Chefs nicht einmal die Handynummer geben
Schöne neue Arbeitswelt. Menschen wollten gar kein Work-Life-Blending, sagt der Jugendexperte Christian Scholz. In der Arbeit wollten sie arbeiten und daheim privat sein. Das gelte für alle Generationen. Aber nur die Jungen sprechen es aus.
Man kennt Christian Scholz als Spezialisten für die Generation Z. Mit den Befindlichkeiten der nach 1995 Geborenen machte sich der emeritierte BWL-Professor einen Namen. Dann fiel ihm auf, dass nach seinen Vorträgen viele Nicht-„Zler“verschämt zugaben, über die schöne neue Arbeitswelt genauso zu denken. Hatten also die „Zler“nur ihr Unbehagen für alle Generationen artikuliert?
„Der springende Punkt ist“, folgert der Professor, „dass die Menschen Arbeit und private Welt gar nicht verschränken wollen.“
Unternehmen werden das gar nicht gern hören. Haben sie doch eben erst teuer ihre Büros in luftige Großraumflächen ohne fixe Arbeitsplätze umgebaut, ihre Arbeitszeiten zwangsflexibilisiert und die Politik vom Nachziehen überzeugt. Und jetzt das: Die Menschen wollen gar kein Work-Life-Blending. In der Arbeit wollen sie arbeiten und daheim privat sein.
Scholz belegt das mit Beispielen. Die Mitarbeiter der Generation Z würden es sich verbieten, dass der Chef sie am Wochenende anruft: „Sie geben ihm nicht einmal die Handynummer.“Mails daheim checken? Niemals. Daheim ist daheim. Und offen zu dieser Meinung zu stehen längst salonfähig.
Die ersten Unternehmen bauten bereits wieder ihre OpenSpace-Offices („nur ein anderes Wort für Großraumbüro“) zurück, sagt Scholz. In kleine, persönliche Einheiten. Die viel gerühmte, nun gescholtene „New World of Work“bestehe aus vier Dimensionen:
IArbeitszeit. Flexibel klingt gut. Es scheint den Mitarbeitern Freiheit zu gewähren. „In Wahrheit steht das ,Allzeit bereit‘-Paradigma dahinter“, meint Scholz. Der Mitarbeiter habe sich nach dem Unternehmen zu richten. Dem gebe die 60-Stundenwoche die Legitimation. Wie auch bei den anderen drei Dimensionen gehe die be-
Itriebswirtschaftliche Rechnung aber nicht auf. „Keiner hat die Kombinations- und Interaktionskosten bedacht, wenn jeder kommt und geht, wie er will oder muss. Und den Abstimmungsaufwand.“Arbeitsort. Ein gelegentlicher Home-Office-Tag befreit. Aber im Büro um seinen Schreibtisch kämpfen müssen, weil es davon nicht mehr genug gibt, oder im ach so trendigen Open Space den Lärm Dutzender Kollegen ausblenden zu müssen, verursacht Stress. Diesen kompensieren weder kuschelige
IDialogzonen noch der ohnehin verwaiste Wuzzlertisch. „Wir tun das nur für euch“, argumentieren die Unternehmen und meinen: „So sparen wir Raumkosten.“Stimmt nicht, sagt Scholz. Die ersten Kosten-Nutzen-Rechnungen belegten das Gegenteil. Und hinter vorgehaltener Hand erzählten ihm Raumplaner, aus freien Stücken hätten sie nie so geplant. Aber wie überall gelte: Wer zahlt, schafft an. Arbeitsinhalt. Sei agil, das bedeute auch: Spring überall ein. Ziel der Unternehmen seien Big-Data-
Igesteuerte Generalisten ohne Entscheidungsspielraum. „Wenn ihnen der Algorithmus sagt, rote Stifte würden mehr gekauft als grüne, produzieren sie nur mehr rote Stifte.“Und denken nicht darüber nach, ob die Welt überhaupt noch Stifte braucht. Arbeitsverhältnis. Soso, die Jungen wollen gar keine Fixjobs? Nur mehr freie Projekte und schicke Gig Work? Wieder falsch, widerspricht Scholz. Dieser Mythos entspringe nur dem Wunsch der Unternehmen nach größtmöglicher Flexibilität. Die wenigsten Menschen wünschten sich das.
Gleichzeitig aber klagen Personalisten über zu galoppierende Fluktuation und Illoyalität. Kein Wunder, meint Scholz, denn wer endlich ein Fixangebot bekomme, verlasse auf der Stelle jedes Projekt. Eine „Employer of Choice“-Marke ließe sich nur über Dauerstellen aufbauen – und mit garantiert eigenem Schreibtisch. Die Menschen wollten gar kein sagt der deutsche BWLProfessor und GenerationZ-Spezialist Christian Scholz (Bild), der diese Woche auf Einladung der Süd-Ost Treuhand in Wien war. Keine der vier Dimensionen der „New World of Work“(Arbeitszeit, -ort, -inhalt und -verhältnis) halte in der Praxis, was Unternehmen versprechen. Auch der betriebswirtschaftliche Nutzen sei kleiner als erwartet.