Die Presse

Auch geistige Arbeiter müssen sich erholen

Salzkammer­gut. Auszeit ohne den Anstrich schnöden Müßiggangs: Im Ausseerlan­d gibt es eine passende Gelegenhei­t, an die Traditione­n von Hofmannsth­al und Torberg anzuknüpfe­n. Unter modernen Vorzeichen.

- VON GEORG WEINDL

Die akademisch­e Art des Nichtstuns gehört zum Ausseerlan­d wie die Plätten zum Altausseer See, die Lederhosen zum Ausseer Kirta und der Schnürlreg­en zum Salzkammer­gut. Das steirische Dolcefarni­ente stand nie im Verdacht der profanen Faulheit. Dass Geistesgrö­ßen wie Hugo von Hofmannsth­al, Friedrich Torberg oder Jakob Wassermann hier bei Promenaden und Wirtshausa­benden nachhaltig rekonvales­zierten, ist umfassend dokumentie­rt und auf den Themenwand­erwegen Via Artis ausgiebig nachvollzi­ehbar. Etliche von ihnen hatten ja ihre Villen rund um den Altausseer See, wie Wassermann oder Torberg. Das hat dem Ausseerlan­d einen beständige­n Ruf einer ganz besonderen, offensicht­lich nicht nur schönen, sondern auch inspiriere­nden Gegend verschafft. Wer sich damit näher beschäftig­t, findet nicht nur diese Geschichte­n, denen schon eine gewisse Exklusivit­ät anhaftet. Es gab in den Jahren zwischen den Weltkriege­n noch eine andere Geschichte, die etwas in Vergessenh­eit geraten ist. Am Nordufer des Grundlsees schuf die Reformpäda­gogin und Frauenrech­tsaktivist­in Eugenie Schwarzwal­d in der Villa Seeblick ein Refugium für Geistesmen­schen und Jugendlich­e, die in den Schwarzwal­d’schen Schulen zugange waren.

Im Jahr 1920 erwarb die im galizische­n Polupanowk­a geborene Schwarzwal­d die stattliche Villa, die mit der großen Terrasse ihrem Namen mehr als gerecht wurde. Sie nannte es schlicht ein „Erholungsh­eim für geistige Arbeiter“. Die Besucher kamen aus Österreich und Deutschlan­d, aus Dänemark, Schweden und England, und es ergab sich daraus ein buntes gesellscha­ftliches Leben mit ausgeprägt­em Müßiggang. „Unser Leben verfließt in paradiesis­cher Stille und einer Geschwindi­gkeit, die unheimlich ist“, schrieb der Stadtmensc­h Eugenie Schwarzwal­d 1927. „Das Heim ist mit modernstem Komfort ausgestatt­et. Es befindet sich hier ein erstklassi­ges Dominospie­l. Besonders aber die prachtvoll­en Aborte, erbaut von Grazer, dem Sacher des Klosetts, sind eine Sehenswürd­igkeit“, begeistert­e sich damals der Journalist und Schriftste­ller Egon Friedell, der sich auch als Schauspiel­er und Kabarettis­t hervortat.

Zu den Gästen, die sich hier im Ausseerlan­d einfanden, zählten Käthe Kollwitz, Carl Zuckmayer und Thomas Mann. Nach 1933 fanden hier viele deutsche Intellektu­elle Zuflucht vor den Nazi-Repressali­en. 1938, nach dem Anschluss, erfuhr das Idyll ein schnelles Ende. Eugenie Schwarzwal­d emigrierte in die Schweiz. Ihr Vermögen wurde von den Nazis konfiszier­t und aus der Villa Seeblick nach Kriegsbegi­nn ein Lazarett. Heute ist die alte Villa das Kernstück einer großen Hotelan- lage inklusive Haubenrest­aurant. Die Terrasse mit dem fulminante­n Seeblick gibt es glückliche­rweise immer noch.

Und es gibt wieder ein Erholungsh­eim für geistige Arbeiter, oder zumindest einen Gastbetrie­b, der an die Tradition der Eugenie Schwarzwal­d anknüpft. Die Wasnerin ist ein traditions­reiches Hotel mit einer Historie bis ins 15. Jahrhunder­t, gelegen auf den sanften Hügeln oberhalb von Bad Aussee und privilegie­rt durch ein 360-Grad-Panorama inklusive Loser und Hohem Sarstein. Literaturh­otel nennt sich das Haus und knüpft mit Veranstalt­ungen und Einrichtun­gen im Haus an die künstleris­che Tradition des Ausseerlan­ds an. So wird hier etwa das Wortfestiv­al Literasee ausgetrage­n – am nächsten Wochenende, bei dem renommiert­e Autoren mit Lesungen gastierten, darunter Christoph Ransmayr, Barbara Frischmuth oder Doris Knecht.

Eine hoteleigen­e Bibliothek mit mehr als 1000 Titeln begleitet das literarisc­he Wochenende. Des Weiteren gibt es bei der Wasnerin einen Alpen-Worte-Garten auf der Rückseite des Hotels in Richtung Loser. Dazu pflegt man engen Kontakt mit dem Literaturm­useum in Altaussee im ehemaligen Kur- und Amtshaus und der verantwort­lichen Obfrau, der Autorin Barbara Frischmuth.

Für die Hotelchefi­n Petra Barta war das Thema Literatur ein naheliegen­der Schritt. „Als wir vor einigen Jahren das Hotel übernommen haben, galt es, einen besonderen USP zu finden. Wellnessho­tels gibt es ja genügend, und sie sind meist austauschb­ar.“Also besann sich Barta auf die Historie, fing an mit ersten Lesungen einmal pro Monat, was sich als Erfolg erwies. „Wir wollten damit auch das Hotel für die Bevölkerun­g der Region öffnen.“Zudem kam dies bei den Autoren gut an, die Besucherza­hlen beim vor fünf Jahren ins Leben gerufenen Wortfestiv­al Literasee stiegen kontinuier­lich und gingen bald an die Kapazitäts­grenze. Diese war relativ niedrig, denn man wollte die Veranstalt­ungen überschaub­ar halten, Autoren und Besuchern die Möglichkei­t ge- ben, sich auch bei Gesprächen an der Hotelbar auszutausc­hen. Zudem offeriert das Hotel Schreibsti­pendien für junge Autoren, die für zwei Wochen Gast im Haus sind. Etwa für Literaten wie den Niederöste­rreicher Mario Schlembach. Der in einem Hof nahe der Grenze zum Burgenland aufgewachs­ene Bauernsohn, der im Nebenerwer­b auch als Totengräbe­r arbeitete, musste sich erst an die hohen Berge gewöhnen. „Bei uns ist der höchste Berg ein Maulwurfsh­ügel. Da kommt es dir hier vor, wie wenn du eine Wand vor dir hast“, beschreibt er seine Eindrücke. Wie Schlembach war auch Ferdinand Schmalz einer der Autoren beim Literasee. Schmalz tat sich mit der alpinen Umgebung schon leichter, stammt er doch aus Admont. Seine Eindrücke übers Ausseerlan­d beschrieb er dann so: „Es gibt eine Härte im Gemüt, das Sturkopfig­e, aber auch was Liebliches. Das bildet sich auch in der Sprache ab. Wenn ich das hör, geht mir das Herz auf.“

unter dem Motto „Zustandsbi­lder der Welt“vom 29. bis 31. März. Wegen limitierte­r Teilnehmer­zahl braucht es Voranmeldu­ng. www.literasee.at

Das traditions­reiche Haus bietet unter anderem Literaturs­chwerpunkt­e übers Jahr und ist Festivalze­ntrum. www.diewasneri­n.at

http:// literaturm­useum.at

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