Der XXXL-Poker der Familie Seifert
Expansion. XXXLutz hat sich mit dem Kauf der Kika-Osteuropafilialen fünf Jahre Aufbauarbeit gespart. Der Deal passt in die Strategie – und ist ein letzter Gruß an den Intimfeind.
In Deutschland begann und endete die Freundschaft zwischen Andreas Seifert und Markus Jooste. Gemeinsam wollten der XXXLutzChef und der Steinhoff-Chef die Nummer eins auf dem deutschen Markt, Ikea, vom Thron stoßen. Die Partnerschaft lief gut – bis schwere Vertragsverletzungen im Raum standen und beide den anderen aus der gemeinsamen Diskontmöbelkette Poco drängen wollten.
Das Match entschied der Bilanzskandal bei Steinhoff. Zu Seiferts gut sechs Mrd. Euro schwerer Möbelgruppe gehört also seit einem Jahr die gesamte Poco-Kette. Jooste muss sich vor den Strafbehörden verantworten. Die Prüfer dokumentierten jüngst fragwürdige Buchungen in Höhe von 6,5 Mrd. Euro. Es laufen mehrere Ermittlungsverfahren. In Deutschland stieß sie niemand anderer als Andreas Seifert an.
Am gestrigen Freitag kam Seifert erneut zum Zug. Diesmal saß aber nicht mehr Jooste auf der Verkäuferseite, sondern Rene´ Benkos Signa. Die hat nämlich in der Zwischenzeit die Kika/Leiner-Gruppe von Steinhoff gekauft – und damit die Pleite verhindert. Jetzt ist wieder alles anders: XXXLutz gehören – vorbehaltlich der kartellrechtlichen Prüfung – alle 22 Kika-Osteuropafilialen.
Die neuen Kika/Leiner-Eigentümer haben von Beginn an klar kommuniziert, worum es ihnen ging: die Rettung der österreichischen Traditionsfirma. Die Schwesterbetriebe in Osteuropa? Kamen als Randnotiz vor, obwohl dort im Gegensatz zum Heimmarkt Gewinn geschrieben wurde und wird. Gegenüber der „Presse“betonte man aber, am Ostgeschäft festhalten zu wollen, schließlich seien sehr interessante, zentral gelegene Immobilien darunter. Dort ließen sich Hotels bauen.
Wieso es anders kam? „Kika/ Leiner ist auf Konsolidierungskurs“, sagt WU-Handelsprofessor Peter Schnedlitz. Der österreichische Möbelmarkt ist gesättigt, die Lutz-Gruppe mittlerweile mit gut 30 Prozent Anteil deutlich größer und das Ziel, innerhalb von drei Jahren schwarze Zahlen zu schreiben, kein leichtes. Der nicht veröffentlichte Verkaufspreis soll direkt „in das nationale Kerngeschäft reinvestiert“werden, schreibt die Signa. Sie hat seit der Übernahme vor etwa einem Jahr nach eigenen Angaben einen dreistelligen Millionenbetrag in die österreichischen Filialen investiert. Und es sei relativ rasch festgestanden, dass das Kerngeschäft nicht in Osteuropa liegt, heißt es heute vom Unternehmen.
Thomas Saliger, der seit Jahren für die verschlossene Familie Seifert spricht, freut der Deal. Nicht, weil die 22 Filialen mit 250 Mio. Euro Umsatz bei insgesamt sechs Mrd. Euro besonders ins Gewicht fallen, sondern weil das in die Expansionsstrategie passt. Sie lebt von Zukäufen. „Das spart uns fünf Jahre auf einmal“, sagt Saliger. In Tschechien und der Slowakei sei Lutz damit Marktführer, in Ungarn auf gutem Weg dorthin. In Rumänien, wo die Welser im Vorjahr starteten, gibt man sich etwas mehr Zeit. Aber das Ziel ist immer gleich: Marktführerschaft. Und die will das Familienunternehmen, das nach eigenen Angaben „seit 1973 eine ununterbrochene Expansionspolitik“betreibt, in immer mehr Ländern. Im Vorjahr startete Lutz neben Rumänien in der Schweiz, heuer eröffnen erste Filialen in Polen und Serbien.
Das Kochrezept hinter dem Wachstum hat sich seit dem Einstieg in den deutschen Markt 1990 nicht geändert. Während sich der Osten öffnete und Mitbewerber wie Kika/Leiner anlockte, ging Lutz den anderen Weg. Das werde nicht gut gehen in diesem übervollen Markt mit seinen Dutzenden Regionalkaisern, prophezeiten Beobachter. Sie sollten unrecht haben. Während die Konkurrenz in Osteuropa viel Geld verlor, wuchsen die Seiferts auf dem deutschen Markt immer weiter.
„Sie haben die familiengeführten Platzhirsche aufgekauft“, sagt Schnedlitz von der WU. „Bei vielen Häusern stand der Generationswechsel an, der Patriarch war um die 70, und sie kamen zur richtigen Zeit.“Heute sind die kleinen Mö
Hinter den Kulissen soll es seit Monaten Gespräche gegeben haben, seit Freitag ist es offiziell: Rene´ Benkos Signa zieht sich aus Osteuropa zurück und verkauft alle 22 Kika-Filialen an den Konkurrenten XXXLutz. Signa will das Geld für die Sanierung der heimischen Möbelhäuser verwenden. XXXLutz setzt damit den Expansionskurs fort. Die Zahl der Möbelix, Mömax und XXXLutzHäuser steigt auf 304, der Umsatz von 4,4 Mrd. auf 4,65 Mrd. Euro. Rechnet man den deutschen Diskonter Poco dazu, setzt das Familienunternehmen aus Wels mehr als sechs Mrd. Euro um. belhändler in den Innenstädten, die es in Deutschland anders als in Österreich lang gab, großteils verschwunden – oft in der Lutz-Gruppe. Nur noch Ikea ist größer.
Marktkenner wie Schnedlitz sind von dem Tempo überrascht, das die Welser vor allem seit der Krise bei Steinhoff vorgegeben haben. Eine Prognose traut sich dieses Mal aber keiner zu.
Andreas Seifert gab der „Frankfurter Allgemeinen“vor Kurzem ein Interview. Der Inhalt überraschte kaum. „Wir wollen die Nummer eins im deutschen Möbelhandel werden.“Die Komplettübernahme von Joostes Firmenhälfte hat ihn dem Ziel jedenfalls deutlich näher gebracht.