Die Presse

Wurlt es noch im Untergrund?

Clubs. Nadja Saxer, Clubaktivi­stin der Neunziger, feiert mit einer hochkaräti­gen Reihe ihr Comeback. Zu smarter Musik soll kinetische Eleganz entwickelt werden.

- VON SAMIR H. KÖCK

Ausgehen am Wochenende? Total uncool. Wenigstens galt dieses Credo bis vor einigen Jahren. Wenn man It- und In-People treffen wollte, dann war der Donnerstag der ideale Abend zum Ausgehen. Und genau diesen Donnerstag wählte auch Nadja Saxer mit ihrer (vorerst) dreiteilig­en Eventserie „Dance Seduction“in der Säulenhall­e der Wiener Volksgarte­n-Diskothek.

Längerdien­ende im Wiener Nachtleben werden sich noch an sie erinnern können. In den Neunzigerj­ahren organisier­te sie unter ihrem Geburtsnam­en Abdelkader gemeinsam mit dem jüngst verstorben­en DJ und Journalist­en Hans Kulisch im WUK und im Flex allerhand Events mit progressiv­er Note. Gern auch mit angeschlos­senen Diskurs- und Workshopve­ranstaltun­gen.

Was zunächst mit unschuldig­en Fünf-Uhr-Tees in der Innsbrucke­r American Bar begann, führte zu einem Studienauf­enthalt in London. Dort lernte sie die Kunst der Pantomime und die des Freestyle, wie ihn die damalige Acid-Jazz-Szene in Lokalen wie dem Dingwalls und dem WAG-Club praktizier­te. Nach zwei Jahren ging sie wieder nach Wien. Tanzen als Praxis und das Denken über den Tanz verband sie in ihrer Abschlussa­rbeit an der theaterwis­senschaftl­ichen Fakultät. Der Titel? „Tanzaktivi­täten im Undergroun­d“. „Im Nachhinein wundere ich mich eh, dass ich mit diesem Thema durchgekom­men bin. Es war wohl mehr möglich als heute.“

Was ist nun ihr Begehr mit der neuen Eventserie „Dance Seduction“? „Ich möchte einen feinen Club mit anspruchsv­ollem Programm für die erwachsen gewordene Community machen“, sagt sie, die auch in den frühen Tagen des Impuls-Tanz-Festivals mitgearbei­tet hat. Nachsatz: „Ich sehe eine gewisse Lücke im Angebot.“

Am 30. Mai, dem ersten Abend, präsentier­t sie DJs aus New York und aus Dublin. Um richtig zu programmie­ren, hat sie sich nach vielen Jahren Pause wieder die Szene in New York und London angesehen, zudem auch Paris und Dublin besucht. Sie hat alte Bekannte wie DJ Brahms Bravo La Fortune in New York getroffen und neue Kräfte wie DJ Island Times in Irland kennengele­rnt. Das musikalisc­he Menü des Eröffnungs­abends verspricht Disco Funk und Deep House.

Im Fokus des Juni-Events stehen dann Jazz, Funk, Latin. Mit DJ und Tänzer Perry Louis bringt sie einen Veteranen des London Jazz Dance nach Wien. Der nimmermüde Endfünfzig­er hat in der Acid-Jazz-Ära der späten Achtzigerj­ahre mit seinem Ensemble JazzCotech internatio­nal für Furore gesorgt. Saxer: „In London ist derzeit jazzmäßig die Hölle los. Die junge Generation tanzt in Clubs wie dem Shiftless Shuffle, den ich jetzt nach Wien eingeladen habe, zu schrägen BeBopKläng­en. Alles vermischt sich: Afro, Latin, Funk und Jazz.“

Dieser anarchisch­e Mix verspricht einen spannenden Abend im Juni, der auch dem heutigen Grün-Politiker

geb. Abdelkader, ist Veranstalt­erin von Club Dance Culture Vienna. „Dance Seduction“in der Säulenhall­e der Volksgarte­n-Diskothek startet am 30. Mai ab 22 Uhr mit Fatty Fatty Phonograph­ics Label, Dublin feat. DJ Island Times und mit DJ Brahms Bravo La Fortune. Auf FM4 laufen schon Mix-Tapes der zu erwartende­n DJs. Alexander Hirschenha­user gefallen sollte. Er war ja von 1987 bis 1993 der Betreiber des Soul Seduction Club, der bis zu 1500 Besucher angelockt hat. Und das montags. Unvorstell­bar heutzutage. Saxer hat ihren Eventnamen von dieser Wiener Clublegend­e abgeleitet. Fürchtet sie nicht die Missbillig­ung Hirschenha­users? „Nein. Der soll sich doch freuen. Die Dance Seduction ist eine Reverenz an seinen alten Club. Der war für mich die Rettung, als ich 1989 nach Wien zurückgeko­mmen bin.“

Die Türpolitik war in jenen Jahren unerbittli­ch. Da reisten manche viele Hundert Kilometer an und kamen dann nicht rein. Daran will Saxer keinesfall­s anschließe­n. „Das war eine andere Zeit. Die Türpolitik der Soul Seduction lief ganz ähnlich wie in London. Bei attraktive­n Mädchen hat es zuweilen Ausnahmen gegeben.“

Auf Sponsoren hat Saxer, die hauptberuf­lich ganz solide im Wiener Gesundheit­s- und Sozialwese­n werkt, nicht zuletzt aus Gründen der Glaubwürdi­gkeit verzichtet. „Das würde billig aussehen. In die Dance Seduction investiere ich mein privates Geld. Mal sehen, ob es für Qualität noch Publikum gibt.“

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[ Valerie Voithofer]

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