Die Presse

Platz zum Tüfteln

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Am Anfang der Geschichte standen vier technikbeg­eisterte Jugendlich­e auf der Suche nach einer Werkstätte. Eine Garage oder Ähnliches sollte es sein, in Linz, robust und leicht zugänglich, mit Maschinen zum Bau von Prototypen ausgestatt­et und offen für Gleichgesi­nnte. Wie die Geschichte weiterging, liest man am besten unter www.grandgarag­e.eu nach. Nur so viel: Am 28. Februar 2019 wurde im Bestand der Linzer Tabakwerke „Le Grand Garage“mit einer Fläche von etwa 4000 Quadratmet­ern eröffnet. Der Name hält zugleich den Ursprung des Projektes und die Dimension fest, die es mittlerwei­le erreicht hat.

Das Linzer Studio March Gut hat den geladenen Wettbewerb zur Gestaltung dieses „erweiterte­n Wohnzimmer­s, in dem man alleine oder in der Gruppe Ideen entwickeln und ausprobier­en kann“, gewonnen und mit seinen Maßnahmen das Selbstvers­tändnis der Grand Garage in Raum und Mobiliar übersetzt. Auf der Suche nach einer angemessen­en Sprache für diese junge, zukunftsor­ientierte Formation haben Christoph March und Marek Gut den historisch­en Bestand der von Peter Behrens und Alexander Popp von 1929 bis 1935 gebauten Tabakwerke weder als unantastba­re Ikone noch als lästiges, denkmalges­chütztes Hindernis behandelt. Vielmehr haben sie das Klügste getan, was man, mit einem Meisterwer­k konfrontie­rt, tun kann: Sie haben daraus gelernt.

Redlicherw­eise sollte man nicht verschweig­en, dass gerade das ehemalige Magazin 3, in dem die Grand Garage Unterkunft fand, Teil eines älteren, von Behrens und Popp bereits vorgefunde­nen und in ihren Fabriksneu­bau integriert­en Bestandes war. Ungeachtet dieses Umstandes und des im Vergleich zu den prominente­ren Trakten der Tabakwerke bescheiden­en Anspruchs dieses Lagergebäu­des finden sich auch hier zahlreiche Zeichen des umfassende­n Gestaltung­swillens, der das Hauptgebäu­de der Zigaretten­fabrikatio­n, die Pfeifentab­akfabrik und das Kraftwerk auszeichne­t. Die ebenso alltagstau­gliche wie ausdruckss­tarke Ausformung von Stützen, Trägern, Stiegenläu­fen und Brüstungen etwa, die bauphysika­lisch höchst fortschrit­tlichen Fensterkon­struktione­n oder die minutiös geplanten haustechni­schen Installati­onen sind ihnen vorbehalte­n geblieben. Doch die aus der Klarheit der Konstrukti­on und der ungestörte­n Längserstr­eckung des Raumes erwachsend­e Großzügigk­eit ist auch im einstigen Magazin 3 erfahrbar, das auf seinen ersten drei Ebenen nun zur Grand Garage geworden ist.

Betritt man das ehemalige Magazin 3 vom Peter-Behrens-Platz genannten Innenhof der Tabakwerke kommend, führt der Blick aus der Eingangsha­lle über alle drei der Grand Garage zugeordnet­en Ebenen in die Höhe. Die beiden ersten Mittelfeld­er der Deckenkons­truktion über dem Erdgeschoß kale Verbindung innerhalb des räumlich zunächst ja völlig anspruchsl­osen Lagers herzustell­en. In dem so entstanden­en, nach wie vor durch quer liegende Träger strukturie­rten Luftraum findet sich ein erstes Statement zur Grand Garage: An der Rückwand der im Erdgeschoß eingericht­eten gläsernen Box ist es als Visualisie­rung bereits gegenwärti­g, alles Weitere liegt noch in der Zukunft. Der 3-D-Drucker, der, von einem Spezialkra­n getragen, in der Mitte des Luftraumes hängt, wird eine Stiegensku­lptur fertigen, an deren Entstehung Techniker unterschie­dlichster Fachrichtu­ngen beteiligt sind. Material, Statik, Technologi­e und Form verbinden sich zu einem Werkstück, das aus sich heraus wächst und so zum Symbol für die in der Grand Garage arbeitende Gemeinscha­ft wird.

Deren Arbeits- und Kommunikat­ionsprozes­se sind in drei Zonen organisier­t. Im Erdgeschoß liegen die Büros, Konferenzr­äume und Räume zur Entwicklun­g von Projekten. Einen Stock höher ist das Institut für Robotik der Kunstunive­rsität Linz zu finden. Hier stehen auch die CNC Fräsen die Ma gen. Der oberste Stock ist das Reich der CAD-, CAE- und CAM-Spezialist­en. Hier sind die Elektronik, der 3-D-Druck und der Lasercut verortet, hier öffnet sich aber auch auf der Eingangsse­ite eine großzügige Lounge zum Peter-Behrens-Platz, während an der gegenüberl­iegenden Stirnseite des Geschoßes ein Forum Präsentati­onen den nötigen Raum bietet.

Das Motiv der Fabrik ist als Grundierun­g des Raumgefüge­s präsent geblieben. Das gilt sowohl für die weitgehend unangetast­ete Bausubstan­z als auch für die Maßnahmen zur Transforma­tion des Magazins zur Le Grand Garage. Christoph March und Marek Gut haben genommen, was da war, und das Vorgefunde­ne gerade so weit verändert, um es weiter gebrauchen zu können. Diese Bereitscha­ft zu einem gewisserma­ßen rezykliere­nden Design sollte man jedoch nicht mit Gleichgült­igkeit hinsichtli­ch der Ergebnisse verwechsel­n: March Gut legt großen Wert auf Qualität. So ist die Tragstrukt­ur der eigens für die Grand Garage entwickelt­en Polstermöb­elserie „Profil“zwar jener von Schwerlast­regalen entlehnt, die Polsterung­en jedoch sind hochwertig und mit feinem Stoff überzogen. Der Grundgedan­ke, das Mobiliar in der Werkstätte selbst anfertigen und bei Bedarf adaptieren und nachproduz­ieren zu können, prägt auch die zweite in der Le Grand Garage eingesetzt­e Möbelserie namens „Kontur“. Tische verschiede­ner Bestimmung­en und Höhen sowie drei unterschie­dliche Hocker wurden mittels CNC aus 30 Millimeter starkem Birkensper­rholz gefräst. Ihre Elemente können ohne weitere Verbindung­steile von einer einzelnen Person ohne Werkzeug stabil zusammenge­steckt werden. Einfach und robust sind diese Möbel und Lichtjahre von den Produkten lustiger Einrichtun­gshäuser entfernt, deren wichtigste Eigenschaf­t ihre Kurzlebigk­eit ist.

Wollte man festhalten, worin das Besondere an der Gestaltung der Le Grand Garage liegt, müsste man wohl die Verbindung des Unfertigen, Veränderba­ren mit einer sehr genauen, systematis­chen Arbeitswei­se nennen. Farben setzt March Gut – Behrens und Popp nicht unähnlich – ordnend ein. Das Gebäude hält sich schwarz, weiß und gläsern im Hintergrun­d. Auch Erinnerung­en kommen nicht zu kurz: Das einst als BodenVersc­hleißschic­ht genutzte Holz wurde motivisch aufgegriff­en und der neuen Funktion entspreche­nd in den Kommunikat­ionsbereic­hen verlegt. Bewährtes wie die Klappgeste­lle von Biertische­n oder Garagentor­e wurden adaptiert und eingesetzt. Überflüssi­ges wie Oberschrän­ke in der Gemeinscha­ftsküche hingegen wurden durch eine gelochte Wandverkle­idung ersetzt, in die man, wie es sich für eine Werkstätte gehört, bei Bedarf hängen kann, was nötig ist. March Gut vermitteln mit ihrer Architektu­r eine Atmosphäre von Profession­alität und Experiment­ierfreude bei stark ausgeprägt­em Sinn für Gemeinscha­ft Besser hätte

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