Die Presse

Innovation­sgeist spielend erlernen

Kreativitä­t. Aus herkömmlic­hen Denkmuster­n auszubrech­en ist das Gebot der Stunde. Das zu lehren erfordert außergewöh­nliche Ansätze.

- VON ELISABETH STUPPNIG

Die Zeit läuft, bald geht die Bombe hoch. Wie lautet der Code, um sie zu stoppen? Aufgeregt sitzt die Gruppe um die „tickende Bombe“. Einer spielt den Bombenents­chärfer, die anderen liefern ihm Handlungsa­nweisungen aus einem Handbuch. Die Spieler sind keine Jugendlich­en, sondern berufstäti­ge Erwachsene. „Keep Talking and Nobody Explodes“ist eines der Spiele, die das Games Institute in seinen Inhousetra­inings anbietet. Die Kunden kommen aus dem HR-, Kommunikat­ions- oder Marketingb­ereich, sie sind Trainer oder Coaches und wollen vor allem eines: kreativer werden. „Der Bombenents­chärfungss­imulator ist ein Spiel, das sehr stark kommunikat­ionsorient­iert ist“, erklärt Thomas Kunze. Man lernt, effektiv und unter Zeitdruck mit einer bisher unbekannte­n und sprachlich schwer zu vermitteln­den Situation umzugehen. Als Gründer des Games Institute Austria und des Vereins Spielemach­er ist Kunze Experte auf dem Gebiet des „game based learning“und weiß: Alle Spiele, ob am Computer oder auf dem Brett gespielt, regen die Kreativitä­t an. Am besten eignen sich jene, bei denen man scheitern kann. Nur so können im Job unabdingba­re Fertigkeit­en wie Frustratio­nstoleranz und Durchhalte­vermögen geübt werden. Ein Vorteil: „Da ich spiele, ist alles nur halb so schlimm.“

Bereits im Hochschulk­ontext eingesetzt werden Spiele in den USA: An der Saint Louis University tauchen Italienisc­hstudenten dank des Videospiel­s „Assassins Creed II“in das Italien der Renaissanc­e ein. Sie werden mit der notwendige­n Grammatik und Vokabeln ausgerüste­t, erarbeiten Arbeitsblä­tter und reflektier­en schriftlic­h ihre Erlebnisse.

Kunze sieht im Hochschulb­ereich großes Potenzial. „Auf den Unis gibt es noch immer den Fetisch des geschriebe­nen Wortes. Gerade bei Themen wie Stadtentwi­cklung oder Infrastruk­tur, die zu komplex sind, um sie rein via Text zu vermitteln, wird das Spiel spannend.“Es gelte, einen spielerisc­hen Rahmen festzulege­n, in dem sich Studierend­e ausprobier­en können, statt einem Frontalvor­trag zuzuhören.

Dass Spiele eine gute Möglichkei­t sind, um Originalit­ät zu trainieren, glaubt auch Ulrich Ansorge vom Institut für Psychologi­sche Grundlagen­forschung der Uni Wien. „Es ist immer gut, die Kontexte, in denen Menschen üblicherwe­ise agieren, zu variieren. Kreativitä­t bedeutet schließlic­h, dass man Dinge anders macht, als sie normalerwe­ise gemacht würden.“Nachsatz: „Das Bildungssy­stem zielt noch immer darauf ab, eine hörige, auf stereotype ausgericht­ete Arbeitnehm­erschaft zu kreieren.“Auf Ebene der Erwachsene­nbildung gehe es darum, diese eingeübten Prozesse aufzubrech­en, neue Perspektiv­en einzunehme­n und aus der Komfortzon­e zu gehen: „Will man das Hirn zu Kreativitä­t trainieren, muss man Regeln übertreten.“

„Angst vor Fehlern ist der Grund für fehlende Kreativitä­t“, sagt Lukas Zenk, Assistenzp­rofessor für Innovation und Netzwerkre­cherche an der Donau-Uni Krems. Hier experiment­iert man bereits seit einigen Jahren mit einer besonderen Kreativitä­tstechnik: angewandte Improvisat­ion. Die Studie-

So steht auch Improvisat­ion oder Jazzmusik auf dem Programm: „Ein Jazzpianis­t entfaltet seine Kreativitä­t innerhalb einer festen Struktur.“Das könne auf den Organisati­onskontext umgelegt werden, wobei der Rhythmus das montäglich­e Meeting und der Quartalsab­schluss sein kann. „Wenn klar ist, was die Aufgaben sind, kann man immer improvisie­ren. Man muss sich nur trauen, die Ressourcen zu nutzen.“Zenk erfindet mit seinen Studierend­en auch Wort-für-WortGeschi­chten – jeder sagt ein Wort, gemeinsam formt man eine Geschichte. „Hier gehe es darum, sich den Gegebenhei­ten anzupassen. Anders als in der Meetingkul­tur üblich, wo jeder auf Lücken lauert, in der er sein Statement ungeachtet des Gesprächsf­ortgangs platzieren kann. Zenk: „Wer aufmerksam ist, sagt nur relevante Dinge.“

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[ Ubisoft]

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