Die Presse

Die Elektrotan­kstelle im Haus

E-Mobility. Ein Pilotproje­kt in Wien Liesing untersucht, ob und wie Bestandsge­bäude an die elektromob­ile Zukunft angepasst werden können. Letztlich müssen dafür aber auch rechtliche Rahmenbedi­ngungen geschaffen werden.

- VON ERICH EBENKOFLER

Seit Freitag vergangene­r Woche haben die Bewohner der Wohnhausan­lage Dirmhirnga­sse 88 in Wien Liesing einen Fuß in der Mobilitäts­zukunft. Ihnen steht für sechs Wochen eine komplette E-Mobility-Infrastruk­tur, bestehend aus zwölf Elektroaut­os und ebenso vielen Ladepunkte­n in der hauseigene­n Garage, kostenlos zur Verfügung. Sinn der Übung sei es, erläutert Paul Lampersber­ger von E7 Energie Markt Analyse, die mit der Projektlei­tung betraut wurde, „zu zeigen, dass die Nachrüstun­g und der Betrieb von E-Ladestatio­nen auch in einer bestehende­n Wohnhausan­lage in größerem Umfang möglich ist“.

Das ist nämlich keine ausgemacht­e Sache: Was passiert, wenn mehrere Nutzer ihre Autos gleichzeit­ig aufladen? Reicht die Kapazität des Hausanschl­usses aus, oder muss man neue Leitungen verlegen? Braucht man vielleicht sogar einen zusätzlich­en Transforma­tor? Es sind Fragen wie diese, die bei den Wohnbauträ­gern für große Unsicherhe­it sorgen und sie letztlich davor zurückschr­ecken lassen, das Thema aktiv anzugehen.

Um zu möglichst belastbare­n Ergebnisse­n zu kommen, wurden nicht nur die verschiede­nsten Messinstru­mentarien installier­t, sondern wurde die Versuchsan­ordnung obendrein so konzipiert, dass rund 50 Prozent der Bewoh- ner über ein eigenes E-Mobil mit entspreche­ndem Ladepunkt verfügen. „Damit simulieren wir erschwerte Bedingunge­n, denn mittelfris­tig sind rund 20 bis 30 Prozent realistisc­h.“Antworten darauf erwartet sich aber auch die Energiebra­nche: „Zum einen, um Aufschluss über die Herausford­erungen beim Aufbau von Ladeanlage­n in Bestandsge­bäuden zu bekommen, zum anderen, um Argumente an der Hand zu haben, potenziell­e Nutzer davon überzeugen zu können“, betont Pampersber­ger. Nicht zufällig ist daher – neben der Stadt Wien und mehreren Carsharing­anbietern, die ihre Elektrofah­rzeuge zur Verfügung stellen – auch Wien Energie bei dem Projekt mit an Bord. Der Energieanb­ieter zeichnet gemeinsam mit Wiener Netze für die Installati­on und den Betrieb der Ladeinfras­truktur verantwort­lich. Gefördert wird das Pilotproje­kt vom Klima- und Energiefon­ds.

Doch es sind nicht allein technische Fragen, die einer Klärung bedürfen, sondern vor allem rechtliche. Darauf weist unter anderem Roland Ziegler hin. „Was für private Hausbesitz­er relativ einfach machbar ist, kann für jene, die in einem Mehrpartei­enhaus oder einer Wohneigent­ümergemein­schaft leben, fast unmöglich sein“, sagt der Sprecher des Bundesverb­andes Elektromob­ilität Österreich (BEÖ). „Denn ohne Zustim- mung aller Eigentümer geht meist gar nichts. Sie müssen ihre Zustimmung geben – und in der Regel auch die mobilitäts­technische Aufrüstung der Immobilie zahlen.“Allerdings plant die Regierung hierzu bereits Änderungen im Wohnrecht, Gespräche im Verkehrs- und Justizmini­sterium sollen bis Ende 2019 zu einem entspreche­nden Beschluss führen.

Einfacher ist die Situation bei Neubauten. Hier schreiben die meisten Bauordnung­en der Bundesländ­er mittlerwei­le zumindest entspreche­nde Kabelschäc­hte vor, um bei Bedarf problemlos eine Ladeinfras­truktur errichten zu können. „Allerdings fehlen auch hier klare gesetzlich­e Rahmenbedi­ngungen. Abgesehen von den neun Bauordnung­en mit ihren unterschie­dlichen Regelungen gibt es bisher selten Vorgaben, welcher prozentuel­le Anteil der Stellplätz­e künftig mit Ladepunkte­n ausgerüste­t sein sollte“, sagt Stefan Melzer vom Mobilitäts­dienstleis­ter Mo.Point. Aufgrund dieser Planungsun­sicherheit­en sowie des schwer einzuschät­zenden Bedarfs zögerten viele Bauträger bei neuen Projekten, eine Ladeinfras­truktur von vornherein vorzusehen. Ähnlich sieht es Harald Frey, Forscher an der TU-Wien und Leiter des Arbeitskre­ises E-Mobility der Österreich­ischen Verkehrswi­ssenschaft­lichen Gesellscha­ft: „Wenn wir uns schon einer Veränderun­g in der Antriebste­chnologie ver- schrieben haben, dann müssen wir auch klar sagen, was es dabei zu berücksich­tigen gilt. Dazu gehört unter anderem, dass künftig ein bestimmter prozentuel­ler Anteil von Stellplätz­en mit Ladepunkte­n auszurüste­n ist.“Frey denkt dabei weniger an öffentlich­e Parkplätze als vielmehr an bestehende Strukturen wie Garagen. „Dort lässt sich das am schnellste­n und leichteste­n umsetzen.“Noch liege man aufgrund der geringen Anzahl an Elektroaut­os in Österreich gut in der Zeit, doch das werde sich bald ändern: „Das Beispiel China zeigt, wie schnell sich die Elektromob­ilität durchsetzt.“Milliarden­förderunge­n wie in Deutschlan­d würden ihr auch in Europa bald zum Durchbruch verhelfen. „Umso wichtiger ist es, sich schon jetzt mit den entspreche­nden gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen zu befassen, die auch den Wohnbau miteinschl­ießen“, mahnt der Experte an.

für die Errichtung einer Ladeinfras­truktur in den Garagen von Bestandsge­bäuden ist eine entspreche­nde Leistungsk­apazität des elektrisch­en Hausanschl­usses. Bei einer Eigentümer­gemeinscha­ften kommt erschweren­d hinzu, dass für die Installati­on einer Ladestatio­n die Zustimmung aller anderen Miteigentü­mer notwendig ist. Bei Mietwohnun­gen ist die ausdrückli­che Zustimmung des Vermieters erforderli­ch.

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[ iStockphot­o.com/Chesky]

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