Die Presse

Die Suche nach den Urgroßelte­rn und deren Vorfahren

Bei der Ahnenforsc­hung müssen zahlreiche historisch­e Quellen akribisch durchforst­et werden. Das reicht von den Kirchenmat­rikeln über Militärauf­zeichnunge­n bis zu den Grundbuchk­atastern vergangene­r Jahrhunder­te. Viele Quellen sind bereits online verfügbar.

- VON ERICH WITZMANN

Er war vier Jahre, als die Eltern aus Wien nach Brasilien ausgewande­rt sind. Jetzt, im fortgeschr­ittenen Alter, will er auch für seine Kinder die österreich­ische Staatsbürg­erschaft beantragen. Allerdings verfügt der Brasilien-Österreich­er über keine Geburtsurk­unde, die nun für seinen Antrag erforderli­ch ist. Und in Wien war sein Name in den Standesämt­ern nicht verzeichne­t.

„Der Mann hatte Glück“, sagt Felix Gundacker, „er war noch im Besitz der Heimatroll­e seiner Mutter.“Gundacker, von der Berufsausb­ildung her Techniker, ist seit mehreren Jahrzehnte­n Berufsgene­aloge und auf alle Spielarten der Ahnenforsc­hung spezialisi­ert. Im speziellen Fall fand sich nämlich der Heimatsche­in der Mutter, der in St. Valentin ausgestell­t worden war. In der niederöste­rreichisch­en Stadt gab es wiederum einen Hinweis auf das 28 Kilometer entfernte Linz – und dort wurde auch die Geburtsurk­unde des Mannes ausgestell­t. Gundacker kennt mittlerwei­le die zahlreiche­n Archive und Dokumentat­ionsstelle­n, die er bei einer Spurensuch­e aufzusuche­n hat. Schon mit 14 hat ihn – angeregt durch seinen Großvater – die Ahnenforsc­hung interessie­rt. 1988, damals 28-jährig, kam er mit einem Mann gleichen Namens zusammen. Da wollte er eine mögliche Verwandtsc­haft herausfind­en, und er landete einen Volltreffe­r. Mit dem anderen Gundacker war er im fünften Grad verwandt, „und das ist noch eine sehr enge Beziehung“, wie er heute sagt. Für beide Männer war der Großvater des Urgroßvate­rs dieselbe Person.

1989 gründete Gundacker das Institut für historisch­e Familienfo­rschung und widmet sich seit damals hauptberuf­lich der Genealogie. In den Gründungsj­ahren gab es eine geradezu grassieren­de Monarchie- und Nostalgiew­elle, sodass das neue Institut regelrecht gestürmt wurde. Derzeit laufen bei Gundacker 30 bis 50 Anfragen pro Monat ein, wobei der größte Ansturm stets rund um Allerheili­gen/ Allerseele­n, Weihnachte­n und Ostern erfolgt.

Grundlagen für die Ahnenforsc­hung sind Geburtsurk­unden, Heiratsurk­unden und Sterbedate­n. Interessen­ten können diese oft bis zurück in den Zeitraum 1880/1890 vorlegen. Spätestens dann beginnt das heute schon großteils im Internet vorhandene Quellenstu­dium. Die österreich­ischen Kirchenmat­rikeln sind – bis auf jene aus dem Burgenland – online gestellt, jene aus Tschechien auch zu etwa 85 Prozent. Für die Genealogie werden in Einzelfäll­en grundherrs­chaftliche Aufzeichnu­ngen ebenso herangezog­en wie die Personenre­gister in den Militärbüc­hern.

Eine besondere Quelle sind die Kataster, in denen der Grundbesit­z der Bewohner verzeichne­t ist. Der erste – der Gaisruck’sche Kataster – wurde unter Maria Theresia 1753 für die landesfürs­tlichen Städte und Märkte erstellt, ab dem Regenten Josef II. wurden in den Katastern alle Gemeinwese­n erfasst. Die 1785 abgeschlos­sene umfassende Landesaufn­ahme mit ihren Landkarten diente in erster Linie den militärisc­hen Befehlshab­ern zur besseren Orientieru­ng, später wurde die Aufnahme der Liegenscha­ften für die Bemessung der Grundsteue­r genutzt. Eine Unsicherhe­it betrifft die Schreibung der Namen, da die Gemeindeka­nzleien diese oft unleserlic­h oder nach dem Hörensagen aufzeichne­ten.

Für Felix Gundacker ist so gut wie jede Nachforsch­ung ein besonderer Fall. Und wenn eine Person nirgends aufscheint und als U-Boot lebt, „muss auch das einen Grund haben“. Als er einmal hörte, dass Franziska Rhee, die Frau des ersten Staatspräs­identen von Südkorea, eine gebürtige Österreich­erin war, startete der Genealoge seine Forschunge­n. Sie wurde in der Gemeinde Inzersdorf (1938 in Wien eingemeind­et) geboren. In den Matrikeln war ersichtlic­h, dass die Familie aus Radlbrunn im Weinvierte­l stammte. In dieser niederöste­rreichisch­en Gemeinde konnte Gundacker herausfind­en, dass eine Verwandtsc­haft zum damals amtierende­n Landeshaup­tmann, Erwin Pröll, bestand.

Das Gundacker-Institut für Familienfo­rschung befindet sich unter dem Dach der Plattform Österreich forscht (www.citizen-science.at). Citizen Science umfasst zahlreiche wissenscha­ftliche Projekte, die unter Mithilfe oder komplett von interessie­rten Amateuren durchgefüh­rt werden. Voraussetz­ung ist die Einhaltung wissenscha­ftlicher Kriterien.

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