Die zwanghafte Liebe zur Arbeit
Hustle-Kultur. Die Fetischisierung langer Arbeitszeiten und die Identifikation mit dem eigenen Beruf haben sich zur Instagram-tauglichen Kultur junger Unternehmer entwickelt.
Rund 18 Millionen Suchergebnisse findet man unter dem Hashtag hustle auf Instagram. Zumeist sind es Motivationssprüche, die zu mehr Arbeit und weniger Schlaf anspornen. Direkt übersetzt bedeutet hustle nichts anderes als „hart arbeiten“. In den Achtzigern und Neunzigern stand das Wort für kriminelle Straßenarbeit, soll heißen: Drogen dealen und Prostitution. Erst im letzten Jahrzehnt hat sich der Begriff beinahe religiösen Status erarbeitet in einer Bevölkerungsgruppe, die der Straße nicht ferner sein könnte.
Junge, urbane, gut ausgebildete Unternehmer, Start-up-Gründer, die High Performer unter den Millennials, die sich in Coworking Spaces zum Netzwerken treffen und 80 Wochenstunden Arbeit ostentativ via Instagram dokumentieren, sind die Anhänger dieses Kults. Während das Phänomen in den USA seinen Ursprung findet, ist Jugendkulturforscher Philipp Ikrath davon überzeugt, dass es auch in Österreich längst angekommen ist. „Im Unterschied zu den Yuppies der Achtzigerjahre, die für Geld und den entsprechenden Lebensstil viel arbeiteten, geht es heute darum, sich mit dem Beruf zu identifizieren. Man muss lieben, was man macht.“Außerdem komme ein performatives Element dazu: Es gehe nicht nur um Leistung, sondern auch darum, sie gut zu verkaufen.
Dass das Thema „Hustle“tatsächlich auch hier angekommen ist, zeigte sich beim 68. AustrianStart-ups-Stammtisch diese Woche in Wien, bei dem über „Hustle Culture vs. Work-Life-Balance“diskutiert wurde. Die Gäste, viele selbst erfolgreiche Start-up-Gründer, erkennen sich in der Hustle-Kultur wieder. Einer davon ist Dejan Jovicevic, CEO der Start-up-Plattform Brutkasten. Für ihn ist „Hustle“eine Einstellungssache: „Es geht nicht um die Zeit, die ich investiere, sondern um einen bestimmten Arbeitsethos. Besonders, wenn man eine Firma gründen will, sehe ich keine Alternative zu extrem langen Arbeitszeiten.“
Die Diskussion beim Stammtisch drehte sich stark um den Balanceakt zwischen Arbeit und Privatleben. Auf die Frage, wie man erkenne, wann es mit der Arbeit zu viel sei, sagt Jovicevic: „Davor habe ich auch Angst. Da kann ich nur jedem raten, auf den eigenen Körper zu hören.“
Auch Alexis Ohanian, Gründer der Social-News-Website Reddit, macht auf die Nachteile der Hustle-Kultur aufmerksam. Beim letzten Web Summit in Lissabon bezeichnete er „Hustle Porn“oder die Fetischi- sierung extrem langer Arbeitszeiten als einen der gefährlichsten Trends im Technologiebereich. Er selbst litt an Depressionen, als er Reddit gründete, aber anstatt sich um seine Gesundheit zu kümmern, konzentrierte er sich auf seine Arbeit.
„Wir leben“, sagt Sozialforscher Ikrath, „in einer auf Leistung getrimmten Kultur. Die HustleKultur fordert ein totales Hintanstellen aller anderen Lebensbereiche. Ich glaube ja, dass der Ruf nach Work-Life-Balance immer lauter wird, weil sie als bedroht angesehen wird.“