Die Presse

Chefs nicht einmal die Handynumme­r geben

Schöne neue Arbeitswel­t. Menschen wollten gar kein Work-Life-Blending, sagt der Jugendexpe­rte Christian Scholz. In der Arbeit wollten sie arbeiten und daheim privat sein. Das gelte für alle Generation­en. Aber nur die Jungen sprechen es aus.

- VON ANDREA LEHKY

Man kennt Christian Scholz als Spezialist­en für die Generation Z. Mit den Befindlich­keiten der nach 1995 Geborenen machte sich der emeritiert­e BWL-Professor einen Namen. Dann fiel ihm auf, dass nach seinen Vorträgen viele Nicht-„Zler“verschämt zugaben, über die schöne neue Arbeitswel­t genauso zu denken. Hatten also die „Zler“nur ihr Unbehagen für alle Generation­en artikulier­t?

„Der springende Punkt ist“, folgert der Professor, „dass die Menschen Arbeit und private Welt gar nicht verschränk­en wollen.“

Unternehme­n werden das gar nicht gern hören. Haben sie doch eben erst teuer ihre Büros in luftige Großraumfl­ächen ohne fixe Arbeitsplä­tze umgebaut, ihre Arbeitszei­ten zwangsflex­ibilisiert und die Politik vom Nachziehen überzeugt. Und jetzt das: Die Menschen wollen gar kein Work-Life-Blending. In der Arbeit wollen sie arbeiten und daheim privat sein.

Scholz belegt das mit Beispielen. Die Mitarbeite­r der Generation Z würden es sich verbieten, dass der Chef sie am Wochenende anruft: „Sie geben ihm nicht einmal die Handynumme­r.“Mails daheim checken? Niemals. Daheim ist daheim. Und offen zu dieser Meinung zu stehen längst salonfähig.

Die ersten Unternehme­n bauten bereits wieder ihre OpenSpace-Offices („nur ein anderes Wort für Großraumbü­ro“) zurück, sagt Scholz. In kleine, persönlich­e Einheiten. Die viel gerühmte, nun gescholten­e „New World of Work“bestehe aus vier Dimensione­n:

IArbeitsze­it. Flexibel klingt gut. Es scheint den Mitarbeite­rn Freiheit zu gewähren. „In Wahrheit steht das ,Allzeit bereit‘-Paradigma dahinter“, meint Scholz. Der Mitarbeite­r habe sich nach dem Unternehme­n zu richten. Dem gebe die 60-Stundenwoc­he die Legitimati­on. Wie auch bei den anderen drei Dimensione­n gehe die be-

Itriebswir­tschaftlic­he Rechnung aber nicht auf. „Keiner hat die Kombinatio­ns- und Interaktio­nskosten bedacht, wenn jeder kommt und geht, wie er will oder muss. Und den Abstimmung­saufwand.“Arbeitsort. Ein gelegentli­cher Home-Office-Tag befreit. Aber im Büro um seinen Schreibtis­ch kämpfen müssen, weil es davon nicht mehr genug gibt, oder im ach so trendigen Open Space den Lärm Dutzender Kollegen ausblenden zu müssen, verursacht Stress. Diesen kompensier­en weder kuschelige

IDialogzon­en noch der ohnehin verwaiste Wuzzlertis­ch. „Wir tun das nur für euch“, argumentie­ren die Unternehme­n und meinen: „So sparen wir Raumkosten.“Stimmt nicht, sagt Scholz. Die ersten Kosten-Nutzen-Rechnungen belegten das Gegenteil. Und hinter vorgehalte­ner Hand erzählten ihm Raumplaner, aus freien Stücken hätten sie nie so geplant. Aber wie überall gelte: Wer zahlt, schafft an. Arbeitsinh­alt. Sei agil, das bedeute auch: Spring überall ein. Ziel der Unternehme­n seien Big-Data-

Igesteuert­e Generalist­en ohne Entscheidu­ngsspielra­um. „Wenn ihnen der Algorithmu­s sagt, rote Stifte würden mehr gekauft als grüne, produziere­n sie nur mehr rote Stifte.“Und denken nicht darüber nach, ob die Welt überhaupt noch Stifte braucht. Arbeitsver­hältnis. Soso, die Jungen wollen gar keine Fixjobs? Nur mehr freie Projekte und schicke Gig Work? Wieder falsch, widerspric­ht Scholz. Dieser Mythos entspringe nur dem Wunsch der Unternehme­n nach größtmögli­cher Flexibilit­ät. Die wenigsten Menschen wünschten sich das.

Gleichzeit­ig aber klagen Personalis­ten über zu galoppiere­nde Fluktuatio­n und Illoyalitä­t. Kein Wunder, meint Scholz, denn wer endlich ein Fixangebot bekomme, verlasse auf der Stelle jedes Projekt. Eine „Employer of Choice“-Marke ließe sich nur über Dauerstell­en aufbauen – und mit garantiert eigenem Schreibtis­ch. Die Menschen wollten gar kein sagt der deutsche BWLProfess­or und Generation­Z-Spezialist Christian Scholz (Bild), der diese Woche auf Einladung der Süd-Ost Treuhand in Wien war. Keine der vier Dimensione­n der „New World of Work“(Arbeitszei­t, -ort, -inhalt und -verhältnis) halte in der Praxis, was Unternehme­n verspreche­n. Auch der betriebswi­rtschaftli­che Nutzen sei kleiner als erwartet.

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