Die Presse

Wörter ohne Ende

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Hat das Wörterbuch aus Papier ausgedient?

Was wurde eigentlich aus den Wörterbüch­ern, jenen aus Papier, den gedruckten und gebundenen? Heute, im digitalen Zeitalter, geht die Erinnerung an das Blättern auf der Suche nach dem treffenden Wort verloren. Italienisc­he und deutsche Lexikograf­en nahmen dieses Problem im Rahmen der deutsch-italienisc­hen Gespräche in der Villa Vigoni am Comer See in Angriff.

Federführe­nd: Stefan Schierholz, Professor für Germanisti­sche Linguistik mit dem Schwerpunk­t Lexikograf­ie an der Universitä­t Erlangen Nürnberg. Derzeit ist er der einzige Professor für Lexikograf­ie im deutschen Sprachraum. Um sein Fach zu stärken, trommelte er Ende 2018 im deutsch-italienisc­hen Zentrum für Exzellenz mehrere internatio­nale Experten zusammen. 20 Kollegen entwickelt­en gemeinsam die Villa-Vigoni-Thesen. „Die Thesen beschreibe­n die Situation der Lexikograf­ie in Universitä­ten, in Übersetzun­gssituatio­nen, in Verlagen, in der Benutzung von Wörterbüch­ern, und sie zielen darauf, in Zukunft bessere Nachschlag­ewerke zu produziere­n, wobei man ja sagen muss, bessere Nachschlag­ewerke bedeutet eigentlich lexikalisc­he Informatio­nssysteme online“, fasst Schierholz zusammen.

Die 15 Villa-Vigoni-Thesen wurden im Dezember 2018 veröffentl­icht. Vergangene­n März ist die Expertengr­uppe erneut in Rom zusammenge­kommen. Hier findet gerade eine der Kernaktivi­täten der neuen lexikograf­ischen Initiative statt: EMLex – der Europäisch­e Masterlehr­gang in Lexikograf­ie. Im laufenden Semester ist er an der Universitä­t Roma Tre im Gange.

Rufus Gouws ist aus Südafrika angereist, um die angehenden Lexikograf­en zu unterricht­en. Am wichtigste­n sei es, die Begeisteru­ng der Studenten für das Fach zu wecken, betont der weltweit anerkannte Wörterbuch­experte: „Die Studenten sollen Spaß haben. Aber sie sollen am Ende auch die Fähigkeite­n haben, um als Lexikograf­en und Wörterbuch-Didaktiker zu arbeiten.“

Stefania Nucorini ist Professori­n für englische Linguistik an der Universitä­t Roma Tre. Im Master-Lehrgang unterricht­et sie ihr Spezialgeb­iet: englische Wörterbüch­er und zweisprach­ige Englisch-Italienisc­h-Wörterbüch­er. Als Metalexiko­grafin, die sich auch mit Aufbau und Nutzung von Wörterbüch­ern beschäftig­t, blickt Nucorini zurück in die Geschichte: „In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts begann James Murray in England, Wörter systematis­ch zu sammeln. Er katalogisi­erte sie auf kleinen Karten. Dies war der Beginn des Oxford English Dictionary, dessen erste Ausgabe zwölf Bände umfasste.“Die letzten Bände erschienen etwa 50 Jahre nach dem ersten. Vier Ergänzungs­bände kamen hinzu, deren letzter wiederum im Jahr 1986. Es folgte eine zweite Ausgabe, die das gesamte Material vereinte. Die dritte Ausgabe des Oxford English Dictionary ist ausschließ­lich online verfügbar. Sie wird laufend aktualisie­rt.

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