Trampelpfad für Sinnsucher
Laos. Wer durch das Herz Südostasiens fährt, sollte gute Bandscheiben haben. Und viel Zeit. Diese hat man aber nicht, wenn man nur eine Woche Urlaub hat. Wie man das Beste daraus macht.
Eine Woche Laos ist nicht viel. Man muss sich entscheiden: für die Naturschönheiten nördlich der Hauptstadt Vientiane oder für die kühlen Hochebenen im Süden.
Diesmal wurde es der Norden. Schon nach Vientiane (gesprochen Wi-en Tian) zu kommen, ist ein wenig, sagen wir, komplex. Direktflüge gibt es keine, die meisten kommen über Bangkok. Der Flieger war das letzte Transportmittel, das pünktlich sein Ziel erreichte.
Vientianes Zentrum ist überschaubar. Wer gut zu Fuß ist, erobert es mühelos in einem Tag. Drei Tempel und das Museum Ho Phra Keo (manchmal auch Hor Phakeo geschrieben) empfiehlt der Reiseführer. Das Herz gewinnt ein anderes Kleinod, der dottergelbe Mixay-Tempel, direkt an der Hauptstraße Setthathirat. Wie überall erzählt sein Inneres die Lebensgeschichte Buddhas, hier in entzückend naiven Wandmalereien. Dabei sind stets auch die praktischen Aspekte des Lebens bedacht. Vor dem Gemälde Buddhas auf dem Kobra-Thron stapelt sich Toilettenpapier für die Mönche, eine andere Malerei bezieht den Schaltschrank mit ein.
Wer Tempel mit Stille assoziiert, wird sich wundern. Überall in Laos sind rund um den örtlichen Haupttempel Rummelplätze und Ramschmärkte aufgebaut. Die Händler überbieten einander mit gebrüllten Lautsprecherdurchsa- gen. In Vientiane spielt sich der Rummel rund um die „Ehrwürdige Stupa“That Luang ab. Diese vergleicht sich gern mit der berühmten Shwedagon-Pagode in Burma, hat aber außer einer bescheidenen goldenen Stupa wenig gemeinsam. Von Andacht keine Spur.
Auch nach Sonnenuntergang ist Vientiane überschaubar. Der quirlige Nachtmarkt bedient vor allem Laoten und erfreut mit schlichten Garküchen. Wer es gehoben will, muss zu den Luxushotels am Stadtrand wandern. In der „City“gibt es einige kleine Hipster-Restaurants für Backpacker auf dem Bio-/Organic-Trip. An diesem Abend ist eine einzige Bar geöffnet, davor stehen nette Kids mit einem Glas Beerlao (mild und bekömmlich) in der Hand. Sie lauschen an-
Die Hauptstadt Vientiane wird nur innerhalb Asiens angeflogen. Die meisten Europäer kommen daher über Bangkok, ein gemütlicher 70-Minuten-Flug, achtmal pro Tag z. B. mit Bangkok Airways, Thai oder Lao Airlines. Wer nur eine Woche Urlaub hat, kann die Nordstrecke Vientiane – Vang Vieng – Luang Prabang zügig bewältigen. Pro 200 km Busstunde sollte man zwei Stunden Verspätung auf holpriger Piste einkalkulieren. Die Hauptstadt bietet nette Tempel und Museen, die wegen ihrer Nähe gut an einem Tag/zwei Nächten zu schaffen sind. Stolz der Laoten ist der dächtig der deutschen (!) Schlagerversion von Freddie Mercurys „Fat Bottomed Girls“. Eine brave Stadt.
Deshalb bleiben die meisten Reisenden auch nur zwei Nächte. Die erste, um sich von den Strapazen der Anreise zu erholen, die zweite, um sich für die Weiterfahrt zu sammeln.
In puncto Straßen liegt Laos Lichtjahre hinter dem Nachbarn Thailand. Hundert Meter Straße haben einen Belag, die nächsten hundert Meter nicht. Warum, weiß niemand, aber beide Teile sind zersetzt von knöcheltiefen Schlaglöchern. Kaum jemand fährt auf seiner Seite (rechts, ein Erbe der französischen Kolonialherren), sondern in flotten Schlangenlinien um die Gruben herum. Trotzdem plumpst man ständig hinein. Je kleiner die Räder, desto schmerzhafter grüßen die Bandscheiben. Haupttempel That Luang mit seinem Rummelplatz (sehr laut). Beschaulicher ist etwa der entzückende Mixay-Tempel direkt an der Hauptstraße Setthathirat. Schöner als die Provinzstadt sind die Karstberge ihrer Umgebung. Dort gibt es zahllose Freizeitattraktionen, Ballonfahrten, Höhlengänge, Dschungelwanderungen, Kanu- oder Schwimmreifenfahrten am Nam-Song-Fluss. Höhepunkt der Woche ist die vergleichsweise teure Mönchs- und Klosterstadt
mit ihren liebevoll restaurierten Tempeln und Palästen. Ein Elefantenritt mit anschließendem -bad ist hier ein Muss.
Not macht erfinderisch. Im Minibus nach Vang Vieng finden Koo, indischstämmige Friseuse aus London, und Julie und Robin, beide Hobbywinzer aus Neuseeland, rasch heraus, dass es die Stöße abmildert, wenn sie sich fest gegeneinander pressen. Auch so lernt man sich kennen.
Laos ist ein guter Ort für Menschen auf der Suche nach sich selbst. Koo will den Beruf wechseln, Julie und Robin haben eben ihren Weingarten verkauft. Alle zusammen werden am Abend (mit mehreren Stunden Verspätung) am Ufer des Flusses Nam Song romantisch dinieren und sich ihre Zukunft ausmalen. In Laos findet man leicht neue Freunde.
Auf den ersten Blick enttäuscht Vang Vieng. Zwei staubige Parallelstraßen, dazwischen ein paar Seitengassen mit touristischer Infrastruktur, Guesthouses, Restaurants, Massagesalons. Von Letzteren darf man sich keine verständnisvollnachsichtigen Wellness-Massagen erwarten wie in Thailand. Laotische Massagen sind grob.
Vang Vieng kämpft um seine Identität. Vor allem der Norden der Stadt, am Fluss, galt bis vor ein paar Jahren als exzessives Partyviertel. Ballermanngleich kam das Jungvolk, um zu trinken und verbotene Substanzen zu konsumieren. Nach etlichen Toten schloss die Regierung die Partymeile und schickte Spione aus, die in den Lokalen scheinheilig nach „happy“ oder „magic meals“fragten, den Codes für Marihuana und bewusstseinserweiternde Pilze. Die Lokalbesitzer waren nach drakonischen Strafen rasch überzeugt. Werden Reisende erwischt, blechen sie zur Strafe den Gegenwert eines Übersee-Hin- und -Retourflugs. Drogen sind in Laos streng verboten.
Noch hat Vang Vieng keine neue Richtung gefunden. Die Stadt ist zu schäbig, um sich dort wohlzufühlen, und zu reizlos, um zahlungskräftige Klientel anzulocken.
Am Abend bricht ein heftiges Tropengewitter los, gefolgt von einem flächendeckenden Stromausfall. Innerhalb von Minuten stehen die Straßen unter Wasser. Ein einziges Lokal hat Kerzen, dorthin flüchten alle. Koo, Julie und Robin finden sich an einem Tisch mit Minnie wieder, die auch auf der Suche nach sich selbst ist. Knapp vor dem Burn-out