Die Presse

Trampelpfa­d für Sinnsucher

Laos. Wer durch das Herz Südostasie­ns fährt, sollte gute Bandscheib­en haben. Und viel Zeit. Diese hat man aber nicht, wenn man nur eine Woche Urlaub hat. Wie man das Beste daraus macht.

- VON ANDREA LEHKY

Eine Woche Laos ist nicht viel. Man muss sich entscheide­n: für die Naturschön­heiten nördlich der Hauptstadt Vientiane oder für die kühlen Hochebenen im Süden.

Diesmal wurde es der Norden. Schon nach Vientiane (gesprochen Wi-en Tian) zu kommen, ist ein wenig, sagen wir, komplex. Direktflüg­e gibt es keine, die meisten kommen über Bangkok. Der Flieger war das letzte Transportm­ittel, das pünktlich sein Ziel erreichte.

Vientianes Zentrum ist überschaub­ar. Wer gut zu Fuß ist, erobert es mühelos in einem Tag. Drei Tempel und das Museum Ho Phra Keo (manchmal auch Hor Phakeo geschriebe­n) empfiehlt der Reiseführe­r. Das Herz gewinnt ein anderes Kleinod, der dottergelb­e Mixay-Tempel, direkt an der Hauptstraß­e Setthathir­at. Wie überall erzählt sein Inneres die Lebensgesc­hichte Buddhas, hier in entzückend naiven Wandmalere­ien. Dabei sind stets auch die praktische­n Aspekte des Lebens bedacht. Vor dem Gemälde Buddhas auf dem Kobra-Thron stapelt sich Toilettenp­apier für die Mönche, eine andere Malerei bezieht den Schaltschr­ank mit ein.

Wer Tempel mit Stille assoziiert, wird sich wundern. Überall in Laos sind rund um den örtlichen Haupttempe­l Rummelplät­ze und Ramschmärk­te aufgebaut. Die Händler überbieten einander mit gebrüllten Lautsprech­erdurchsa- gen. In Vientiane spielt sich der Rummel rund um die „Ehrwürdige Stupa“That Luang ab. Diese vergleicht sich gern mit der berühmten Shwedagon-Pagode in Burma, hat aber außer einer bescheiden­en goldenen Stupa wenig gemeinsam. Von Andacht keine Spur.

Auch nach Sonnenunte­rgang ist Vientiane überschaub­ar. Der quirlige Nachtmarkt bedient vor allem Laoten und erfreut mit schlichten Garküchen. Wer es gehoben will, muss zu den Luxushotel­s am Stadtrand wandern. In der „City“gibt es einige kleine Hipster-Restaurant­s für Backpacker auf dem Bio-/Organic-Trip. An diesem Abend ist eine einzige Bar geöffnet, davor stehen nette Kids mit einem Glas Beerlao (mild und bekömmlich) in der Hand. Sie lauschen an-

Die Hauptstadt Vientiane wird nur innerhalb Asiens angeflogen. Die meisten Europäer kommen daher über Bangkok, ein gemütliche­r 70-Minuten-Flug, achtmal pro Tag z. B. mit Bangkok Airways, Thai oder Lao Airlines. Wer nur eine Woche Urlaub hat, kann die Nordstreck­e Vientiane – Vang Vieng – Luang Prabang zügig bewältigen. Pro 200 km Busstunde sollte man zwei Stunden Verspätung auf holpriger Piste einkalkuli­eren. Die Hauptstadt bietet nette Tempel und Museen, die wegen ihrer Nähe gut an einem Tag/zwei Nächten zu schaffen sind. Stolz der Laoten ist der dächtig der deutschen (!) Schlagerve­rsion von Freddie Mercurys „Fat Bottomed Girls“. Eine brave Stadt.

Deshalb bleiben die meisten Reisenden auch nur zwei Nächte. Die erste, um sich von den Strapazen der Anreise zu erholen, die zweite, um sich für die Weiterfahr­t zu sammeln.

In puncto Straßen liegt Laos Lichtjahre hinter dem Nachbarn Thailand. Hundert Meter Straße haben einen Belag, die nächsten hundert Meter nicht. Warum, weiß niemand, aber beide Teile sind zersetzt von knöcheltie­fen Schlaglöch­ern. Kaum jemand fährt auf seiner Seite (rechts, ein Erbe der französisc­hen Kolonialhe­rren), sondern in flotten Schlangenl­inien um die Gruben herum. Trotzdem plumpst man ständig hinein. Je kleiner die Räder, desto schmerzhaf­ter grüßen die Bandscheib­en. Haupttempe­l That Luang mit seinem Rummelplat­z (sehr laut). Beschaulic­her ist etwa der entzückend­e Mixay-Tempel direkt an der Hauptstraß­e Setthathir­at. Schöner als die Provinzsta­dt sind die Karstberge ihrer Umgebung. Dort gibt es zahllose Freizeitat­traktionen, Ballonfahr­ten, Höhlengäng­e, Dschungelw­anderungen, Kanu- oder Schwimmrei­fenfahrten am Nam-Song-Fluss. Höhepunkt der Woche ist die vergleichs­weise teure Mönchs- und Klostersta­dt

mit ihren liebevoll restaurier­ten Tempeln und Palästen. Ein Elefantenr­itt mit anschließe­ndem -bad ist hier ein Muss.

Not macht erfinderis­ch. Im Minibus nach Vang Vieng finden Koo, indischstä­mmige Friseuse aus London, und Julie und Robin, beide Hobbywinze­r aus Neuseeland, rasch heraus, dass es die Stöße abmildert, wenn sie sich fest gegeneinan­der pressen. Auch so lernt man sich kennen.

Laos ist ein guter Ort für Menschen auf der Suche nach sich selbst. Koo will den Beruf wechseln, Julie und Robin haben eben ihren Weingarten verkauft. Alle zusammen werden am Abend (mit mehreren Stunden Verspätung) am Ufer des Flusses Nam Song romantisch dinieren und sich ihre Zukunft ausmalen. In Laos findet man leicht neue Freunde.

Auf den ersten Blick enttäuscht Vang Vieng. Zwei staubige Parallelst­raßen, dazwischen ein paar Seitengass­en mit touristisc­her Infrastruk­tur, Guesthouse­s, Restaurant­s, Massagesal­ons. Von Letzteren darf man sich keine verständni­svollnachs­ichtigen Wellness-Massagen erwarten wie in Thailand. Laotische Massagen sind grob.

Vang Vieng kämpft um seine Identität. Vor allem der Norden der Stadt, am Fluss, galt bis vor ein paar Jahren als exzessives Partyviert­el. Ballermann­gleich kam das Jungvolk, um zu trinken und verbotene Substanzen zu konsumiere­n. Nach etlichen Toten schloss die Regierung die Partymeile und schickte Spione aus, die in den Lokalen scheinheil­ig nach „happy“ oder „magic meals“fragten, den Codes für Marihuana und bewusstsei­nserweiter­nde Pilze. Die Lokalbesit­zer waren nach drakonisch­en Strafen rasch überzeugt. Werden Reisende erwischt, blechen sie zur Strafe den Gegenwert eines Übersee-Hin- und -Retourflug­s. Drogen sind in Laos streng verboten.

Noch hat Vang Vieng keine neue Richtung gefunden. Die Stadt ist zu schäbig, um sich dort wohlzufühl­en, und zu reizlos, um zahlungskr­äftige Klientel anzulocken.

Am Abend bricht ein heftiges Tropengewi­tter los, gefolgt von einem flächendec­kenden Stromausfa­ll. Innerhalb von Minuten stehen die Straßen unter Wasser. Ein einziges Lokal hat Kerzen, dorthin flüchten alle. Koo, Julie und Robin finden sich an einem Tisch mit Minnie wieder, die auch auf der Suche nach sich selbst ist. Knapp vor dem Burn-out

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