Auf ein Achterl mit Aphrodite
Zypern. Außerhalb der Hauptsaison zeigt sich die große Mittelmeerinsel schön, mild und kulinarisch. Und der Weg in die Berge straft das Inselklischee vom „Tresor der Russen“Lügen.
Ganz vereinzelt gibt es sie noch, die Schilder, die neben einer Immobilie auch gleich die „Citizenship“anpreisen. Rund zwei Millionen Euro sei der Tarif, für den man mit der Strandvilla auch gleich Zypriote und damit EU-Bürger wird. Angebote wie diese haben die Wirtschaft Zyperns nach dem Bankencrash 2013 „gerettet“. Nach wie vor fließt neben russischem auch libanesisches Geld in die Städte. Die rege Bautätigkeit an der „Corniche“von Limassol zeugt davon ebenso wie das gut gebuchte und hochpreisige Steak House in der Marina der Stadt. Selbst in der „Ballermann“Ecke der Mittelmeerinsel, in Ayia Napa, werden Luxuswohnungen hochgezogen. Doch der Boom scheint ein Ablaufdatum zu haben, „seit Putin mit Erdogan˘ so gut kann“, wie es Taxifahrer Andreas formuliert. Zehntausende Russen ziehen da lieber die Fünfsternehotels Kleinasiens vor.
Doch das wahre Zypern findet sich ohnehin nicht in Paphos, Ayia Napa oder Limassol, sondern beginnt nur jeweils 25 Kilometer außerhalb der Städte. Etwa in den verwinkelten Gassen von Lofou, wenn man in Limassol nächtigt, oder im bekannten Dorf Lefkada, der Hochburg des Silberhand
Urige Gastfreundschaft in Costas Violaris altem Steinhaus nördlich von Limassol. Gewohnt wird in „Studios“, die Tische im Cafe´ biegen sich vor Meze. www.lofoutaverna.com
Das der Lieben Frau vom Goldenen Granatapfel geweihte Kloster zählt zu den Weinpionieren des Landes. Ikonenmalschule von Abt Dionysios.
Auf über 800 Metern hat Sophocles Vlassides seinen Kellerneubau errichtet. Rose´ Grifos, 2018 bester Wein Zyperns. www.vlassideswinery.com
Zwischen Paphos und Akamas-Halbinsel serviert Pagkratios Meze wie die Rotweinwurst Loukanika oder Zaziki mit Minze. www.pagkratios.com
Am Fuß der AkamasHalbinsel thront das Anassa. Exklusives Service vom Zitronenwickel im Spa bis zum Sushi. Tipp: Sonnenuntergang auf der Cocktailterrasse! www.anassa.com
Archäologischer Park, Mosaike im Dionysos-Haus in Paphos kaum denkbar. www.mcw.gov.cy
Annabelle, idealer Start für Touren in die Troodos-Berge. Blick auf die Festung. www.annabelle.com.cy werks und der kerzenartigen „Soutzoukos“, dem Mandelkonfekt mit Traubensirupglasur. Von Ayia Napa oder Larnaka gelangt man schnell zu den südlichen Ausläufern des Troodos-Gebirges.
Die Berge Zyperns kann man auch als Österreicher getrost als solche bezeichnen – bis zu 1952 Metern ragen sie auf. Omodos und Troodos sind die wichtigen Hochlandgegenden, in beiden finden sich berühmte Klosteranlagen, aber auch der aktuell stark wachsende Weinbau geht bis auf eine Höhe von 1400 Metern. Die sonnengetrockneten Süßweintrauben des Kommandaria, mit ihrer Geschichte zurück zu den Johannitern der älteste „Markenwein“der Welt, gibt es auch noch. Doch die junge Garde geht einen anderen Weg. Sophocles Vlassides etwa, der an der kalifornischen WeinUni Davis ausgebildet wurde, hat in Kilani ein Weingut wie aus dem Architekturjournal errichtet. „Wir stehen erst am Anfang“, erklärt er bei einer Weinprobe. Denn der zypriotische Winzer sucht noch nach den idealen Böden und Rebsorten. Yannoudi und Promara, rote Rebsorten Zyperns stehen in seiner Versuchsanlage. Denn die einheimischen Rebsorten mussten erst einmal beschrieben und wiederentdeckt werden, woran Winzer wie Andreas Kyriakides großen Anteil haben. Seine nach dem lokalen Steinbock Vouni Panayia benannte Winery findet sich ein Gebirge weiter, nördlich von Paphos. Kyriakides und seine Söhne füllen ausschließlich einheimische Sorten ab, die im modernen Restaurant samt angeschlossenem Hotel in den Troodos-Vorbergen serviert werden. Der Patriarch mit dem imposanten Schnauzbart war eigentlich Agrarbeamter, ehe er Weinbau und Gastronomie startete.
Diese privaten Initiativen bringen Leben ins Bergland der Insel, das bis dato vor allem Wanderer und Kulturinteressierte aufsuchten, um Klöster wie Chrysoroyiatissa oder Kykkos zu besuchen, wo auch der Erzbischof und Präsident Makarios ewige Ruhe gefunden hat. Bei dieser Verbindung aus Natur und Kultur fehlt aber noch der Strand – und wer es sich leisten kann, steuert dafür das Anassa an. Indirekt verdankt sich das Luxushotel zwischen den Nationalparks Troodos Forest und Akamas ebenfalls dem streitbaren ersten Präsidenten Zyperns. „Er gab meinem Vater den Pachtvertrag für sein erstes Hotel“, erinnert sich Thanos Michaelides, zu dessen zypriotischer Hotelkollektion auch das Annabelle und das Almyra in Paphos gehören. Michaelides senior war schlau, denn er verhandelte aus, dass er nur für belegte Zimmer Pacht an die Kirche zahlt.
Dass allerdings auf den verwilderten Stränden ihrer Jugend „einmal das schönste Hotel der Insel entstehen wird“, wie es ihnen der Vater versprach, „glaubte keiner von uns“, sagt lachend seine Tochter Natascha Michaelides auf der Terrasse des Anassa. Heute umfasst das Hotel eine komplette Bucht, von der aus man via hoteleigenen (oder selbst gemieteten) Booten die Vogelschutzinsel St. George erreicht, aber auch das Bad der Aphrodite. „Bei der Namensgebung sind sie recht findig“, erzählt der bulgarische Kapitän, „seit ein Gewitter vor ein paar Jahren einen Baum gefällt hat, ist diese Klippe plötzlich die ,Blitz-Bucht‘“. Auch die Blaue Lagune, die Ausflugsschiffe rudelweise aus Paphos und Latchi anzieht, heißt lediglich wegen der Farbe ihres Wassers so.
Der Schönheit der Akamas-Insel, auf der am Strand von Lara auch Schildkröten brüten, tut das aber keinen Abbruch. „Im Herbst kommen die Jungen oft bis zu uns auf den Hotelstrand geschwommen“, erzählt Sebastian Wurst. Der Deutsche leitet das Anassa als General Manager. „Im Oktober ist das Meer am wärmsten“, weshalb Zypern-Kenner den Hochsommer gern auslassen.
Selbst vom Flughafen Larnaca, seit der Teilung der Insel 1974 der wichtigsten Anschluss Zyperns an die Welt, findet man dann schnell seinen Weg ins ursprüngliche Bauernland. Silberschmiede, Korbmacher, Spitzenklöpplerinnen und Halloumi-Käser finden sich entlang der Traditional-GastronomyRoute. Vor allem aber waren hier auch die Imker zu Hause, wovon nicht nur das Bienenmuseum in Kato Drys erzählt. Live gibt es die Honigerzeugung in Vavla zu erleben, wo Georgia Shoshilou mit Ecophysis halbtägige Touren ins Reich der Bienen anbietet. Die Amerikanerin führt ihre Gäste – im weißen Schutzanzug wie sie selbst – von den Wiesen zu den Bienenstöcken, ehe der Besuch in Vavla mit einem Honigbrot ausklingt.
Ebenfalls in diesem Teil der Insel, der seit dem verheerenden Waldbrand von 2011 noch karger wirkt, treffen wir eine andere Amerikanerin. Genauer gesagt, folgte Donna Marie ihrem Mann, George Pavlou, zurück in seine alte Heimat. „Nach dem Krieg ging ich nach New York“, erzählt der 81-Jährige ehemalige Gewichtheber, der sich heute noch im Fitnesscenter in Form hält. Während seine Frau im schlicht Our House genannten Restaurant die Tonversiegelung vom traditionellen Holzofen bricht, führt Pavlou durch die Gästezimmer des restaurierten Bauernhauses. So kann er einmal mehr die Geschichten erzählen, wie er mit den Halbstarken in Little Italy umgegangen ist, die Streit in seinem Restaurant gesucht haben. Nach über 40 Jahren ist er zurück nach Zypern gegangen, Sohn Arie bekocht heute noch die Reichen und Schönen in Montauk auf den Hamptons.
In Vavla allerdings führt Donna Marie das Küchenregime und ihr Lamm-Reis-Auflauf „Ttavas“ist nun fertig. „Früher haben die Bauern das vor dem Weg zur Arbeit in den Ofen geschoben, und mittags war alles fertig“, schildert die New Yorkerin, die Zyperns Küchentradition ins 21. Jahrhundert rettet. Ganz ohne russischen Investor.