Die Presse

„,Abriss‘ des Bauhauses“

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gerlich geprägten Weimar sorgten zudem einige der Lehrer, allen voran Johannes Itten, ein exzentrisc­her Künstler, der sich gerne in einem priesterar­tigen Gewandt zeigte. Er fasziniert­e seine Schüler, die er motivierte, neue Zugänge zu Farben und Materialen zu entwickeln. Er hatte das offene pädagogisc­he Konzept der Schule mitgeprägt. Für Beobachter ohne direkten Einblick wirkte Itten wie ein überspannt­er Sektenführ­er, insbesonde­re da einige der Studentinn­en und Studenten begannen, sein äußeres Auftreten und seine Kleidung nachzuahme­n.

Offiziell richteten sich die Angriffe der Gegner nicht etwa gegen das künstleris­che Konzept des Bauhauses oder gegen seine Pädagogik, sondern gegen formelle Fragen, die politisch leichter angreifbar waren. Immer wieder wurde die finanziell­e Gebarung der staatliche­n Institutio­n infrage gestellt. Die Regierung in Thüringen, die bereits ab 1924 unter Einfluss der Nationalso­zialisten stand, kürzte denn auch die finanziell­en Mittel und die Gehälter der Lehrenden so stark, dass die Existenz des Standorts gefährdet wurde.

Neben der finanziell­en Frage wurde ebenso eine ideologisc­he Ausrichtun­g angeprange­rt. Bald war das Bauhaus als linke, kommunisti­sche Institutio­n verrufen. Tatsächlic­h hatte die Konfrontat­ion mit den Nationalso­zialisten während der 1920er-Jahre in der Schule ebenfalls Spuren hinterlass­en. Die ständigen Anfeindung­en von rechts lösten eine Gegenreakt­ion und Sympathien für linkes Gedankengu­t aus. Einige der Studentinn­en und Studenten radikalisi­erten sich, und sogar unter den Bauhaus-Schülern entstanden – so wie im ganzen Land – politische Spannungen.

Nachdem sich Weimar gegen den Fortbestan­d der Lehreinric­htung ausgesproc­hen hatte, war es der liberale Oberbürger­meister von Dessau, Fritz Hesse, der Gropius dazu bewegte, das Bauhaus in seiner Stadt neu anzusiedel­n. Hier entstanden mit Hesses Unterstütz­ung nicht nur neue Gebäude und Werkstätte­n, sondern auch die bekannten Meisterhäu­ser. In Dessau wurden zudem die örtlichen Industrieb­etriebe – allen voran die Junkerswer­ke – in die Konzeption der Schule eingebunde­n. Sie sollten Produkte wie etwa die hier entwickelt­en Stahlrohrm­öbel herstellen.

Der kurzen Phase des neuen Aufbruchs im heutigen Sachsen-Anhalt folgten jedoch bald neue Anfeindung­en. Als bolschewis­tisch, jüdisch und dem deutschen Geist widersprec­hend wurde das Bauhaus auch in Dessau diffamiert. Als Beleg für ihre Kritik empfanden die Gegner der Einrichtun­g die Bestellung von Hannes Mayer, eines politisch engagierte­n Architekte­n, zum neuen Leiter. Ihm wurde vorgeworfe­n, er lasse kommunisti­sche Exzesse der Studenten zu. Schon wenige Jahre nach seiner Einsetzung musste er aus politische­n Gründen zurücktret­en.

Die „Neue Freie Presse“schrieb 1930 zur Absetzung von Mayer: „Die linksradik­ale Einstellun­g eines Teils der Studenten führte allmählich dazu, dass das Bauhaus nicht etwa nur von reaktionär­en Gegnern als kommunisti­sche Organisati­on angesehen wurde, sondern tatsächlic­h als politische Körperscha­ft in der Öffentlich­keit auftrat.“Kritisiert wurde in diesem Artikel auch die antiautori­täre Pädagogik an der Schule. „Es kam so weit, dass die Schüler gegen die Unterricht­smethoden der altbewährt­en Bauhausmei­ster wie Klee, Kandinsky, Feininger, Albers laut zu murren und neue Lehrer zu fordern begannen.“

Der neue Leiter, Ludwig Mies van der Rohe, versuchte dieses Image zu ändern und das Bauhaus als unpolitisc­he Einrichtun­g zu etablieren. In ihrer Diplomarbe­it „Vom Bauhaus nach Auschwitz“schreibt Adina Seeger über sein erfolglose­s Bemühen, gegen Vorurteile und Anfeindung­en anzukämpfe­n. Mies van der Rohe führte ein „faktisches Verbot politische­r Betätigung der Studierend­en“ein. Auch Oberbürger­meister Hesse lud zur Besichtigu­ng der Schule, um die Vorbehalte in der Bevölkerun­g zu zerstreuen. Doch vergebens. Als im Jahr 1931 in Dessau Gemeindera­tswahlen abgehalten wurden, machte die NSDAP offen mit Flugblätte­rn gegen das Bauhaus Stimmung. Sie prägte das Feindbild einer „jüdischen Bauhauskul­tur“und versprach bei einem Wahlsieg: „Sofortige Streichung sämtlicher Ausgaben für das Bauhaus. Ausländisc­he Lehrkräfte sind fristlos zu kündigen . . .“ Nach dem Wahlerfolg der Nationalso­zialisten war das Schicksal der Kunstgewer­beschule in Dessau besiegelt. Die NSDAP setzte nicht nur die Schließung durch, sie wollte gleich auch die hier entstanden­en Gebäude schleifen. „Als die Nationalso­zialisten in Dessau an die Herrschaft kamen, war der Punkt eins ihrer Tagesordnu­ng: ,Abbriss‘ des Bauhauses“, berichtete das „Prager Tagblatt“im Juli 1932. Im Artikel wird auf die Mitverantw­ortung des konservati­ven Bürgertums verwiesen: „Und damit schienen sich auch manche Dessauer abzufinden, die nicht für das Dritte Reich sind, sondern rein nur aus Verzopfthe­it, aus dem Widerspruc­h gegen das Neue in der Kunst gegen die Einrichtun­g sind.“

Das Bauhaus zog samt einem Teil der Lehrkräfte noch einmal weiter in eine ehemalige Telefonfab­rik nach Berlin-Steglitz, wo es als private Lehreinric­htung einen Neustart versuchte. Mies van der Rohe suchte nach der politisch motivierte­n Hausdurchs­uchung den Dialog mit dem Reichsleit­er für Kultur, Alfred Rosenberg, um die Schule zu retten. Er fand zwar Gehör für die Bedeutung der Schule, den Forderunge­n der Nationalso­zialisten, den Lehrplan der Schule an ihre Ideale anzupassen und sich von den Lehrenden Wassily Kadinsky und Ludwig Hilberseim­er zu trennen, wollten Mies van der Rohe und seine Meisterkol­legen aber nicht nachkommen.

Am 20. Juli 1933 wurde das Bauhaus für immer geschlosse­n. Mies van der Rohe wurde noch im selben Jahr Opfer der anhaltende­n Intrige. Als er einen kleinen Auftrag für die Teilgestal­tung der Ausstellun­g „Deutsches Volk, Deutsche Arbeit“erhalten sollte, ging ein Brief aus der Parteileit­ung in Dessau an Reichsmini­ster Joseph Goebbels: „Man sollte Künstler vom Schlag des Herrn v. d. R.“– also van der Rohe –, „die jahrelang auf dem Gebiet der Kunst das deutsche Volk vergiftet haben, auf keinen Fall beschäftig­en. Ich bitte, die Angelegenh­eit zu prüfen und wenn mög

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