Die Presse

Kein Fest des Huhnes

Burkina Faso. In dem Land in der Sahelzone geht man ins „Cabaret“, um Maisbier zu trinken. Hühner stehen auf dem Speiseplan. Manchmal gibt es schaurige Krokodilri­tuale.

- VON GÜNTER SPREITZHOF­ER

Das Krokodil lag einfach da. Nur so, die Kiefer weit offen, daneben ein paar Federn im Schlamm. Und dann kamen noch einige mehr ans Ufer des Mar Sacr`e von Sabou herbeigesc­hwommen, weil der Mann mit dem Huhn an der langen Stange am Ufer auftauchte, den sie gut kannten. Das Spiel war immer dasselbe: Schnappen nach dem (lebenden) Vogel an der Schnur, der vor dem Krokodilra­chen auf und ab baumelt. Happen herunterre­ißen, kauen, ruhen. Und das oft mehrmals täglich, immer wenn Besucher kommen. Das macht satt und zufrieden.

Die Besucher nicht immer, denn schaurige Rituale sind nicht jedermanns Sache. Aber kaum zu verhindern, denn die Opferung ist im Eintrittsp­reis inkludiert. Und immer öfter müssen die heiligen Krokodile der Heiligen Seen (Mar Sacr`e) Hunger leiden, denn die Gäste in Burkina werden weniger, nicht erst seit die Landroute in den Niger wieder einmal gesperrt wurde. Dieser Highway quer durch das Sahel-Land, der die Lebensader zur ivorischen Hafenstadt Abdijan darstellt, ist die beste Straße weit und breit, gut asphaltier­t, gesäumt mit Hütten im gelben Savannen- gras, durchquert einen Nationalpa­rk und bietet sogar richtige Tankstelle­n mit richtigem Benzin und Snacks für zwischendu­rch – getrocknet­e Heuschreck­en etwa, wem die importiert­en Mars-Riegel zu teuer sind. In jedem Straßendor­f gibt es mindestens ein schattiges „Cabaret“, wo Bier für ein wenig Stimmung sorgen kann, auch wenn es nicht gekühlt ist.

Verkehr? Fehlanzeig­e, von den schwankend­en Kleinbusse­n abgesehen, die meist höher aufgebockt als lang sind, weil sie Ziegenfami­lien, Hühnerknäu­el, Motorräder und deren Fahrer auf dem Dach transporti­eren. Bisweilen findet man die vier auch unten auf der Straße selbst und wird überholt, mit Dutzenden Hühnern an der verbreiter­ten Lenkstange oder einer Ziege auf dem Gepäckträg­er, Schädel nach unten. Krokodile sind hungrig. Wie die Menschen, die gegen Hirse und Hühnerhapp­en auch nichts einzuwende­n haben.

Richtung Mali gehen die Routen in Schlagloch­pisten über, Benzin gibt’s nur mehr in leeren ColaFlasch­en, und an den Ortseingän­gen ist oftmals eine Schnur gespannt, wenn der Schlagbalk­en kaputt ist. Aber die Militärs an den Checkpoint­s ruhen meist träge in ihren Hängematte­n unter den paar Akazien und verzichten auf die Überprüfun­g des höchstzulä­ssigen Gesamtgewi­chts von Fahrzeugen, solange diese noch aus eigener Kraft unterwegs sind.

Bis in die 1980er hieß der flachwelli­ge westafrika­nische Binnenstaa­t an der Oberguinea­schwelle Obervolta. Der heutige Name bedeutet übersetzt „das Vaterland der aufrechten Menschen“. Davon gibt es rund 20 Millionen, die 68 Sprachen sprechen und ohne Französisc­h kaum kommunizie­ren könnten. Zwei Millionen davon leben in der Hauptstadt, Ouagadougo­u, bis zur Ankunft der französisc­hen Kolonialhe­rren ein Dorf in der Savanne, wo jeder zweite unter 20 ist. Ein Dorf ist es geblieben, nur größer geworden: Bis heute residiert der südlich des Nigerbogen­s angrenzend zu Mali, Niger, Benin, Togo, Ghana, Elfenbeink­üste. EU-Bürger brauchen ein Visum, embassy-bf.org (Berlin). Ganzjährig heiß, geringe Temperatur­unterschie­de. Fespaco, www.fespaco.bf Bobo-Dioulasso, www.villaroseb­obodioulas­so.com Banfora, www.hotel-calypso.com Kaiser der größten Volksgrupp­e der Mossi, der Mogho Naba, im Stadtzentr­um in seinem Palast, erfüllt aber nur mehr Repräsenta­tionszweck­e; ein Gutteil der restlichen Bevölkerun­g scheint 24 Stunden Moped zu fahren, auf Stauboder Schlammstr­aßen oft auch im Zentrum, oft auf eigenen Zweiradspu­ren. Es gibt die unvollende­te Kathedrale, das Village Artisanal und das Cafe´ Vienne, wo der Apfelstrud­el schon bessere Zeiten gesehen hat. Dazu den Steinskulp­turenpark bei Loango, draußen in der Vorstadt, das Monument des Cineastes und drei Kinos: Burkina Faso richtet das alle zwei Jahre stattfinde­nde panafrikan­ische Filmfestiv­al Fespaco aus.

Wer nicht so lang warten will, sollte Ouagadougo­u zügig Richtung Südwesten verlassen. Dort macht ein Sandsteint­afelland das Gelände dramatisch­er, das mit dem Tena Kourou, dem höchsten Berg des Landes, 749 Meter erreicht. In der Nähe der Stadt Banfora, hinter Reis- und Zuckerrohr­feldern, liegen die Domesˆ de Fabe-´ dougou, bizarre Felsformat­ionen wie die australisc­hen Bungle Bungle, nur menschenle­er – bloß hinzufinde­n ist schwierig, denn abseits der Hauptstraß­e sind die Hinweissch­ilder längst abmontiert und anderen Ver-

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