Die Warnungen der Leser im Fall Claas Relotius
Was der Abschlussbericht zum Fälschungsskandal rund um den „Spiegel“-Journalisten sagt.
Mehrmals meldeten Leser Ungereimtheiten in den seit 2011 für den „Spiegel“veröffentlichten Artikeln des Journalisten Claas Relotius, zum Teil direkt an das zuständige Gesellschaftsressort – doch ihnen wurde nicht nachgegangen: Das ist eines der Ergebnisse des 17-seitigen Abschlussberichts zum Fall Relotius, den „Der Spiegel“am Freitag online veröffentlicht hat. Wie im Dezember 2018 bekannt wurde, hatte der deutsche Journalist immer wieder Figuren und Szenen seiner Auslandsreportagen erfunden. In einem Tweet an den „Spiegel“-Account schrieb etwa ein Einwohner des Ortes Fergus Falls im US-Bundesstaat Minnesota über Relotius: „Ich frage mich, warum er Zeit hier verbracht hat, um dann nur Erfundenes zu schreiben.“Der Tweet blieb unbemerkt. Leser, „die ihm direkt schrieben, wickelte er geschickt ein“, schreibt die vom „Spiegel“beauftragte dreiköpfige Kommission. Die Veröffentlichung von Leserbriefen, die an ihm vorbei den „Spiegel“erreichten, konnte er mehrmals verhindern.
„Keine Hinweise“fand die Kommission „darauf, dass jemand im Haus von den Fälschungen des Claas Relotius gewusst hat, an ihnen beteiligt war oder diese verheimlicht hätte“. Doch man habe „in einem Ausmaß Fehler gemacht, das gemessen an den Maßstäben dieses Hauses unwürdig ist“, schreiben Chefredakteur und Geschäftsführer in einem Brief an die Leser. Künftig soll eine unabhängige Ombudsstelle etwaigen Hinweisen nachgehen. Außerdem will „Der Spiegel“seine Recherche-, Dokumentations- und Erzählstandards überarbeiten. (sim)