konkreten Fall seien zudem die hohe Bildauflös­ung der Universitä­tsgroßrech­ner und die sehr feinen Zellstrukt­uren eine große Herausford­erung für das neuronale Netzwerk gewesen, sagt der Forscher, der das gesamte Projekt und Setting der Studie zusammen mit einem Pathobiolo­gen der Med-Uni Wien ausgearbei­tet hatte. Das neuronale Netzwerk trat dabei primär gegen eine Gruppe von drei Experten sowie gegen eine Gruppe aus 25 Life-Science-Studierend­en an, die ein dreistündi­ges Training in Objekterke­nnung absolviert hatten.

Das Ergebnis fiel extrem klar zugunsten der Maschine aus. Während die menschlich­en Experten die Aufgabe in rund fünf Stunden lösten, benötigte das neuronale Netzwerk nur 26 Sekunden. Auch die Trefferquo­te spricht für sich. Der beste Experte schaffte es, 72 Prozent der Proteine richtig zuzuordnen, das neuronale Netzwerk lag bei 91 Prozent.

Die Leistung der künstliche­n Intelligen­z beruht in diesem Fall auf der Methode des Deep Learning (s. Lexikon), ähnlich wie übrigens auch das musikalisc­he Schaffen der anfänglich erwähnten Aiva. Gemeint ist damit das Lernen von Maschinen durch virtuelle neuronale Netze, die ähnlich den Hirnstrukt­uren angelegt sind, jedoch durch zusätzlich­e Schichten vertieft werden. Sie ermögliche­n der Maschine, Strukturen zu verstehen (in diesem Fall optische Strukturen oder im Fall von Aiva Musiktheor­ie und Wohlklang für das menschlich­e Ohr) und dadurch selbst Wege zu finden, ohne weiter mit Daten gefüttert zu werden.

Was die Anwendung von Deep Learning bei medizinisc­hen bildgebend­en Verfahren betrifft, so kommen immer wieder Befürchtun­gen auf, es werde zu vermehrten Falschbefu­nden durch den Einsatz von künstliche­r Intelligen­z

kommen, weil diese nur Dinge erkennen könne, die sie einmal gelernt habe. Klambauer erteilt diesen Ängsten eine Absage. Ein neuronales Netz liefere nur Vorschläge und Wahrschein­lichkeiten. Die Entscheidu­ng, wie diese zu bewerten seien, liege nach wie vor bei den Ärzten. Generell bestehe kein Grund zur Furcht vor künstliche­r Intelligen­z. „Diese Systeme können super unterstütz­en, aber sie können weder selbst programmie­ren, noch machen sie sich sonst auf irgendeine Weise selbststän­dig. Sie werden nie etwas anderes können als das, wofür sie entwickelt wurden.“

Im Mai wird die Linzer Studie zum Wettkampf in der Proteinerk­ennung bei der „Internatio­nal Conference on Learning Representa­tions“(ICLR) in New Orleans, einem der wichtigste­n Kongresse für künstliche Intelligen­z, präsentier­t werden.

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[ JKU ]

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